Die Spaltung überwinden
Über Geld reden löst einen Lernprozess aus – ein Banker im Zeitpunkt-Gespräch
Zeitpunkt: Immer mehr Menschen spüren, dass Sie die Verwendung Ihres Geldes nicht einfach den Banken überlassen dürfen. Was geht in den Menschen vor, die plötzlich Verantwortung übernehmen müssen für den Einsatz ihres Vermögens?
Das Geldanlegen ist für viele Menschen wie das Ausfüllen der Steuererklärung – unangenehm aber nötig. Sie erkennen, dass ihr Leben sehr kompliziert werden kann.
Nicht gerade eine gute Basis, damit aus dem Geld etwas Vernünftiges entsteht.
Ja. Ich plädiere dafür, die rein technischen Gesichtspunkte der Gewinnoptimierung zu verlassen. Meine Geldanlagen müssen etwas mit meiner Biographie zu tun haben, einen Sinn für mein Leben ergeben. Dann fallen die unvermeidlichen Rückschläge viel weniger ins Gewicht. Denn auch wer seinen Ertrag optimiert, findet laufend Anlagen, die noch profitabler gewesen wären und ist deswegen mit sich und dem Gang der Dinge unzufrieden. Nicht primär das Ergebnis führt zu einem befriedigenden Resultat, sondern unsere Einstellung zum Geld ermöglicht uns, mit dem Ergebnis zufrieden zu sein.
Wie ist das zu verstehen, dass Geldanlagen etwas mit der Biographie zu tun haben sollen?
Ein Vater von sechs Jungs hat mir erzählt, dass die Bildung und Ausbildung seiner Söhne die beste Investition gewesen sei. Das hat ihm mehr Glück gebracht, als die Mehrung seines Vermögens in Wertpapierform. Für andere ist vielleicht der Bau und Unterhalt eines Gebäudes wichtig, in dem kulturelles Leben stattfinden kann und sich Beziehungen entwickeln. «Was ist mir wichtig im Leben?» – das ist die entscheidende Frage.
Eine optimale Vermögensentwicklung dürfte die Antwort der meisten Menschen auf diese Frage lauten.
Da bin ich mir nicht so sicher. Zum einen stellen sich viele Menschen die Frage nach dem, was ihnen im Leben wichtig ist, bei ihren Geldanlagen gar nicht. Wenn sie es täten, würden sie die Prioritäten anders setzen. Zum anderen hat es auch mit den Anlagemöglichkeiten zu tun, die bei kleinen Anlagesummen nicht sehr breit sind. Ab einem gewissen Vermögen erhält man eine persönliche Beratung und Betreuung, die fast jeden Wunsch erfüllt.
Trotzdem praktizieren vermutlich viele Menschen ein Anlageverhalten, das ihren nach aussen gezeigten Werten nicht entspricht.
Die Geheimhaltung rund um den Umgang mit Geld lässt tatsächlich eine tiefe Spaltung im Leben zu. Für viele Menschen sind ihre Geldanlagen wie glühende Kohlen in der Hosentasche, die sie schmerzen und ständig mit sich herumtragen. Oder sie leben ganzheitlich und investieren aber sehr einseitig profitorientiert. Es würde oft schon helfen, mit anderen – mit Freunden beispielsweise – über sein Geld zu sprechen. Das setzt einen Lernprozess in Gang, und zwar nicht nur, weil ich andere Sichtweisen kennen lerne, sondern auch weil ich mich selber höre, wie ich über mein Geld rede.
Der Umgang mit Geld ist überhaupt ein Lernprozess …
Es gibt Unterschiede! Je direkter und bewusster ich investiere, desto mehr lerne ich. Wertvolle Erfahrungen macht sicher, wer selber Material in die Hand nimmt und zum Beispiel ein Bauvorhaben realisiert. Auch bei einer direkten Beteiligung an einem Unternehmen erweitert sich der persönliche Horizont. Man befasst sich mit einer Branche, lernt einen Betrieb genauer kennen usw. Bei abstrakten Anlagen, z.B. in einen Fonds, lerne ich praktisch nichts.
Wie finde ich bei den Banken geeignete Gesprächspartner?
