Haben wir die Wahl? Ein Plädoyer für politische Teilhabe
Deutschland: Während die ARD weiter die Kriegstrommel rührt, bereiten die anstehenden Wahlen vielen Menschen Kopfzerbrechen.
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«Wenn ich meine Stimme in der Wahlurne abgebe, beerdige ich meine Stimme.» Foto: Unsplash

Deutschland müsse «mehr ausgeben und mehr produzieren», erkärt der NATO-Generalsekretär Mark Rutte in Bezug auf deutsche Verteidigungsausgaben und Rüstungsproduktion: «Ich kann Ihnen aber eins versichern: Es wird viel, viel, viel mehr sein als zwei Prozent.» Vor allem «angesichts der Grösse der deutschen Wirtschaft» wolle man natürlich, dass die Deutschen «noch viel mehr tun.» Auch das reicht Rutte noch nicht: «Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Wir müssen uns auf Krieg vorbereiten».

Gar nichts wäre nötig gewesen, hätte man sich nie in der Ukraine und anderen Staaten eingemischt. Die beste Verteidigung ist, keine Feinde zu haben.

Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der CDU, will dagegen auch Taurus-Marschflugkörper liefern. Sein Ziel: Er will die ukrainische Armee «in die Lage versetzen, Militärbasen in Russland zu erreichen.» Für Deutschland bedeutet das die Eintrittskarte in den dritten Weltkrieg.

 

Wählen oder nicht wählen?

Deutschland befindet sich in einer Systemkrise, die es zu überwinden gilt. Die Wahl am 23. Februar ist über die Bundesrepublik hinaus von Bedeutung. Läuft sie unglücklich, dann wird es brandgefhärlich.

Die Wahl betreffend sind sich die einen ihrer Sache schon sicher, die anderen überlegen noch, und eine dritte Personengruppe fragt sich: Können Wahlen etwas ändern? Soll ich überhaupt wählen gehen? Voranstellen möchte ich eine kleine Statistik, die die grosse Bedeutung der Nichtwähler aufzeigt, hier gelb gekennzeichnet.

 Landtagswahlen in Sachsen vom 1. September 2024. Diagramm: Volkmar Kreiss und Angela Mahr

 Landtagswahlen in Sachsen vom 1. September 2024. Diagramm: Volkmar Kreiss und Angela Mahr

 

Wir erkennen: Mehr als ein Viertel aller Wahlberechtigten in Sachsen waren Nichtwähler. Sie bilden die Mehrheit. Einen Systemwandel wird es geben, da die alten Strukturen nicht mehr tragfähig sind. Die offene Frage ist, wie dieser aussieht. Ich sehe die Möglichkeit eines friedlichen Übergangs durch zahlreiche Graswurzelbewegungen und deren zunehmender Vernetzung. Und ich bin der Ansicht, dass wir auf dem Weg dorthin die vorhandenen Freiheiten nutzen sollten, auch die der Wahl, um den Bewusstseinswandel voranzubringen.

Im Folgenden will ich also einigen häufigen und weniger häufigen Vorbehalten gegen das Wählen mit meiner Argumentation begegnen. Meine Überlegungen sind nicht abschliessend, sondern als Anregung zu verstehen.

«Nicht-Wählen ist die wirkungsvollste Form um etwas zu ändern!»

Der Haken beim Nichtwählen ist, dass die eigene Stimme bei der tatsächlichen Machtverteilung der vorhandenen Parteien nicht mit einfliesst. So gesehen unterstützt man einfach das was kommt, also den durchschnittlichen Wähler. Will man das?

Die gewählten Parteien und Kandidaten bekommen ausserdem Sendezeit. Sie werden interviewt, gefilmt und gehört. Das gibt ihnen Reichweite. Die Stimme einer Partei zu geben, bedeutet immer auch, ihr im Vergleich zu den anderen mehr Sendezeit, Bekanntheit und Reichweite zu verschaffen. Die Gedanken und Argumentationsketten der Partei werden dann gehört und diskutiert, auch wenn diese nicht regiert.

«Wenn ich wählen gehe, bejahe oder stärke ich eine Fassadendemokratie und Korruption. Jede Partei wird in Zukunft korrupt sein, egal wie integer ihr Programm heute ist. Keine Partei wird je aufrichtig agieren. Meinen Protest dagegen kann ich nur durch Nicht-Wählen ausdrücken!»

Wie aber kann oder soll der Übergang oder Systemwandel aussehen? Was steht genau jetzt an? Wie wollen wir die nächsten vier Jahre erleben? Wie organisieren wir unsere Willensbildung?

