Kolumne. Der ehemalige Hobbyastrologe Stephan Seiler hätte lieber neun Jahre Yoga oder Pilates in seiner Freizeit gemacht – als ständig in die Sterne zu gucken. Denn voraussagen konnte er lange nichts. Eine satirische, aber wahre Abhandlung über den Sinn der Astrologie.

© Rodion Kutsaev / Unsplash. Königsplanet Fomalhaut

Was hast du für ein Sternzeichen? Ich bin Widder mit Aszendent Skorpion. Uiuiuiuiui, das ist aber eine feurige Mischung, sagt der erfahrene Sternendeuter seinem Gegenüber und fragt gleich weiter: Und was ist dein Partner? Mein Partner ist Waage mit Aszendent Jungfrau. Oh, damit kann er das Feuer gut ausgleichen, aber das ist dann wohl zu langweilig für dich und führt bei dir zu noch mehr Feuer stimmts?, so die Kurzanalyse des psychologischen Fachastrologen.

Kennen Sie solche Unterhaltungen? Nein? Ich schon. Denn rund neun Jahre meines kostbaren Lebens beschäftigte ich mich mit Horoskopie, besuchte auch fachastrologische Seminare, wo alle alles sein können und jede Sternenkonstellation ebenso dies und ebenso das bedeuten könnte. Lieber hätte ich in dieser Zeit regelmässig Yoga oder Pilates gemacht, dann wäre ich jetzt beweglicher. Sogar mit Börsenastrologie habe ich mich auseinandergesetzt – mit Wellen, Zyklen und Perioden – auf hohem akademischem Niveau. Resultat: ein leeres Sparkonto.

Die Astrologie ist ja eigentlich uralt. Bereits in Mesopotamien wurde sie in vorchristlichen Zeiten praktiziert und erfreute sich hoher Beliebtheit. Insbesondere im 15. und 16. Jahrhundert war es regelrecht eine Mode, dass sich weltliche Herrscher, aber auch Päpste und Kardinäle astrologisch beraten liessen und eigene Hof- oder Hausastrologen beschäftigten. Das dies offenbar nicht viel gebracht hat, zeigt die bedenkliche Weltgeschichte.

Wussten Sie, dass US-Präsident Donald Trump nur deshalb nicht wiedergewählt wurde, weil die Königssterne Aldebaran, Regulus, Antares und Fomalhaut keine Moral kennen? So die Analyse eines renommierten astro-un-logischen Fachmagazins: «Man kann es schon fast als ungerecht bezeichnen, dass die Sonne von Donald Trump ein Quadrat zu den Erfolg begünstigenden Sternen Sadalmelek, Regulus und Fomalhaut bildet. Damit hat Trump, der früher Trumpf hiess, wohl einer seiner besten Trümpfe in der Hand», so das exakt berechnete «Horrorskop» der zuständigen Fachastrologin. Dass Trump früher «Trumpf» hiess und trotz der schlechten Gunst der unaussprechlichen Planeten seinen besten Trumpf noch in der Hand hält, ist mir genauso neu, wie Sadalmelek und Fomalhaut. Das ist irgend ein Planet, 25 Lichtjahre von der Sonne entfernt, umgeben von einer Staubscheibe, die mit Haut gar nichts zu tun hat, der sich im Sternbild Piscis Austrinus befindet. Die Trefferquoten solcher «Fachanalysen» tendieren meist gegen null.

Aber nun zurück zu meinen Erfahrungen mit der Sternendeuterei. In jungen Jahren las ich mich in meiner Freizeit schon fast fanatisch in mehr als hundert Bücher über die Deutungslehre der unzähligen Planetenkonstellationen ein. Dies, nachdem mir ein Buch über Astrologie von meiner Mutter in die Hände kam. Nach einigen Jahren glaubte ich, schon richtig gut deuten zu können. Aber immer nur in der Vergangenheit. Vorhersagen konnte ich nie etwas. Aber dazu wäre die Astrologie doch da. Das Auftreten von Ereignisse wie Erdbeben, Wahlresultate und Coronaviren im Voraus erkennen zu können, das müsste doch eigentlich der Zweck der Sternenschau sein. Wenn die Astrologie das könnte, gäbe es wohl auch ein Bundesamt dafür. Die Verteidigungsministerin Viola Amherd hätte das Wahlresultat für die neuen Kampfflieger exakt vorausberechnen lassen – und die Jets mit Frühbucherrabatt bereits im Voraus bestellen können. Aber nein, die Astrologie kann das nicht. Sie kann nur alles im Nachgang erklären. So auch US-Wahlen.

Astrologie ist Zeitverschwendung – ich schäme mich, dies heute sagen zu müssen, war ich doch früher so fasziniert davon. Tatsache ist: Die Astrologie ist ein gutes Beispiel, wie jemand von etwas ergriffen sein kann, dass ihn in keiner Weise weiterbringt. Halt! – doch! – immerhin gelang es mir, mit einem Riesenaufwand, mit Isobaren und astrologisch-geographischen Karten, das Wetter ein Jahr im Voraus zu berechnen. Im Ernst. Die Trefferquote war gegen neunzig Prozent über mehrere Wochen. Das war fantastisch, eine Art Erleuchtung. Aber... niemand interessierte es. Am allerwenigsten die meteorologische Anstalt hierzulande, denn die befürchtete eine Entlassungswelle. Ich habe mich dann doch für Yoga entschieden.

 

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Stephan Seiler ist ehemaliger Hobbyastrologe, heimgekehrter Auswanderer und Lebenserhaltungskünstler, der bisher immer nur seine Vergangenheit voraussagen konnte. Seit ein paar Monaten schreibt er für den Zeitpunkt.