Charles Eisenstein über seine Rolle im Wahlkampfteam von Robert F. Kennedy Jr.
«Ich möchte euch gerne erzählen, warum ich während des letzten Monats nicht so viele Beiträge veröffentlicht habe und was das für die Zukunft bedeutet.»
Alles begann mit einem «zufälligen» Zusammentreffen vor einigen Monaten. Als Mitstreiter im Corona-Widerstand und im Umweltschutz kannte Robert F. Kennedy Jr. meine Arbeit schon vorher ein wenig, was aber mit unserem Zusammentreffen in diesem Fall wenig zu tun hatte. Eine meiner Leserinnen hatte bei einer Fundraising-Verlosung «einen Tag der Falknerei mit Robert F. Kennedy Jr.» gewonnen. Sie durfte einen Gast mitbringen, also lud sie mich ein.
Die Falknerei interessiert mich eigentlich weniger, aber da ich Kennedy schon immer bewundert hatte, nahm ich die Einladung an. Es waren viele Leute da, mit mir und meinem Sohn Cary waren wir mindestens 15. Beim Mittagessen liess sich einer von ihnen lang und breit über irgendein Thema aus. Ich hörte nur zu. Aber dann wendete Herr Kennedy sich mir zu und sagte: «Charles, was denkst du?»
Die Meta-Erzählung, dass die schrecklichen Personen auf der Gegenseite das Problem sind, ist an sich das wahre Problem.
Und so begann unsere Beziehung. Bald standen wir in regem Austausch miteinander. Auf einem Prelaunch-Meeting, an dem ich zusammen mit ihm und anderen ihm nahestehenden Beratern teilnahm, stellte ich meine Ideen zu den Themen Strategie und Botschaft vor. Ihre Offenheit berührte mich zutiefst. Ich hätte nie gedacht, dass mein Denken bei einer grösseren politischen Wahlkampagne auf Resonanz stossen würde, zumindest nicht zu meinen Lebzeiten.
Ein Bereich, in dem wir besonders in Resonanz gingen, war das Thema der Versöhnung, der Einigkeit und der Heilung der gesellschaftlichen Spaltung. Wie ich schon viele Male gesagt habe, sind Polarisierung und Spaltung Schlüsselfaktoren unserer derzeitigen Krise.
Wenn wir zusammenhalten, können wir jede Herausforderung meistern. Ohne Zusammenhalt sind jedoch selbst die kleinsten Veränderungen unmöglich umzusetzen. Die Meta-Erzählung, dass die schrecklichen Personen auf der Gegenseite das Problem sind, ist an sich das wahre Problem.
Was wir heute brauchen, ist nicht ein Anführer, der sich auf eine Seite schlägt, um die andere zu bekämpfen, sondern einer, der in der Lage ist, hinter der Spaltung das Potenzial für die Einheit zu sehen. Wir brauchen jemanden, der es schafft, gemeinsame moralische Werte und universelle menschliche Bestrebungen aufzugreifen.
Ich stimme nicht unbedingt in allen Themen mit Herrn Kennedy überein. Eine Sache, die ich an ihm bewundere, ist, dass er sich nicht mit Schmeichlern und Jasagern umgibt. Er kann gut mit Kritik umgehen und macht keinen Hehl daraus, was er weiss und was er nicht weiss. Obwohl er ein Mann mit starken Überzeugungen ist, gibt er zu, wenn er sich irrt, und ist bereit, seine Meinung zu ändern. Wer mit ihm spricht, kann sicher sein, gehört zu werden.
Eine seltsame Vorahnung sagt mir, dass er siegen wird.
In den vergangenen 20 Jahren habe ich vorwiegend in der Gegenkultur gearbeitet, um, so gut ich konnte, zur Transformation jener Mythen beizutragen, die unsere Gesellschaft definieren: die Geschichte der Getrenntheit, das Paradigma des „Fortschritts durch Kontrolle“, „die Natur als das Andere“ und so weiter.
