14 NATO-Staaten starten heute ein Atomkriegsmanöver
Der Einsatz nuklearer Waffen mit geringerer Sprengkraft auf dem Schlachtfeld wird auch im Westen nicht ausgeschlossen.
14 NATO-Staaten, darunter Deutschland, beginnen heute im Schatten des Ukraine-Kriegs eine knapp zweiwöchige Atomkriegsübung. Mit dem Manöver („Steadfast Noon“) wird die sogenannte nukleare Teilhabe geprobt; dabei fliegen Kampfjets derjenigen europäischen NATO-Staaten, die US-Atomwaffen gelagert haben, die Bomben an ihren Einsatzort. An dem Manöver sind bis zu 60 Militärflugzeuge beteiligt, darunter neben Kampfjets auch Aufklärungs- und Tankflugzeuge.
Die B61-Bomben, die sich zur Zeit auf verschiedenen Luftwaffenstützpunkten in Europa befinden – darunter Büchel in der Eifel –, sollen modernisiert und durch Bomben des Modells B61-12 ersetzt werden. Diese sind angeblich präzise steuerbar und können mit flexibler Sprengkraft eingesetzt werden, was Militärs und Strategen über ihre taktische Nutzung auf regionalen Schlachtfeldern spekulieren lässt.
Die jüngste öffentlich einsehbare US-Nuklearstrategie hat solche Einsätze für grundsätzlich zulässig erklärt. Berichten zufolge schließt sie auch die NATO nicht aus. Erst vor kurzem hat der ukrainische Präsident nukleare NATO-„Präventivschläge“ gegen Russland gefordert. …
Das Manöver umfasst, so wird regelmäßig berichtet, alle zur Durchführung eines Atomangriffs notwendigen Aktivitäten: Die Bomben werden aus ihren unterirdischen Lagern geholt, dann an den Kampfjets angebracht, geschärft und schließlich eingesetzt. Allerdings betont die NATO stets, die Einsatzflüge würden nicht mit echten Nuklearwaffen geübt.
An Steadfast Noon sind nicht nur die Kampfjets beteiligt, die die Atombomben im Einsatzfall transportieren und abwerfen würden. Es sind auch Überwachungsflugzeuge involviert, die sämtliche Bewegungen feindlicher Streitkräfte im Detail registrieren, darüber hinaus weitere, nicht nuklear bewaffnete Kampfjets, die Schutzaufgaben übernehmen, sowie Tankflugzeuge, die sämtliche anderen Flugzeuge mit Treibstoff versorgen. …
Das Führen eines Krieges unter Rückgriff auf Atombomben von vergleichsweise niedriger Sprengkraft ist in der jüngsten bekannten US-Nuklearstrategie („Nuclear Posture Review“) ausdrücklich als Option enthalten. In der am 2. Februar 2018 publizierten Nuclear Posture Review der Trump-Administration war vorgesehen, Kernwaffen gegebenenfalls auf regionalen Schlachtfeldern einzusetzen. (Siehe dazu «Die Atomkriegsübung der Bundeswehr»)
Mittlerweile hat die Biden-Administration eine aktualisierte Version des Strategiepapiers erstellt, hält es allerdings noch geheim. Eine Zeitlang hatten einige die Hoffnung gehegt, US-Präsident Joe Biden könne bereit sein, das von Washington in Betracht gezogene Einsatzspektrum einzuschränken; derlei Hinweise hatte es jedenfalls im Präsidentschaftswahlkampf gegeben. In einer Kurzzusammenfassung, die inzwischen einsehbar ist, ist davon allerdings keine Rede mehr. …
Während sich die NATO offiziell von den jüngsten russischen Ankündigungen abgrenzt, Operationen mit Nuklearwaffen im Fall der Fälle nicht grundsätzlich auszuschließen, wirft ein internes Dokument des westlichen Kriegsbündnisses, über das bereits vor zwei Jahren berichtet wurde, Fragen auf. Demnach haben die NATO-Staats- und Regierungschefs im Juli 2018 ein „als geheim eingestuftes Dokument“ zur Kenntnis genommen, in dem „erstmals“ geäußert worden sei, „konventionelle Verteidigung und nukleare Abschreckung“ seien heute nicht mehr, „wie bisher in der Nato üblich“, voneinander zu trennen. Man müsse „beides gemeinsam“ bedenken. (Siehe FAZ: Die Nato kann früher mit Atomschlägen drohen).
German Foreign Policy: Das NATO-Atomkriegsmanöver, 17.10.22.
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