«Bei uns vergisst man sie nicht»: Procol Harum und ihr Welthit
Als ich mich in die Welt verliebte – Chronik einer Leidenschaft #7
«Eine schwermütige schwarze Stimme und eine ebenso melodiöse Orgelbegleitung kennzeichnen den grössten Hit des Jahres 1967» schrieb ich in meinem Popcorner, und ich meinte damit den Song «A whiter shade of pale».
«Er schlug in den Hitparaden wie eine Bombe ein und hielt sich allein in den englischen Charts sechs Wochen auf Platz 1. Bald waren auch die Interpreten dieses in der Popmusik wohl einmaligen Liedes in aller Mund: Procol Harum.»
Man konnte es damals schon spüren, dass der Song die Zeit überdauern würde. Und mein Gefühl täuschte mich nicht. Die Komposition mit dem verschlüsselten Text und dem mystischen Titel, der auf Deutsch soviel wie «eine hellere Schattierung von bleich» bedeutet, wird nach wie vor von sämtlichen Radiostationen wieder und wieder gespielt. Und auf Millionen von Parties in all den Jahrzehnten seither folgte der Titel auf schnellere Stücke. Dann durfte man endlich geschlossen tanzen.
Auch ich bewegte mich damals mit klopfendem Herzen zu «A whiter shade of pale» und hoffte, dem Mädchen in meinen Armen vielleicht etwas näherzukommen. Noch heute erkenne ich die legendäre Komposition schon nach der ersten Sekunde. Kaum setzen die getragenen Takte der Orgel ein, erhebe ich mich auf den Schwingen des Liedes und summe die ersten Sätze:
«We skipped the light fandango…»
Als «A whiter shade of pale» veröffentlicht wurde, gab es die junge Band erst wenige Wochen. Kaum gegründet, schuf sie bereits ihren Welthit. Ihr kometenhafter Aufstieg beeindruckte mich. «Einen würdigen Nachfolger zu erschaffen, war natürlich nicht leicht», kommentierte ich, «aber schon zwei Monate später gelangten Procol Harum mit ihrer Single ‹Homburg› erneut bis zum 6. Platz der englischen Tophits.» Und am Ende des Jahres wurde «A whiter shade of pale» von der Leserschaft einer englischen Musikzeitschrift sogar zur Platte des Jahres gewählt.
Dann blieb es ein halbes Jahr still um die Band, bevor ihre dritte Single herauskam – «Quite rightly so». Sie gab mir den Anstoss für meine Kolumne.
«Kaum zu glauben», schrieb ich, ehrlich erstaunt, «der Song schaffte es nur auf Platz 50 der Hitparade. In ihrer eigenen Heimat scheint die Gruppe kaum mehr beachtet zu werden.»
«Procol Harum – vorbei?» So betitelte ich die Kolumne. Als junger idealistischer Mensch hatte ich die naive Erwartung, dass Musiker, die etwas so Grossartiges wie «A whiter shade of pale» zu schaffen vermögen, den Erfolg auch danach verdienen. Ich hatte fast ein wenig Erbarmen mit Procol Harum, die vom stolzen Platz 1 bereits wieder auf Platz 50 abgestürzt waren, obwohl sie doch nach wie vor sicher ihr Bestes gaben. Ich hatte noch nicht begriffen, dass auch in der Popmusik die Gesetze des Marktes herrschen und eine Band genau so schnell fallen wie aufsteigen kann.
«Doch bei uns in der Schweiz», meinte ich tröstend, «hat man sie nicht vergessen. Das bewies der grosse Applaus nach ihrem Auftritt in Bern.» Meine Vorstellung von der Schweiz war noch ganz intakt. Ich sah in ihr das Land mit dem grossen Herzen, das alles wieder gut machen kann. Und übrigens, fügte ich zum Schluss noch hinzu, «ist der Kopf der Gruppe, Gary Brooker, bereits verheiratet. Mit einer Schweizerin!»
Die Schweizerin Françoise Riedo kam als Au-pair nach England, wo sie Gary kennenlernte. Im Sommer 1968 führe er sie zu den Klängen von «A whiter shade of pale» zum Altar. Sie blieben 54 Jahre zusammen – bis zu seinem Tod am 19. Februar dieses Jahres. Bald wird sich niemand mehr an den Sänger und Pianisten Gary Brooker erinnern. Doch «A whiter shade of pale» wird emporsteigen in den Olymp zeitloser musikalischer Schöpfungen.
Procol Harum «A whiter shade of pale»
Gary Brooker und das Danish National Concert Orchestra im Park von Schloss Ledreborg (DAN) 2006 «A whiter shade of pale»
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