Ich habe schon oft gesagt, dass Veränderung von innen heraus beginnt. Der ideologische Kern höhlt sich aus, während die äussere Struktur intakt bleibt – so wie ein von Termiten befallenes Haus, das, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, bei der kleinsten Berührung zusammenbricht.
So viele von uns haben tief im Inneren an der Veränderung grundlegender Wahrnehmungs- und Beziehungsmuster gearbeitet und tiefgreifende Heilungsprozesse angestossen. Vielleicht ist nun auch die äussere Struktur bereit sich zu verändern. Jedoch nicht um zusammenzubrechen, sondern um sich in ihrem Krisenmoment verändert.
Ungefähr um das Jahr 2016 herum begann ich, meiner Arbeit überdrüssig zu werden. Ich war an eine Art gläserne Decke gestossen. Ich verlor die Lust am Schreiben und Reden. Es fühlte sich plötzlich an wie eine Pflicht. Ich entwickelte eine Aversion gegen öffentliche Aufmerksamkeit und Ruhm.
Es gab alle möglichen Gründe, warum ich weitermachen musste, und tatsächlich habe ich in dieser Zeit einige meiner besten Arbeiten produziert. Doch auch in mir höhlte sich etwas aus. Während der Coronazeit brachte ich noch einmal meine letzten Kräfte auf, um meinen Beitrag zur Bewältigung dessen zu leisten, was mir wie eine Welle des Totalitarismus und des Wahnsinns schien.
Als dann alles zu Ende ging, war ich irgendwie fertig. Fertig mit dieser Phase meines Lebens. Wie ich meinen Freunden immer wieder sagte, fühlte ich damals den Drang, einen völlig neuen Weg einzuschlagen. Vielleicht einen Roman schreiben? Oder ein Theaterstück?
Ich konnte mich innerlich für nichts mehr begeistern. Sollte ich vielleicht aus allem aussteigen und zum Einsiedler werden? Nein, ich konnte es in allen meinen Zellen fühlen: Ein neues Kapitel würde sich für mich öffnen. Die Jahre vergingen und dieses Gefühl wurde schwächer und verkümmerte schliesslich zu einer verzweifelten Hoffnung.
Vielleicht würde das, worauf ich die ganze Zeit wartete, niemals eintreffen. Oder das Problem lag in mir selbst, in einer Art innerer Blockade oder Selbstsabotage. «Setze mich für etwas Sinnvolles ein!», lautete mein Mantra in jenen Jahren. Ich sagte es zu einflussreichen Menschen. Ich sagte es zu Heilpflanzen. Ich sagte es zu Gott. Bitte, bitte, setze mich für etwas Sinnvolles ein.
Es war nicht Märtyrertum, was aus mir sprach. Ich glaube, dass wir in unserem Dasein dazu bestimmt sind, zwei grundlegende Aufgaben zu erfüllen. Die erste ist, das Wunder der Schöpfung mit ehrfürchtigem Staunen zu betrachten und uns ihren Freuden und Genüssen vollends hinzugeben.
Die zweite Aufgabe besteht darin, diese Fülle weiterzugeben, die Dankbarkeit in den Dienst am Leben und an der Schönheit auf der Erde zu verwandeln. Diese beiden Aufgaben – Geben und Nehmen – sind gleichwertig. Auf dieser Grundlage basiert meine Weltanschauung, wie sie in meinem 2011 erschienenen Buch «Ökonomie der Verbundenheit» am deutlichsten abgebildet ist. Auch Gesundheit und Glück basieren auf diesem Prinzip. Wer seiner Bestimmung folgt, öffnet den Kanal, durch den die Lebenskraft unseren gesamten Seelenköper durchdringt.
Du kannst dir also vorstellen, wie froh ich über diese unerwartete Gelegenheit war, meine Philosophie auf eine neue, praktische Weise anzuwenden. Ich bin jeden Tag aufs Neue dankbar dafür, dass sie nun ihren Platz gefunden hat. Ich bin dankbar, dass der Impuls der «schöneren Welt, die unser Herz kennt» einen neuen Weg gefunden hat sich zu manifestieren.
