Das BlackRock Tribunal
Die Machenschaften des milliardenschweren US-Investmentunternehmens wurden von einer Reihe kritischer Wissenschaftler in einer «Gerichtsverhandlung» genauestens unter die Lupe genommen. Auf der Anklagebank: BlackRock, das Urteil der Jury: sofortige Auflösung des Giganten.
Im vergangenen Jahr wollte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ganz genau wissen, wem eigentlich die Schweizer Börsenkonzerne gehören. Die Analyse fiel erschreckend aus. «BlackRock ist mit Abstand der grösste Aktionär aufgrund der ungewichteten Anteile», lautete das Fazit. Der US-amerikanische Investmentkoloss war – zum Stichtag Anfang Februar 2019 – in 38 der 46 Unternehmen aus dem Börsenindex SMI investiert.
«Damit besass BlackRock Beteiligungen über der 3-Prozent-Meldeschwelle bei mehr als 80 Prozent der grössten kotierten Unternehmungen im Lande. Dahinter folgt mit weitem Abstand die UBS als Fondsmanagerin. Sie kommt bloss auf 22 Prozent», fasste die Handelszeitung die Situation zusammen und führte fort, «Vermögensverwalter BlackRock um Chef Larry Fink ist eine ernst zu nehmende Investmentmacht aus Sicht der Schweizer Börsenkonzerne. Nicht zuletzt, weil die Amerikaner gekommen sind, um zu bleiben».
Das verheisst nichts Gutes.
«Wer von BlackRock redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen.»
Auch in Deutschland avancierte BlackRock im Laufe der vergangenen Jahre zu einem der mächtigsten Investoren. Vor allem der zunehmende Einfluss des US-Unternehmens auf den Wohnungsmarkt rief immer mehr Kritiker aus Kreisen der Zivilgesellschaft auf den Plan. Deren Engagement führte schliesslich zum ersten «BlackRock-Tribunal», das am vergangenen Wochenende in Berlin stattfand.
Bereits seit Langem hatte sich ein Wissenschaftlerteam um den emeritierten Politologieprofessor Peter Grottian darauf vorbereitet, mehrere Male musste der Termin wegen der Corona-Restriktionen verschoben werden.
Als die Vorsitzenden, Referenten und Zuschauer sich schliesslich am 27. September auf dem Campus der Freien Universität Berlin treffen konnten, wurde zu Beginn der Verhandlung die Anklage verlesen. Die Kernpunkte waren unter anderem:
Die Generalanklage lautet:
«Die Schattenbank BlackRock baut zielstrebig eine unkontrollierte private Macht im Bereich der Unternehmen, Banken, Finanzdienstleister sowie nationaler wie internationaler Finanzinstitutionen auf und weitet diese Macht ständig weiter aus.»
Zerstörung der wirtschaftlichen und politischen Demokratie, Preistreiberei bei Mieten und Mietnebenkosten, Zerstörung der Gewerkschaften und die Durchsetzung von Niedriglöhnen, Förderung von Aufrüstung, Kriegsgefahr und Kriegen, Beihilfe zur Verletzung des Völkerrechts und Zerstörung der Umwelt.
Experten wurden befragt, Sachverständige kamen zu Wort und Ankläger trugen ihre Belange vor. Als Vertreter der Angeklagten war unter anderen der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende für BlackRock Deutschland, Friedrich Merz, geladen. Ihm sollte die Möglichkeit gegeben werden, für das Unternehmen zu plädieren. Der Vermögensmillionär hatte erst vor einigen Monaten seinen Hut in den Ring geworfen, als es um die parteiinternen Bewerbungen der CDU-Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl im nächsten Jahr ging. Der Ladung des «Gerichts» kam er leider nicht nach.
Eindeutig fiel das Urteil des Tribunals am Ende des zweiten Verhandlungstages aus: «Das Unternehmen BlackRock mit dem juristischen Sitz in der Finanzoase Wilmington/Delaware USA und dem operativen Hauptsitz in New York/USA wird aufgelöst. Das betrifft auch alle Tochtergesellschaften in den USA und im Ausland. (…) Die volkswirtschaftlich nützlichen Teile werden in öffentliche Verwaltung überführt und demokratisch umgestaltet. Das verwertbare sonstige Eigentum geht in das Eigentum der jeweiligen Staaten, staatlichen Untergliederungen und Kommunen über.»
In seiner Bilanz des Wochenendes hebt der Autor Peter Nowak in Telepolis eines der Probleme des Tribunals hervor. «Es wurde zu wenig vom Kapitalismus geredet, in dem Konzerne wie BlackRock und Co. agieren können. Doch wer von BlackRock redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen.»
Auffällig war nicht nur für Nowak, «dass ein Grossteil der Teilnehmer des Tribunals zur älteren Generation gehörte. Jüngere Leute waren in der Minderheit. Peter Grottian lobte die ‹herrliche Altersradikalität›. Ein Mitglied der Frauenpartei korrigiert ihn mit Verweis auf die Radikalität der alten Damen.» Das will man in Zukunft ändern und mehr junge Menschen für diese Art des Widerstandes begeistern.
Als nächstes werden nun weitere Schritte überlegt. Es geht darum, BlackRock und Co. real und nicht nur auf dem Papier Grenzen zu setzen. Neben der Stiftung Ethecon, die vor allem Gruppen aus dem Globalen Süden unter dem Motto «BlackRock stoppen» unterstützt, sind weitere Aktionen geplant. So soll das «Urteil» u. a. in künftigen Protestaktionen genutzt werden, um das Investmentunternehmen an den Pranger zu stellen.
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