«Das grosse Vorverzeihen»
Aufbruch ins Licht: Ein Advents- und Weihnachtsbuch mit viel Seelennahrung
Marion Küstenmacher gehört inzwischen zu den meistgelesenen spirituellen Autorinnen im deutschsprachigen Raum. Sie deckt z.B. zwischen ihrem theologischen Grundlagenwerk Integrales Christentum und dem sehr persönlichen Mein fliegender Teppich des Geistes, Wie sich aus Kindheitserfahrungen eine lebendige Spiritualität weben lässt ein breites Spektrum ab. Aus ihrem riesigen Fundus ist auch ihr neues Buch Aufbruch ins Licht geschöpft, das soeben im Hinblick auf die Advents- und Weihnachtszeit erschienen ist.
Das Buch ist eine Art Adventskalender, der jedoch den Weihnachtsbogen bis zu Epiphanias – den Dreikönigstag am 6. Januar – spannt. Zu jedem Tag finden sich in diesem Kleinod Gedanken von ihr, zum Tag passende Zitate aus Poesie und Mystik, und je einem Impuls mit der Überschrift «Kleiner Moment Seelenzeit».
Im Vorwort schreibt sie dazu:
Wie sorgt man dafür, im Trubel der Advents- und Weihnachtszeit die eigene Seele nicht zu vergessen und die Verbindung zur innersten Mitte nicht zu verlieren? Dafür ist dieses Buch da.
Ihr ist erneut ein Juwel gelungen, das in unseren dunklen Zeiten besonders schön leuchtet.
Leseprobe
Das grosse Vorverzeihen
Die Weihnachtsgeschichte beginnt in dem Moment, als Maria die Botschaft des Engels empfängt und zu ihm sagt: «Wenn ich schwanger werde, wie du sagst, diene ich dem Herrn alles Lebendigen, dem Leben selbst. Es soll in mir und durch mich geschehen, was du gesagt hast.»
Ein einziges grosses «Ja» zum Leben, eine Zustimmung, die voll ins Risiko geht. Die sich auf einen Gott einlässt, der von sich sagt: «Siehe, ich mache alles neu!» (Offb 21,5)
Das klingt nicht gerade nach einer sicheren Sache. Denn wer weiss schon, was es für Folgen haben wird, sich auf dieses vollkommen Neue und sein geheimnisvolles Werden einzulassen? In mir, in anderen, mit allen unabsehbaren Konsequenzen für mein, für unser Leben?
Maria, die Lauschende, hat dieses engelsgleiche «Ja» in sich gefunden. Viele Frauen kennen dieses Nach-InnenSpüren in den eigenen Körper hinein, die leise Gewissheit schon vor jedem Test: Ich bin schwanger. Und oft gelingt ihnen im gleichen Atemzug schon dieses grosse Ich-stimme-zu!
Männer brauchen ihren eigenen Weg dahin. Sie haben in dieser besonderen Situation kein enges, an das zarte neue Leben geknüpftes Körpergefühl, das ihnen den Weg bahnt. So wie Josef, der erst rational abblockt und zurückweicht, aber dann Zugang zu seiner subtilen Innenwelt findet. Wo er sich auf eigenen Engelsschwingen hineinträumt in sein «Ja» zu dieser neuen Möglichkeit Gottes. In ein Konzept, wie er sein Leben mit Frau und Kind gestalten kann. Wie er auf neue Weise seinem Gott folgt, der alles neu macht. Und so wird er es sein, der das Leben von Mutter und Kind rettet vor Herodes dem Schrecklichen.
Wir sind mehr gerettet, als wir wissen.
Wie auch immer wir zu diesem «Ja» finden, es sollte voll und ganz aus tiefstem Herzen kommen, während wir uns für immer in Eltern verwandeln. Denn dann wird es zum «grossen Vorverzeihen», das uns und das Kind durchs Leben trägt. Diesen wunderbaren Begriff prägte der Philosoph Max Picard, selbst Urenkel eines berühmten Rabbiners: «Ein grosses Vorverzeihen ist über allem Tun des Menschen. Wie viel Schreckliches geht von morgens um 6 Uhr, wenn er aufwacht, bis zum Abend um 10 Uhr, wenn er einschläft, durch die Seele und durch den Geist des Menschen hindurch.»
Picard war aber trotzdem davon überzeugt, dass die allermeisten Menschen nicht imstande sind, alles Schreckliche zu tun, was ihnen möglich wäre. Etwas Grosses und Gutes schützt uns vor uns selbst: «Wir sind mehr gerettet, als wir wissen.»
Marion Küstenmacher, Aufbruch ins Licht. Kösel 2023, 239 S., Fr. 25
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