Was bedeutet das nun für meine Substack-Seite? Ich habe mit dem Gedanken gespielt eine Pause einzulegen, doch dann entschieden weiterzuschreiben. Warum? Weil der Wahlsieg nicht das Endziel ist. Letztendlich dient die Wahlkampagne derselben Sache, der auch mein Schreiben dienen soll. Ich nenne es manchmal «das Zeitalter der Wiedervereinigung». Könnte es sein, dass der Wendepunkt nahe ist?
Ich werde weiterschreiben, möglicherweise jedoch seltener als bisher. Die Welt, in die ich eingetreten bin, bietet mir eine Menge neuer Erkenntnisse über Politik, Strategie und politische Philosophie. Selbstverständlich werde ich nicht über die Arbeitsweise innerhalb der Kampagne sprechen, und meine Texte werden auch nicht Herrn Kennedys Ansichten darstellen. Doch – egal was ich auch schreibe – du wirst wissen, dass es Ideen und Strömungen sind, in deren Feld er sich bewegt. Dieser Blog wird die Gedanken eines Philosophen erfassen, der in die Welt der Politik eingedrungen ist (wenn auch – glücklicherweise – nicht als Politiker).
Und noch etwas: Auch wenn ich gesagt habe, die Wahl zu gewinnen sei nicht das oberste Ziel, bin ich zuversichtlich, dass RFK Jr. siegen wird. Ja, ich bin mir darüber im Klaren, was alles dagegensteht: die Verleumdungen in den Medien, die Zensur, die Machenschaften des Tiefen Staates.
Aber eine seltsame Vorahnung sagt mir, dass er siegen wird. Wenn die Leute Herrn Kennedy wirklich zuhören und seine Intelligenz, seinen Humor, seine Liebenswürdigkeit und seine Authentizität wahrnehmen, werden die Lügen über seinen Charakter einfach nicht hängen bleiben.
Die bisherigen Reaktionen aus dem gesamten politischen Spektrum waren unglaublich. Amerika ist bereit für ein historisches Aufbegehren des Volkes. Und das Motto ist nicht: «RFK gegen das Establishment». In der Verwaltung, auf den Chefetagen und auf den Fluren der Macht gibt es viele, die, wie ich, den Wunsch verspüren, sich aus den starren Strukturen der Institutionen, der festgefahrenen Gewohnheiten und Verhaltensmuster, in denen sie so lange gefangen waren, zu befreien. Auch in ihrem Inneren hat sich etwas ausgehöhlt.
Was meinen Optimismus am allermeisten beflügelt, sind meine Erfahrungen mit dem Kernteam und dem Kandidaten selbst. Nie zuvor habe ich so talentierte, intelligente und dabei doch so selbstlose Menschen kennengelernt. Ich habe weder Machtkämpfe noch Büropolitik beobachten können. Alle sind bereit, ihr Ego im Dienst an der gemeinsamen Sache zurückzustellen.
Das lässt ein Licht herein, in dem meine eigenen Schattenseiten zum Vorschein kommen – wie ein leichter Anflug von Territorialität und der Wunsch nach Zustimmung und Anerkennung. Für mich ist dies ein spiritueller Lernprozess. Auch darüber werde ich wohl in kommenden Texten mehr erzählen.
Wenn du meine Aufregung und meine Hoffnung irgendwie teilst, dann spende doch bitte an die Wahlkampagne. Wirf einen Blick auf die Videos, die du auf der Webseite der Kampagne findest. In ein paar Tagen werde ich ein Gesprächteilen, das ich letzte Woche mit Bobby geführt und aufgezeichnet habe.
Ich möchte allen meinen Lesern und Leserinnen herzlich danken. Ich hoffe, dass ihr mich auf der nächsten Etappe meiner Reise begleiten werdet.
Übersetzt von Janet Klünder, korrekturgelesen von Ingrid Suprayan und Christoph Peterseil. Die englische Originalfassung ist hier zu finden.
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