«Die Kunst der musikalischen Kommunikation»

Wer musiziert, kommuniziert – auch mit der Stille. Ausdruck und Zuhören sind Grundlage jeder Kommunikation. Begegnen wir uns improvisierend, hören wir einander zu, gehen aufeinander ein und treten miteinander in einen musikalischen Dialog. Impressionen aus einem «Music for People» Seminar.

Zeichnung: Linda Grädel

Das Thema des Seminars zog mich von Beginn an in den Bann. Es gab musikalische Aha-Erlebnisse wie auch neue Erkenntnisse über Kommunikationszusammenhänge. Ich zähle «Music for People» zu meiner Wahlgemeinschaft. In ihr kann ich mich frei bewegen, mich mit meinesgleichen treffen und so sein, wie ich bin – ohne Druck und Erwartungen. Für mich als Bläser ist das Brass-Impro-Ensemble mein musikalisches Zuhause! 

Bernhard Maurer moderierte den ersten Abend in Anlehnung an die Form des «Concerto Grosso». In der Mitte des Raums stellte er eine kleines, solistisch beauftragtes Ensemble der übrigen Gruppe gegenüber. Die Kleingruppe entwickelte, von Bernhard Maurer dirigiert, Impulse und Passagen, die dann von der grösseren Gruppe aufgegriffen und gemeinsam interpretiert wurden. Die impulsgebende Gruppe in der Mitte wurde im fliessenden Wechsel stetig umbesetzt. Als Bernhard Maurer zum Schluss mit seinem Cello selbst ins mittlere Ensemble wechselte, übernahm das Gesamtorchester den Dialog – und entwickelte sich zu einem singenden und spielenden Organismus.


 

Musikbeispiel für den Begriff Concerto Grosso: Allan Gravgaaard Madsens 'Concerto Grosso'

Wie verbindet sich musikalischer Austausch mit der Natur? Was geschieht, wenn wir uns vor dem Zusammenspiel in erlebbare Stimmungen der Natur versetzen? Anhand der acht Jahreszeiten der Samen versuchten wir, mit acht Ensembles einen Jahreslauf musikalisch zu erzählen. In unserer Imagination besuchten uns Rentiere, wir gingen durch verwitterte uralte Nadelbäume, überquerten neblige Seen und mystische Moore. Wachholderduft wehte durch den Raum, und düstere Spätherbststimmungen erklangen – aufs Wesentliche reduziert – sanft und still im Herzbergsaal. Irgendwie besuchte uns an diesem Abend auch David Darling, der am 4. März 81 Jahre alt geworden wäre, mit seinem Stück Northern Lights

 

Am nächsten Tag trafen wir uns in unseren Instrumentenfamilien: fünf Akkordeons, sieben Stimmen, acht Holzblasinstrumente, drei Pianos, vier Blechblasinstrumente und acht Seiteninstrumente und ihre Spieler:innen trafen sich zum musikalischen Aufwärmen. 

Im Brass-Ensemble fanden wir Spass daran, die Dynamik auszuloten, Tempi zu wechseln und Blas-Choräle zusammen zu setzten. Kommunikation in vertrauten Gruppen gelingt meist einfach so, aus dem Moment heraus. Die abschliessenden Darbietungen der Ensembles im Plenum klangen kraftvoll. Die musikalischen Gespräche sprudelten und luden ein, den Zauber der verschiedenen Instrumentengruppen auf uns wirken zu lassen.

Seit ich mich für «Music for People» engagiere, begeistert mich die Art und Weise, wie wir während unserer Treffen Lern- und Erlebnisräume kreieren. Improvisation schärft die Fähigkeit zum Zuhören, hilft dabei, gemeinsam Lösungen zu finden, und machen Mut bestimmt aufzutreten. 

Musik redet die allgemeinste Sprache, durch welche die Seele frei, unbestimmt angeregt wird; aber sie fühlt sich in ihrer Heimat. 

Das sagte der Musiker Robert Schuhmann im 19. Jahrhundert. In solcher Art berührt, verabschiedete sich die Gruppe voneinander. Ich nahm dankend die vielseitigen Anregungen in meinen Alltag mit.


«Music for People» wurde 1986 vom Cellisten David Darling und der Flötistin Bonnie Insull gegründet. Die beiden Musiker schufen einen Ansatz, wie Musik über Improvisation gefühlt, ausgedrückt, vermittelt und geteilt werden kann.

Zum Autor: Matthias Rauh gründete 2015 mit 50 Begeisterten ehemaligen Weiterbildungsteilnehmenden den Verein «Music for People Europe» als Zweig der Nonprofit Organisation in den USA. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Berater und Therapeut im Suchtbereich. Er spielt leidenschaftlich gern Alphorn und versucht sich singend an indischen Ragas. Er ist auch aktiv im in der Vereinigung Klangkeller Bern unterwegs.

Aktuelles:

Vom 18. – 23. April 23 findet auf dem Herzberg der Kurs «Intention und Energie in der Improvisation» mit Mary Knysh (USA), Mike Horowitz (CH) und Anna Eichenberger (CH) statt.

Vom 11. - 16. Juli 2023 findet das Sommer Seminar im Kientalerhof statt, mit Mary Knysh (USA), Christoph Wiesmann(CH) und Anna Eichenberger (CH)

Informationen und Angebote im Überblick: www.musicforpeople.ch

Empfohlen: Das Buch «Grundlagen der Improvisation» von Bernhard Maurer