Die repräsentative Demokratie in Deutschland könnte sich weiterentwickeln, indem ein Volksentscheid auf Bundesebene eingeführt wird. Es gibt Parteien, die sich dafür einsetzen. Eine solche könnte beim Übergang hin zu mehr Demokratie einen kraftvollen Anschub bedeuten.

Freilich sind damit nicht alle Probleme gelöst, aber viele wichtige: Die Bundeswehr wäre wohl nie in Afghanistan gestanden, und der Taurus bliebe der Ukraine fern.

Die repräsentative Demokratie basiert auf der Idee, dass die Volksvertreter vier Jahre lang die ihnen übergebene Verantwortung ihrem Gewissen entsprechend tragen und das Beste für ihre Wähler tun. Bei den Altparteien funktioniert das ganz offensichtlich nicht mehr. Der Grund dafür ist aber nicht nur im Parteiensystem und im Franktionszwang zu finden, sondern vor allem auch im Leistungs- und Geltungsdruck einer sowohl kapitalistischen als auch aussenorientierten Gesellschaft, und damit verbunden in den Karrieren der transatlantisch verstrickten Politiker. Das ändert sich wohl auch mit Donald Trump nicht einfach über Nacht, denn der Deep State agiert mit Geld und Einflussnahme auch am Präsidenten vorbei.

Die entscheidende Frage lautet: Wer lässt sich voraussichtlich von Kriegstreibern korrumpieren und wer nicht? Wer wird Wort halten, wer nicht? Ein Blick zurück auf die bisherige Laufbahn schafft Klarheit: Wer hat uns in Kriege geführt, wer nicht? 
Man kann auch versuchen, mit dem Herzen zuzuhören wenn jemand spricht: Was bewegt ihn, wohin will sie, wem fühlt er oder sie sich gerade verpflichtet?

 

«Wenn ich meine Stimme in der Wahlurne abgebe, beerdige ich meine Stimme.»

Ich schlage vor zu unterscheiden, ob man strategisch oder idealistsch wählt. Soll die gewählte Partei eine realistische Chance haben, die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen? Oder unterstütze ich die Partei, die meinen Zielen in jedem Punkt am meisten entspricht? Oder fällt das glücklicherweise zusmmen?

Parteien bekommen staatliche Zuschüsse. Wer mehr als fünf Prozent Wähler erzielt, erhält zusätzlich noch Geld pro Wähler. Auch hier haben wir also Einfluss.

Menschen, die sich in jungen Parteien engagieren, stecken oft sehr viel Idealismus und Herzblut in die Gründung der Partei und Ausarbeitung des Programms. Anstatt sich zurückzulehnen und sie zu ignorieren, lohnt sich die Beschäftigung mit den neuen Impulsen: Vieles wurde schon weit entwickelt, von direkter Demokratie über Transparenz und Machtbegrenzung bis hin zum Austritt aus der Nato. Wer das alles nicht selbst erfinden oder initiieren will, kann diejenigen unterstützen, die bereits öffentlich dafür gehen, auch eine Partei.

«Alles ist inszeniert. Da alles nur Show und gelogen ist, gehe ich auch nicht wählen».

Leider stimmt das nicht. Die deutschen Kriegsbeteiligungen, Waffenlieferungen und Ausbildungen für Länder im Krieg sind leider nicht inszeniert und auch keine Show, sondern real. Ebenso ernst zu nehmen ist die Ankündigung der Taurus-Lieferung seitens Merz. Wie real die Positionen der anderen Parteien und Kandidaten sind, lässt sich daran messen, wie sie sich in der Vergangenheit positioniert haben und was sie vielleicht auch tatsächlich bewegt oder auf die Strasse gebracht haben.

«Alles ist gesteuert. Es gibt Mächtige Akteure im Hintergrund, die Jahre oder Jahrzehnte im Voraus planen. Wir sind für sie nur Spielfiguren, ebenso die Wahlen, also wähle ich nicht».

Vieles ist gesteuert, aber wir können ja gegenteuern. Ein Beispiel für langfristige Planung aus dem Tiefen Staat in den USA ist die Aussage des US-Generals Wesley Clark, dass die USA innerhhalb von fünf Jahren sieben Länder angreifen werden, Irak, Syrien, Libanon, Somalia, Sudan und Iran. Clark hatte das etwa zehn Tage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erfahren und war selbst erschrocken. Die Vorhersage hat sich beinahe vollständig bewahrheitet.

