Die Freiheit nehm´ ich dir
Der Autor des obigen Buches, Joachim Walter, promovierter Jurist und Kriminologe, hat ein Lieblingslied. Während seiner langen Zeit als Leiter von Justizvollzugsanstalten, als Dozent und Autor hat er es nie zitiert. Es erschien ihm zu pathetisch.
Foto: Matthew Ansley
Doch wie’s auch kommt, das arge Spiel, Behalt ein tapfers Herze! Foto: Matthew Ansley

Dabei wird jeder, der das Glück hat, Joachim Walter persönlich zu kennen,  merken, dass seine Wahl auf ausgerechnet dieses Volkslied der  turbulenten Rezeptionsgeschichte dieser Melodie aus dem 17. Jahrhunderts  eine unverblümte und aktuelle Sicht hinzufügt.

Da wird nicht nur ein tapferes Herz besungen, sondern auch die  Unverzagtheit, die blanke Wehr,  die Rechtschaffenheit, Gut und Ehre. All diese Wörter lassen sich  selbstverständlich mit der entsprechenden Brille als altmodisch,  militärisch, links, rechts oder religiös lesen.

Wenn ich sie als Joachim Walters Lieblingslied lese, finde ich sie im Sinne  Goethes wieder: edel, angstfrei, souverän, eigenständig.

In der zweiten Strophe geht es um 40 Jahre Berufs-Alltag in der JVA: das  «arge Spiel» um Geld und Betrügereien, Gewalt und List – und um alte  Geigen. Davon hat er auch eine, er kann sie sogar spielen!

In dem im Juli 2025 erschienenen Buch erzählt er in 24 Episoden aus  seinem Berufsleben im deutschen Strafvollzug.  Beobachtungen von Menschen, die sich eben aus der Optik eines  Gefängnisdirektors so ergeben, die sich aber alle durch die Geistesgegenwart und  Beobachtungsgabe des  Autors zu mal inspirierenden, mal tragischen, mal kuriosen oder  berührenden Erzählungen entwickeln.

Sie führen ihn nach einem langen Leben im Staatsdienst dazu, Gefängnisse  als eigentlich altertümliche Einrichtungen in Frage zu stellen und davon  zu träumen diese totalen Einrichtungen langsam aber sicher vollständig  abzuschaffen.

Wer einem mutigen und unabhängigen Geist durch sein spannendes  Berufsleben folgen möchte, dem sei dieses Buch herzlich empfohlen!.

Wer jetzig Zeiten leben will,  
Muß hab’n ein tapfers Herze,
Es sein der argen Feind so viel,
Bereiten ihm groß Schmerze.
Da heißt es stehn ganz unverzagt
In seiner blanken Wehre,
Daß sich der Feind nicht an uns wagt,
Es geht um Gut und Ehre.
Geld nur regiert die ganze Welt,
Dazu verhilft Betrügen;Wer sich sonst noch so redlich hält,
Muß doch bald unterliegen,
Rechtschaffen hin, rechtschaffen her,
Das sind nur alte Geigen:
Betrug, Gewalt und List vielmehr,
Klag du, man wird dir’s zeigen.
Doch wie’s auch kommt, das arge Spiel,
Behalt ein tapfers Herze,
Und sind der Feind auch noch so viel,
Verzage nicht im Schmerze.
Steh gottgetreulich, unverzagt,
In deiner blanken Wehre:
Wenn sich der Feind auch an uns wagt,
Es geht um Gut und Ehre!

Menschen hinter Gittern: Wie leben sie? Wie sieht ihr Alltag aus? Und was genau geschieht im Gefängnis «im Namen des Volkes»? Wollen wir überhaupt wissen, was aus den Menschen wird, nachdem sie als Straftäter verurteilt und weggesperrt worden sind? Und was ist mit den Frauen und Männern, die als Personal in den Anstalten Dienst tun – oft ebenfalls lebenslänglich? 

walterJoachim Walter war u.a. stellvertretender Leiter der Strafvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim und Leiter des Jugendstrafvollzugs in Pforzheim und Adelsheim. Aus seiner jahrzehntelangen Berufserfahrung erzählt er lebendige, aber immer wahre Geschichten über die Menschen im Gefängnis – Gefangene wie Bedienstete – und überlässt es den Leserinnen und Lesern, sich selbst ein Urteil über Sinn und Unsinn des Strafvollzugs zu bilden. Mit Zahlen und Fakten zum deutschen Strafvollzugssystem, die wir alle kennen sollten.

coverJoachim Walter : Die Freiheit nehm´ich dir.
Sinn und Unsinn des Strafvollzugs
Westend Verlag, Neu-Isenburg 2025, 22, 00 € 

Anna-Sophie Brüning

Anna-Sophie Brüning

Anna-Sophie Brüning studierte Geige, Klavier und Dirigieren. Engagements führten sie zu renommierten Orchestern und Opernhäusern im In-und Ausland, von 2003 bis 2009 lebte und arbeitete sie zudem im Auftrag von Daniel Barenboim für den Aufbau diverser Orchester in Palästina und Jordanien.
Ihre künstlerische Arbeit bewegt sich oft aus den Konzertsälen hinaus. Sie schreibt Bühnenstücke und unterrichtet in verschiedenen Kontexten an Hochschulen, Schulen und Gefängnissen, als Referentin des Bronnbacher Stipendiums mit jungen Führungskräften aus der Wirtschaft und als temporäre künstlerische Leiterin in Projekten wie dem „M.O.V.E. Culture without Borders" mit jungen Geflüchteten in Istanbul oder den  „Ghetto Classics" aus den Slums von Nairobi. Sie lebt mit ihrer Familie in Hannover.

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