Darf man über alles lachen? – Ja, aber nicht in allen Situationen.

Auch beim Humor gilt es, gewisse Regeln des Respekts und der Rücksicht einzuhalten.

(Foto: Nicole Borie / pixabay.com)

Wann mussten Sie zuletzt lachen? Haben Sie sich dabei gefragt, ob das Lachen in diesem Moment angebracht gewesen ist?

Wer diese Fragen für sinnvoll hält, steckt schon mitten drin in einer philosophischen Reflexion über das Lachen. Die erste Frage setzt voraus, dass man manchmal lachen «muss», sich also nicht dafür oder dagegen entscheiden kann. Es mag möglich sein, das Lachen zu unterdrücken oder verstecken, so wie einen Hustenreiz, aber darüber verfügen kann man nicht.

Wer einem Lachreiz unterworfen ist, erlebt es als entlastend und befreiend, ihm nachzugeben. Nicht immer ist das Nachgeben aber angebracht. Es gehört zu Anstand und Intelligenz, sich in gewissen Momenten nicht einem spontanen Lachen hinzugeben: Lachen kann stören (in einer Bibliothek). Lachen kann verletzen (vor einem betroffenen Menschen). Lachen kann verwirren (während einer ernsten Rede). Sie kennen sicher noch weitere Beispiele, in denen Sie das Lachen moralisch negativ bewerten würden.

Dass es gewisse Situationen gibt, in denen ganz auf das (äusserlich wahrnehmbare) Lachen verzichtet werden soll, scheint einigermassen Konsens zu finden unter zivilisierten Menschen. Gewisse griesgrämige Langweiler behaupten nun, unser menschliches Leben auf Erden bestünde nur aus solchen Situationen, Lachen sei also nie angebracht. Dazu gibt es zahlreiche Beispiele aus der Literatur- und Philosophiegeschichte; unter anderen scheint Platon eine solche Position vertreten zu haben.

Sein Schüler Aristoteles hingegen hielt Menschen, die über keinen Witz lachen können, für sture Holzköpfe. Er verurteilte aber auch die Effekthascherei und das ständige Witzereissen. Mich dünkt diese moderate aristotelische Position um einiges vernünftiger als die pauschale Verurteilung von Lachen aufgrund übersteigerter ethischer Prinzipien.

Solche übersteigerten Prinzipien – oder «verhärteten Dogmen» – können zum Beispiel sein: «Solange es irgendwo Leid gibt auf der Welt, kann ich keine (Lach-)Lust empfinden.» Oder: «Weil Witze Klischees bedienen, würde ich beim Lachen diese Klischees befördern.» Oder auch: «Es gibt Leute (zum Beispiel religiöse Fundamentalisten), die gewisse Dinge (zum Beispiel Witze über den Propheten Mohammed) beleidigend finden; aus Respekt vor ihnen darf man darüber keine Witze machen.»

Eine Rücksichtnahme auf andere (benachteiligte) Individuen oder Gruppen halte ich nicht per se für schlecht, manchmal ist sie moralisch gefordert. Es wohnt dem Lachen ja stets eine Ambivalenz zwischen Wertschätzen und Verachten inne.

Aufbauender Humor und schädigender Zynismus sind nicht immer klar abgegrenzt. Aber sobald aus einem sinnvollen Respekt ein radikaler Verzicht oder gar eine politische Regulierung abgeleitet wird, sind grundlegende Menschenrechte in Gefahr: Jene der Meinungs- und Informationsfreiheit gemäss Art. 16 der Bundesverfassung oder Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Lachen ist schliesslich nichts anderes als eine besondere, nonverbale Form der Meinungsäusserung. Dass diese Äusserungsfreiheit nicht absolut gilt, steht auch aus liberaler Sicht nicht zur Diskussion: Verleumdungskampagnen oder Gewaltaufrufe unter dem Deckmantel des Humors gehören selbstverständlich bestraft. Nur ist die Erzählung oder Publikation von Somalier-, Juden- oder Schwulenwitzen noch keine Verleumdung. Erst die böswillige Verbreitung oder Anwendung ist moralisch verwerflich. Somalierwitze vor hungernden Kriegsflüchtlingen oder Schwulenwitze vor militanten Homosexuellenhassern vorzutragen wäre mehr als dumm. Über solche Witze aber gar nicht zu lachen, wenn man sie in einem passenden Kontext erzählt oder hört, ist ebenso unterbelichtet. Zumal die besten Klischee-Witze häufig aus der betreffenden Community selber kommen.

Für ethisch unbedenkliche Lacherlebnisse seien nun zum Abschluss noch folgende Bücher empfohlen: