Brot von gestern

Mit viel Organisationstalent lindert das private Hilfswerk „Schweizer Tafeln“ die Not von Armutsbetroffenen in der Schweiz. Überflüssige Lebensmittel werden bei Grossverteilern eingesammelt und an Bedürftige verteilt. Dabei entsteht ein Diskurs über den Feudalismus.

Viele Camions der „Schweizer Tafeln“ sammeln und verteilen an jedem Werktag in 11 Regionen der Schweiz Lebensmittel-Spenden für Menschen in Not (www.schweizer-tafeln.ch). Es ist eine erschreckende Fahrt mit vielen Einblicken in die Gesellschaft ganz unten: Bedient werden Wohnheime für Betagte, Ersatzfamilien für Problemkinder, Aufenthaltsräume für Ausgegrenzte, AlkoholikerInnen, Drogensüchtige, Strafentlassene etc. „Das Durchgangszentrum für Asylsuchende nimmt den Rest“, meint ein Fahrer des Lebensmittel-Verteil-Hilfswerkes „Schweizer Tafeln“. Es ist einwandfreie, aber deklassierte Ware (vor dem Ablauf des Verfalldatums) für deklassierte Menschen.

Probleme erkannt
Das aus privater Initiative im Jahr 2000 entstandene Hilfswerk „Schweizer Tafeln“ weist eindrücklich auf das Armutsproblem in unsere Gesellschaft hin: „Neun Prozent der erwerbsfähigen Schweizer Bevölkerung leben unter dem Existenzminimum und mehr als ein Drittel davon gilt als Working poor. Das kann uns nicht unberührt lassen!“. Daniela Rondelli Stromsted, Geschäftsleiterin von „Schweizer Tafeln“ betont, wie sehr das Essen für die Armutsbetroffenen zum Grundproblem geworden ist. Oft wird nur ungesundes Junk-Food verzehrt. Auch fehlt es an Aufklärung über gesundes Essen, nicht nur an qualitativ hochstehenden Lebensmitteln. Über 400 Betriebe spenden überflüssige Lebensmittel, mehr als 500 Organisationen nehmen das Gut kostenlos ab.

Traditionelles Gesellschaftsbild
Die Frauen von erfolgreichen CEOs in der Privatwirtschaft sollen es richten: „Was unsere Männer können, das können wir auch.“ Das ist der Grundsatz der Tafellogen, in den nur Frauen Einsitz haben dürfen. Sie sind das Fundament der Bewegung „Schweizer Tafeln“. Der Begriff Logen hat nichts mit dem Freimaurertum zu tun; Logen heissen sie vielmehr, weil sich ihre Mitglieder wie in der Loge einer Theateraufführung sehen, in denen sie sich an Seite ihres männlichen Partners in privilegierter Position befinden. Zu diesem Gesellschaftsbild gehört auch die Aufteilung der Gesellschaft in Reich und Arm. Grossfirmen und Fellowship-Organisationen gesellen sich zu den Sponsorinnen der „Schweizer Tafeln“. An einem landesweiten Suppentag werden zusätzliche Erlöse für die Wohltätigkeit gesammelt. Eine bürgerliche Politikerin verteilt Suppe für Spenden.

Ein neuer Feudalismus?
Der Diskurs zur Armut sollte auch über Umverteilung von Macht, Privilegien, Reichtum und Besitz geführt werden. Doch ein gegenläufiger Trend zur Aufklärung mit ihrem Gleichheitsgedanken hat sich durchgesetzt. Ueli Mäder, Professor für Soziologie der Uni Basel hält fest: „Die extreme Konzentration des Reichtums führt von mittleren, zum Teil auch unteren Einkommen zu den oberen hin. Diese Feudalisierung beobachtet man weltweit, auch in der Schweiz.“ Die Privilegierten von einst, Adel und Klerus im Feudalismus, gönnten damals den Bedürftigen milde Gaben. Sie waren Zeichen der Herablassung und Selbstinszenierung. Das Rückgreifen auf ein solches Verhaltens mag ein Indiz für die Zunahme der Polarisierung in unserer Gesellschaft sein. Aktionen der „Schweizer Tafeln“ erfolgen zwar mit viel Respekt. Vergessen wir jedoch nicht: Das ist bereits Anstand und besser als die niederträchtige Verunglimpfung von Armutsbetroffenen durch RechtspopulistInnen.

Quelle:
Mediendienst Hälfte
www.haelfte.ch
25. Mai 2009
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