150.000 Dollar für singenden Saatgut-Rebellen

Humberto Ríos Labrada, ein Agrarwissenschaftler aus Cuba hat den mit 150.000 Dollar dotierten Goldmann Umweltpreis gewonnen. Geehrt wird er für seine Verdienste um die landwirtschaftliche Vielfalt und die Unabhängigkeit der Kleinbauern auf der Zuckerrohr-Insel.Dass vieler seiner Lieder eindeutig nur für Erwachsene sind, hat vielleicht mehr mit  Humberto Ríos Labrada’s Mission zu tun als man auf den ersten Blick annehmen mag. Sex ist schließlich die Grundlage aller Vielfalt – bei Menschen ebenso wie bei Pflanzen, denen der singende Saatgut-Rebell ebenfalls eine Reihe von heissen Oden und Hymnen gewidmet hat.


Als Professor Lambrada sein Studium beendete, verlor Kuba gerade seinen “grossen Bruder” Sowjetunion und dessen Comecon, dem die Insel jahrzehntelang als Lieferant von Zuckerrohr und schwer zu schälenden Orangen im Austausch gegen Weizen und andere Grundnahrungsmittel nebst gewaltigen Mengen an sozialistischer Agrarchemie gedient hatte. Die Ernährungskrise zwang Castro seinerzeit dazu, sich auf die Kraft eigenen Bauern zu besinnen. In kurzer Zeit gelang es, die Ernährungs-Souveränität der Insel, vom benachbarten Agrarexportweltmeister USA boykottiert, auf kleinsten Flächen durch Gärtner- und Bauern-Genossenschaften sicherzustellen. Kuba gilt seither als ein Paradebeispiel für agrarökologische Kleinbauernwirtschaft.

Versorgt wurden die Bauern zunächst von staatlichen Saatgutstellen, deren Angebot allerdings nur sehr bedingt den lokalen Erfordernissen entsprach und deren beste Sorten von Kopf bis Fuss auf die “grüne Revolution”, sprich reichlich Kunstdünger und Pestizide eingestellt waren. Hier kam Labrada in’s Spiel. Anstatt den bis heute weltweit üblichen Weg zu gehen, die Bauern “von oben” mit verbessertem Saatgut und Anweisungen aus staatlichen Forschungsinstituten zu versorgen, ging er mit dem verfügbaren Saatgut aufs Land, um die Landwirte selbst zu Züchtern ihrer Zukunft zu machen. Er organisierte Saatgut-Treffen und -Märkte, auf denen sie die besten Bohnen, Kürbisse, Gemüsesetzlinge, Mais- und Reiskörner austauschen; aber auch ihre Erfahrung mit biologischer Schädlingskontrolle, der Kombination verschiedener Pflanzen auf einem Feld, mit Gründüngung und Bewässerungstechnik und all den anderen Kniffen, die einen wirklich guten Bauern ausmachen. Die ausgelaugten Plantagenböden gewannen nach und nach ihre Fruchtbarkeit zurück und die Campesinos ihren handwerklichen Stolz.

Labrada bildete Gruppen von Bauern und Wissenschaftlern, die sich gemeinsam Ziele vornahmen und ihre Ergebnisse dann auch gemeinsam unters Volk brachten. Dass Wissenschaftler von und mit Bauern lernen können, ist bis heute an Agraruniversitäten rund um den Globus leider noch ein eher exotischer Geheimtip.  Mittlerweile ist er zum Koordinator des Instituts für lokale Agrar-Innovation am Nationalen Agrarforschungszentrum aufgestiegen. Seine Methoden haben sich nicht nur unter den 50.000 Bäuerinnen und Bauern herumgesprochen, mit denen er arbeitet, sondern auch unter Kollegen. Nach kubanischem Vorbild baut Labrada gegenwärtig auch in Mexiko von Bauern geführte Agarvielfalts-Zentren auf. “Ich will dass das Saatgut sich den Menschen und nicht die Menschen dem Saatgut anpassen,” sagte er Associated Press anlässlich der Preisverleihung.

Der Goldman Price, der jedes Jahr an sechs Menschen verliehen wird, die sich besondere Verdienste um die Umwelt erworben haben, ging bisher nur einmal an eine Deutsche: Heffa Schücking von Urgewald für ihren Kampf gegen die umweltzerstörende Wirkung deutscher Hermes-Bürgschaften, den sie zur Zeit unter dem Schlachtruf  “Neue Banken braucht das Land!” fortsetzt.

Wir gratulieren Humberto auf das Schärfste und wünschen noch viele schweinische Lieder, wilde Vielfalt und weite Verbreitung!