Brüssel profitiert von den Regierungskrisen in Berlin und Paris
Die politischen Krisen in Frankreich und Deutschland schaffen ein grosses Machtvakuum in Europa, das von der supranationalen EU-Regierung, der Europäischen Kommission, ausgenutzt wird.
In der Nachkriegszeit ruhte die europäische Politik auf der deutsch-französischen Achse, erst als Motor der Stabilität und schliesslich als Rückgrat des EU-Systems.
Alle wichtigen Entscheidungen in der EU wurden von beiden gemeinsam getragen, auch wenn die eine oder andere Seite Kompromisse akzeptieren musste.
Mit dem Sturz der Ampelregierung und der kommenden Bundestagswahl droht Deutschland eine lange Phase der Lähmung. Selbst wenn die Wahl wie geplant im Februar stattfindet und eine parlamentarische Mehrheit möglich wird, sollte man nicht vergessen, wie hier Regierungen gebildet werden:
Die Partner handeln einen Regierungsvertrag aus, was sehr lange dauern kann. Für die letzte Merkel-Regierung haben SPD und CDU/CSU dafür sechs Monate gebraucht.
In Frankreich herrscht nach dem Sturz der Regierung Barnier politische Unsicherheit. Versuche, eine weitere Minderheitsregierung zu bilden, werden wahrscheinlich scheitern, und am Ende könnte die Präsidentschaft von Emmanuel Macron auf dem Spiel stehen.
Der Vorsitzende von Solidarité et Progrès, Jacques Cheminade, gab dazu am 4.12. eine Erklärung heraus, nachdem das Linksbündnis und die rechte RN gemeinsam gegen das Kabinett Barnier gestimmt hatten.
Cheminade verurteilt darin die Regierung und die Konservativen, sie hätten die Verwaltung der Staatschulden den „finanziellen Feudalherren“ überlassen - ein Begriff, der vom Nationalrat des Widerstands am Ende des Zweiten Weltkriegs verwendet wurde und die Präambel der französischen Verfassung inspirierte.
Cheminade fordert die Schaffung eines „echten Volksblocks, der sich mit den wahren Problemen befasst... Schluss mit den Narrativen der Medien, die die Aufrüstung vorantreiben, die Finanzoligarchie unterstützen und den Krieg fördern.“
Die EU-Kommission herrscht nun in dem Machtvakuum, das durch die Krisen in Frankreich und Deutschland entstanden ist. Ohne Rücksprache mit den wichtigsten europäischen Hauptstädten flog Ursula von der Leyen am 5.12. nach Montevideo, um das Freihandels- abkommen der EU mit Mercosur zu unterzeichnen.
Es beseitigt 90% der Zölle auf Produkte aus Südamerika und wird von den Bauern in Europa als Bedrohung ange- sehen. Während die deutsche Regierung das Abkommen trotz Protesten von Landwirten unterstützte, waren Frankreich, Italien und andere dagegen.
Das Abkommen muss nun vom Europäischen Parlament und dann vom Rat ratifiziert werden, aber genau hier bräuchte man eine Einigung zwischen Paris und Berlin. Der Streit zwischen ihnen betrifft auch die Zölle auf chinesische E-Autos, die Frankreich befürwortete, aber Deutschland ablehnte, sowie den Krieg in der Ukraine, in dem Frankreich Kiew erlaubt hat, mit seinen Waffen russisches Territorium anzugreifen, Deutschland jedoch die Lieferung von Taurus- Marschflugkörpern blockiert.
Der Text stammt mit Zustimmung des Verlags aus dem (kostenpflichtigen) Newsletter des Schiller-Instituts.
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