Burka, nein. Maske, ja?

Maskierung: Bei den einen verboten, bei den andern erzwungen. Demaskierung eines absoluten Weltbildes mit patriarchalischen Wurzeln. Kolumne.

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Was stört uns so stark an ein paar wenigen Burkas? Wo bleibt der Aufschrei bei den vielen Masken?

Zwang ist grundsätzlich problematisch: Verbieten wir die Burka, verbieten wir Kultur, die wir aus unserer Sicht nicht verstehen. Zwingen wir Masken auf, so nötigen wir viele Menschen zu einem Verhalten, das sie nicht nachvollziehen können, weil sie einer Krankheit anders begegnen würden. In beiden Fällen werden Menschen uniformiert, die Individualität verschwindet und mit ihr oft auch das kritische Denken.

Doch Verbote sind oft der falsche Ansatz. Stattdessen sollten wir Menschen darüber aufklären, was eine Verhaltensweise oder ein Kleidungsstück bewirken. So könnten Burka-tragende Frauen erfahren, dass ihre Uniformierung auf uns wie eine Art Unsichtbarmachung und Ausradierung ihrer Persönlichkeit sowie als schützender Panzer wirken kann. Vor allem aber sollten wir die Diskussion anstossen, warum sich Frauen verbergen müssen, damit sie vor Übergriffen einiger Männer geschützt sind. Man sperrt die Opfer etwa in eine vorgeschriebene Kleidung ein und lässt die Täter frei laufen.

Auf die Maske bezogen, könnten wir darauf hinweisen, dass Masken Gesichter zum Verschwinden bringen und die verstümmelte Mimik auf einige Menschen verunsichernd und verstörend wirkt. Speziell Kinder, denen ein wichtiges Lernfeld vorenthalten wird, leiden oft darunter. Ebenso bei der Maske erleben es einige als Schutz und andere als Gefangenschaft. Und auch hier wird ein Täter (Virus) bekämpft, indem potentielle Opfer eingesperrt werden. Da man den Täter (Virus) in diesem Fall nicht einsperren kann, wäre eine konstruktive Strategie, die Menschen so zu kräftigen, dass ihr Immunsystem selbst mit dem Täter klarkommen würde. Menschen, die geschwächt sind, kann man sinnvollerweise gezielt schützen, sofern sie es möchten.

Im Grunde ist der Schrei nach Verbot und Zwang nichts Anderes als ein Relikt des Patriarchats, das auf Zwangs-Herrschaft setzt und bei dem Unerwünschtes verborgen und ausradiert wird. Was nicht sein darf, muss man wegKRIEGEN. Dass die Verheissungen oft nicht zutreffen, fällt vielen gar nicht auf. Denn genauso wenig wie die Burka einen Terroristen ausmacht, genauso wenig generiert die Maske einen Bankräuber. Letzteres behauptet niemand, ersteres jedoch schon.

Unerwünschtes wird gewaltvoll entfernt und damit die Illusion genährt, dass das Problem damit behoben sei. Wenn man Symptome bekämpft, ist vordergründig zwar ein Leiden besiegt, die Krankheit jedoch noch lange nicht überwunden. Doch ist es oft dieses absolute, patriarchale Weltbild, das gerade durch seine vermeintlichen Lösungen neue Probleme generiert: Man kann Feinde zwar durch Kriege bekämpfen, oft sogar besiegen, doch wird in Kauf genommen, dass Hass unter der Oberfläche weiterbrodelt, bereit jederzeit auszubrechen. Und man kann ein Kleidungsstück zwar verbieten, den Frauen vorschreiben, dass sie sich nicht verhüllen dürfen, – paradoxerweise sollen sie sich aber auch nicht allzu aufreizend enthüllen –, alles zum vermeintlichen Schutz vor sexuellen Übergriffen. Doch an der Haltung gewisser Männer, die Frauen mit einem Selbstbedienungsladen minderer Klasse verwechseln, ändert das jedoch nichts.

