Autokratie statt Demokratie

Emmanuel Macron könnte mit seiner Bewegung «en marche» den Parlamentarismus ins Wanken bringen. Das zentralistisch ­organisierte Frankreich bietet ideale Voraussetzungen für einen ­neoliberalen Staatsstreich – auf ganz legalem Wege.

Sinkender Wohlstand, steigende Arbeitslosigkeit und die Aussicht, weiteren technischen Rationalisierungen ungeschützt zum Opfer zu fallen, bewirkten in den letzten Jahren einen enormen Glaubwürdigkeitsverlust gegenüber politischen und medialen Durchhalteparolen. Systemkritiker hatten bereits einen harten Bruch mit den parlamentarisch-demokratischen Gepflogenheiten hin zu diktatorischen Zuständen prognostiziert. Nun scheint sich allerdings ein schleichender Umbruch in Richtung einer autokratischen Herrschaftsform zu vollziehen.

Selbstherrschaft – Autokratie – ist ein seit der griechischen Antike gut eingeführtes Regierungsmodell. Aktuell erlebt es in Ländern wie der Türkei oder der Russischen Föderation eine neue Blüte. Mit dem Wahlsieg Emmanuel Macrons zum französischen Präsidenten könnte die Autokratie nun auch im Zentrum Europas zur neuen Herrschaftsform werden. Frankreich bietet dafür ein ideales Umfeld. Sein administrativer Zentralismus und sein politisches Präsidialsystem benötigen nur ein paar entsprechende Impulse, um der bislang gewohnten parlamentarischen Demokratie den Todesstoss zu versetzen. Dazu kommt der seit November 2015 bereits fünfmal verlängerte Ausnahmezustand, der ohnedies bei Bedarf jede nicht genehme politische Regung unterdrücken kann.

Macrons soziale Basis ist schwächer, als das Wahlresultat vom 7. Mai 2017 mit 66 Prozent Zustimmung glauben macht. Als erste Wahl sahen ihn zwei Wochen zuvor nur 24 Prozent der Franzosen. Wesentlich stärker als im Volk ist der 39-Jährige im Bankensektor und bei französischen und deutschen Konzernen verankert. Eine politische Partei, deren Mitgliedern gegenüber er verantwortlich wäre, weiss er auch nicht hinter sich. Von sozialer Kontrolle befreit, kann er sich seinem Reformvorhaben widmen, sprich: der von der fixen Idee des alternativlos betrachteten globalen Wettbewerbes betriebenen neoliberalen Agenda.
Parlamentarische Störungen soll es dabei nicht geben, weswegen Macron gerade eine Liste williger Mitarbeiter von einem extra dafür bereitgestellten Team durchleuchten lässt, von denen die für Macrons Agenda Nützlichsten als zukünftige Abgeordnete fungieren sollen. 19 000 Willige haben sich auf seinen Aufruf hin gemeldet. Die Brauchbarsten unter ihnen dürfen dann nach den französischen Parlamentswahlen dem Autokraten im Elysee-Palast die parlamentarische Mauer machen. Ob der Coup aufgeht, mit dem nicht nur die Sozialisten, sondern auch die Bürgerlichen zerquetscht werden könnten, wird sich erst an den beiden Wahltagen vom 11. und 18. Juni weisen. Das französische Mehrheitswahlrecht bietet jedenfalls gute Chancen hierfür.

95 Prozent der Kandidaten von «La Republique en marche» hatten keine Erfahrung in der Nationalversammlung, 77 Prozent waren überhaupt noch nie in irgendeiner politischen Mandatsfunktion. Mit anderen Worten: die Macron’schen Selektionskriterien bevorzugen politisch Ahnungslose. Wert wird hingegen auf das Reissverschlussprinzip zwischen Männern und Frauen gelegt. «In der grossen Mehrheit sind (die Kandidaten) Unbekannte, Bürger, die Lust haben, sich politisch zu engagieren und die vom Komitee für die Selektion der Bewegung dafür als kompetent eingeschätzt wurden», fasst die Tageszeitung Le Parisien den Vorgang zur Bestimmung der neuen Abgeordneten zusammen. Macron verkauft ihn als «Demokratie von unten», in Wahrheit wird damit eine Auswahl von Männern und Frauen getroffen, die einem einzigen – Macron – ihre Position verdanken. Eine zugegeben kritikwürdige Parteiendemokratie wird durch pure Autokratie ersetzt.    

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Dies ist die Kurzfassung des Artikels Autokratie statt Demokratie, der zuerst bei rubikon.news erschien.
Hannes Hofbauer ist Autor und Verleger des Promedia-Verlags in Wien und Mitgründer von rubikon.news  einem Medienportal «für die kritische Masse. Trägerschaft ist die «Initiative zur Demokratisierung der Meinungsbildung gGmbH». Chefredaktor und Geschäftsführer ist Jens Wernicke, der lange für die nachdenkseiten.de tätig war und zwei Jahre lang auch für die Website des Zeitpunkt arbeitete.

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Von Jens Wernicke erscheint im August im Westend-Verlag: «Lügen die Medien? Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung».

19. August 2017
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