Allerdings haben wir immer die Möglichkeit, solchen dunklen Plänen sowohl Energie zu entziehen, als auch etwas Besseres entgegenzusetzen. Der Grund dafür ist schlichtweg die menschliche Schöpferkraft. 
Mit Sicherheit war in Deutschland eine Impfpflicht geplant, aber weil etwa ein Viertel der Menschen vehement für eine freie Impfentscheidung eintrat, konnte sie nicht umgesetzt werden.

Eine Recherche von Yahoo deckte auf, dass der US-Auslandsgeheimdienst CIA (Central Intelligence Agency) geplant hatte, den Journalisten Julian Assange zu ermorden. Ausserdem drohte Assange die lebenslange Haft in den USA. Aber von der Strasse kam soviel Protest für seine Freilassung, dass er freikam.

Es gibt auch Parteien und Kandidaten, die sich in diesen beiden Fragen öffentlich, ungebrochen und eindeutig für Freiheit und Menschenrechte engagiert haben und mitgewirkt haben.

«Wie innen so aussen: Wenn ich in mir alles heile und in Ordnung bringe, ändert sich das Äussere. Wenn ich wählen gehe, verschwende ich nur meine Energie».

Innen und Aussen spielen aus meiner Sicht zusammen, beeinflussen sich gegenseitig und brauchen eine Balance. Dafür sind wir hier auf Erden und leben! Mein Vorschlag: Betrachten wir dieses Leben als Abenteuerreise oder als grosses Fitnesstudio. Wir haben nur vergessen, wann wir das gebucht haben.

«Mein Ziel ist Harmonie. Da ich eine positive Entwicklung will, beschäftige ich mich gar nicht mehr mit dunklen Dingen, sondern nur mit positiven Ereignissen und Vorhaben - folglich auch nicht mit Politik und den Wahlen».

Das Aufdecken des Dunklen gehört zur Veränderung dazu, ebenso die Aufarbeitung. Es gehört deshalb zu unseren Lebensaufgaben dazu, auch Herausforderungen und Schwierigkeiten anzupacken. Das beinhaltet auch das Aufdecken und Aufarbeiten von Korruption, Abhängikeiten und Machtmissbrauch. Niemand soll sein Engagemenht übertreiben, aber wenn wir mit uns aufrichtig sind, erkennen wir selbst, wo wir mehr Informationen benötigen, um uns zu orientieren. Das betrifft unsere gesamte politische Teilhabe, auch die Wahlen.

«Ich kann trotz aufrichtiger Beschäftigung mit allen Wahlprogrammen und auch mit den kleinen und neueren Parteien nichts finden, was ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Es muss vollkommen anders laufen.»

Allein diese Aussage erfordert eine recht intensive Beschäftigung mit Politik. Sofern die Schlussfolgerung dennoch bleibt, wünsche ich viel Erfolg bei der Entwicklung und Umsetzung der eigenen Vision eines friedlichen und demokratischen Miteinanders. Wir dürfen alle gespannt sein.

Fazit

 

Wählen zu gehen bedeutet, einen Impuls zu setzen in die richtige Richtung, während man die tiefer liegenden, systemischen Probleme durchaus erkennt. Es bedarf einer Reihe Änderungen zur Entflechtung von Macht und Geld. Ich bin für den Volksentscheid auf Bundesebene, und dafür, sich auf das Subsudiaritätsprinzip zu besinnen anstatt immer mehr wichtige Entscheidungen nach oben abzugeben, etwa an die EU, wo unsere demokratische Mitwirkung dann gegen Null geht.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss demokratisiert und reformiert werden, damit er wieder regierungskritisch berichten kann.

Ob und wen wir wählen, bleibt eine persönliche Entscheidung. Die Beschäftigung mit der gegenwärtigen rasanten politischen Veränderung halte ich für wichtig. Die richtige Dosierung dafür muss dann jeder für sich finden. Der notwendige Wandel braucht viele Impulse, Bewegungen und Stimmen, und vor allem einen friedlichen Übergang.

Angela Mahr

Über mich: Ich bin Journalistin und arbeite zu den Themen Frieden, Interkulturelle Kommunikation und Völkerrecht. Damit verbunden betrachte ich auch das Spannungsfeld von Propaganda und Gesellschaft. Als Filmemacherin reiste ich nach China, Tibet und Indien und veröffentliche auf konzernunabhängigen Wegen. Ich studierte Ethnologie, Nordamerikastudien und Literaturwissenschaft (M.A.) in Berlin.

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