Besser als Zwänge, egal welcher Richtung, ist Aufklärung und Unterstützung mündiger Menschen in ihren selbstbestimmten Entscheidungen. Dazu braucht es einen sachlichen und respektvollen Diskurs auf gleicher Augenhöhe, bei dem gleichwertige Erwachsene gemeinsam und ergebnisoffen nach bestmöglichen, differenzierten Lösungen suchen. Dabei  sollte man hellhörig sein auf patriarchale Machstrukturen und diesen mit der Integration von  männlichen und weiblichen Werten begegnen.

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Mirjam Rigamonti Largey aus Rapperswil in St. Gallen ist Psychotherapeutin, hat Psychologie, Religions-Ethnologie und Ethnomedizin studiert, arbeitet als Kunstschaffende, freie Schriftstellerin und als Friedensaktivistin.

https://www.zeit-wende.net/

 

Kommentare

Burka ja, Maske nein ... ?

von Norbgal
"Wenn man Symptome bekämpft ..." Nun, was ist aber die Ursache für dieses Bedürfnis, anderen vorschreiben zu müssen, was sie zu tun und was sie zu lassen haben? Solch totalitäre Haltung steckt in denen, die Kleidungsstücke vorschreiben genauso wie in denen, die sie verbieten. Wir (über alle Kulturkreise gedacht) schaffen Regeln als Machtinstrumente. Mit freiem Denken, offener Gesellschaft, meinetwegen Toleranz oder selbständigem Denken und Handeln hat das nichts zu tun. Ist es doch jedem selbst überlassen, ob er mit einem menschlichen Sack mit Augenschlitz kommunizieren will oder nicht. Bringt der Sack Geld (siehe Interlaken) sieht das wahrscheinlich anders aus als wenn einer nach dem Weg fragt. Mag man's oder mag man's nicht, das bleibt einem jeden selbst überlassen. Aber deswegen, den Frauen vorzuschreiben, nur noch kurze Röcke zu tragen? Oder solche zu verbieten? Wo kämen wir da hin??? Männer müssen Kaffeefilter auf dem Kopf tragen oder dürfen eben nicht? Wenn ich mit Motorradhelm auf dem Kopf zur Kasse der Tankstelle gehe, sagt mir die Person an der Kasse, ich solle meinen Helm und Sturmhaube doch bitte das nächste Mal abnehmen oder am Nachtschalter zahlen ... sie hätten schlechte Erfahrungen gemacht. Kann ich verstehen. Ich habe die Wahl. Aber wie ist das nun bei der Maske ... FFP2 erinnert mich eben an solche Kaffeefilter im Gesicht. Sinnvoll, sinnlos? Regeln werden allzu leicht zum Ersatz für selbständiges Denken. Tragt die Dinge oder lasst es bleiben! Ist nicht so einfach? Stimmt! Woher aber kommt dieses Bedürfnis nach Regeln? Wenn ich mich nicht aus dem Haus traue wegen Todesschnupfen, warum müssen dann auch die anderen daheim bleiben. Wenn ich keine Burka oder Miniröcke oder Kaffeefilter trage, warum dürfen es dann die anderen auch nicht? Wo bleiben Selbstverständnis, Selbstvertrauen und Individualität? Ist es das Bewusstsein unserer Mickrigkeit, die Angst vor Selbsterkenntnis, die unsere Aufmerksamkeit mehr auf andere lenkt als auf uns selbst, unsere Mitmenschen zu Objekten unserer vermeintlichen Selbstoptimierung macht? Mit diesem unsäglichen Bedürfnis nach Gehorsam, Regeln und Dominanz schaffen wir das eigenständige Denken ab, bevor wir es dann schliesslich ganz ans Smartphone abgeben. Dabei sind es nicht die Maschinen, die uns immer ähnlicher werden, sondern es sind wir, die Menschen, die uns immer mehr Algorithmen schaffen und den Maschinen zunehmend ähneln.