Das ist Wirtschaftskrieg … und der Bundesrat hat es noch nicht gemerkt

Die faktische Aufhebung des Bankgeheimnisses durch die amerikanischen Justizbehörden mag alle ehrlichen Menschen freuen, denen die fragwürdigen Geschäfte der Banken mit den Superreichen schon lange ein Dorn im Auge waren. Aber leider ist nicht das Bankgeheimnis das Ziel der Massnahme, sondern die Schweiz.

Die bisherige Demontage des Bankgeheimnisses, das es ja auch in anderen Ländern und in viel rigoroserer Form gibt, zeigt: Es geht nicht darum, das Problem grundsätzlich zu lösen, sondern selektiv die Nester auszunehmen und zu verwerten. Das internationale Finanzsystem braucht für seine Funktionstüchtigkeit rechtsfreie Räume mit unterschiedlich eingeschränkter Transparenz und Bilanzierungsvorschriften. Die City of London, die Mutter aller Finanzplätze und eine Art Staat im Staat, ist das beste Beispiel dafür. Und es ist vielleicht kein Zufall, dass ausgerechnet der britische Premier Gordon Brown nach dem jüngsten UBS-Entscheid als erster die Forderung erhob, jetzt müsste die Schweiz auch gegenüber der EU das Bankgeheimnis lockern. In seinem Hoheitsgebiet befinden sich neben den Steuerparadiesen Guernsey, Jersey etc. auch die Cayman Island, die grösste Höhle der internationalen Finanzraubritter. Dort hatten Ende 2007 immerhin 89 Prozent der Hedge Fonds ihren Sitz.

Es geht also bei den internationalen Bemühungen um die Aufhebung des Bankgeheimnisses nicht darum, gleiches Recht für alle durchzusetzen. Sonst hätten die US-Behörden Recht anwenden können, anstatt es als Druckmittel für eine Sonderlösung einzusetzen. In einem Monat hätten sie die fraglichen Kundendaten der UBS ja höchstwahrscheinlich erhalten. für das Vorgehen der USA gibt es keinen anderen Begriff: Es ist Erpressung der Schweiz an ihrem schwächsten Punkt, der systemrelevanten und semi-kriminellen UBS.

Der Schweizer Regierung stellt sich damit die Frage, wie mit Erpressung umzugehen ist. Gemäss international üblicher Praxis wird Erpressungsversuchen generell nicht statt gegeben. Wer dies trotzdem tut, macht sich verwundbar für weitere Forderungen – bis zur Aufgabe der Selbstbestimmung. Das ist ja auch am nächsten Tag mit der Ankündigung weiterer Klagen bereits geschehen.

Dem widerrechlichten Druck hat der Bundesrat unter der Führung von Hans-Rudolf Merz nachgegeben und zur Vertuschung seiner Schwäche die Finanzmarktaufsicht vorgeschoben, die der UBS per Notrecht Anweisung erteilt habe, die fraglichen Kundendaten herauszurücken. Finanzminister Merz will von den Details dieser Anweisung nichts gewusst haben, obwohl er den Bundesrat zu einer dringlichen Sitzung in dieser Frage einberufen hatte. Ein unglaublicher Vorgang! Will unser Regierungssystem noch irgendetwas taugen, wird dieser Mann bis Ende des Jahres zurückttreten, und mit ihm noch ein paar weitere.  

Angesichts der Systemrelevanz der UBS und ihrer Verwundbarkeit hätte der Bundesrat viel früher und energischer eingreifen müssen – unmöglich mit einem ehemaligen UBS-Mann an der Spitze des Finanzdepartements. Vollkommen unverständlich ist aber, dass der Bundesrat das Vorgehen der USA nicht als aggressiven Akt beurteilt und behandelt. Gerade weil die UBS systemrelevant ist, hätte er auf dem Rechtsweg bestehen müssen. Dass ihn die USA umgehen und der Bundesrat klein beigibt, sagt viel über die Waffen aus, die in diesem Wirtschaftskrieg eingesetzt werden. Der Vorgang macht auch deutlich, dass unser Rechtssystem bestenfalls noch als Drohkulisse taugt.

Die Gegner des Bankgeheimnisses, zu denen auch ich mich zähle, freuen sich zu früh, wenn nun die Räuberhöhle UBS ausgeräuchert wird. Mit einer Bilanzsumme vom rund Vierfachen des Schweizer Bruttosozialprodukts ist jeder Schweizer Haushalt mit diesem Höhlensystem verbunden. Umso wichtiger ist es, dass bei der Abwicklung einer Bank dieser Grössenordnung Recht angewendet wird. Sonst bezahlen, wie fast immer bei solchen Zusammenbrüchen, die Kleinsparer und Steuerzahler die Zeche.

In der Finanzkrise geht es ja, vereinfacht ausgedrückt, um die Umwandlung der Unmengen wertloser Papieren in die vergleichsweise wenigen echten Werte. Es ist ein Sesseltanz mit hundert Teilnehmern und vielleicht 20 Stühlen. Und da es um enorme Schätze, ja ganze Volksvermögen geht, wird mit harten Bandagen gekämpft. Bis jetzt liess man die Musik mit aus dem Nichts geschöpften Riesensummen weiterspielen und den Teilnehmern wurde mit gelockerten Bilanzierungsvorschriften erlaubt, auf Zeit weiterzumachen. Jetzt ist die Musik gestoppt worden, und die Schweiz fällt zwischen die Stühle.

Geni Hackmann
20. Februar 2009
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