Die gibt es zweifellos, aber sie sind relativ dünn gesät. Ich würde bei den lokalen Banken anfragen, im Dorf oder im Quartier. Und wenn die Chemie nicht stimmt oder das Musikgehör für nachhaltige Anlagen fehlt, das sich ja mittlerweile viele Banken auf die Fahnen geschrieben haben, mich eben weiter erkundigen. Es lohnt sich, mehrere Versuche zu unternehmen, denn ein guter Bankpartner wirkt sich auf die finanzielle Gesundheit ähnlich aus wie ein guter Arzt auf die körperliche Gesundheit. Das ist nicht zu unterschätzen.
Und jetzt noch die unvermeidliche Frage nach der Sicherheit. Wie sicher sind Papieranlagen? Bei grossen Finanzgesellschaften sind ja beträchtliche Umlagerungen in Sachwerte festzustellen.
Sicherheit ist eine individuelle Beurteilungsfrage. Unter dem Gesichtspunkt, das investierte Kapital wieder zurück zu erhalten, können Anleihen funktionierender Rechtsstaaten, die ihre Verpflichtungen einhalten, als relativ sicher eingestuft werden. Handkehrum können vermeintlich sichere Sachanlagen problematisch sein, z.B. eine teure Eigentumswohnung in einem Winterkurort, der wegen der Klimaerwärmung in Zukunft keinen Schnee haben wird. Auch Sachanlagen in Ländern mit grossen sozialen Problemen, die zu Unruhen und Umstürzen führen können, sind unsicher. Sicherheit gibt letztlich nur der soziale Zusammenhalt, der zu glaubhaften und gerechten Lösungen für die globalen und die lokalen Probleme führt.
Der grösste Teil des Vermögens vieler Menschen liegt in den Pensionskassen und ist damit dem direkten Einfluss entzogen. Wo haben wir hier Handlungsspielraum?
Man kann und soll Einfluss nehmen auf seine Pensionskasse. Zum Beispiel können schon hartnäckige Fragen nach der Anlagepolitik einiges verändern. Viele Pensionskassen haben in den letzten Jahren einen enormen Lernprozess durchgemacht. Ein Pensionskassenverwalter hat es mir letzthin so geschildert: «Zuerst hat uns Herr Gier beraten und dann Herr Angst. Beide waren schlechte Berater. Jetzt wissen wir selbst, welchen Weg wir gehen müssen.»
Unser Gesprächspartner hat als Mitglied der Geschäftsleitung verschiedener Banken jahrzehntelange Branchenerfahrung, auch im nachhaltigen Finanzgeschäft. Mit seinem jetzigen Arbeitgeber hat er Diskretion vereinbart, weshalb das Gespräch ohne Nennung des Namens erscheint.
Das Geldanlegen ist für viele Menschen wie das Ausfüllen der Steuererklärung – unangenehm aber nötig. Sie erkennen, dass ihr Leben sehr kompliziert werden kann.
Nicht gerade eine gute Basis, damit aus dem Geld etwas Vernünftiges entsteht.
Ja. Ich plädiere dafür, die rein technischen Gesichtspunkte der Gewinnoptimierung zu verlassen. Meine Geldanlagen müssen etwas mit meiner Biographie zu tun haben, einen Sinn für mein Leben ergeben. Dann fallen die unvermeidlichen Rückschläge viel weniger ins Gewicht. Denn auch wer seinen Ertrag optimiert, findet laufend Anlagen, die noch profitabler gewesen wären und ist deswegen mit sich und dem Gang der Dinge unzufrieden. Nicht primär das Ergebnis führt zu einem befriedigenden Resultat, sondern unsere Einstellung zum Geld ermöglicht uns, mit dem Ergebnis zufrieden zu sein.
Wie ist das zu verstehen, dass Geldanlagen etwas mit der Biographie zu tun haben sollen?
Ein Vater von sechs Jungs hat mir erzählt, dass die Bildung und Ausbildung seiner Söhne die beste Investition gewesen sei. Das hat ihm mehr Glück gebracht, als die Mehrung seines Vermögens in Wertpapierform. Für andere ist vielleicht der Bau und Unterhalt eines Gebäudes wichtig, in dem kulturelles Leben stattfinden kann und sich Beziehungen entwickeln. «Was ist mir wichtig im Leben?» – das ist die entscheidende Frage.
Eine optimale Vermögensentwicklung dürfte die Antwort der meisten Menschen auf diese Frage lauten.
Da bin ich mir nicht so sicher. Zum einen stellen sich viele Menschen die Frage nach dem, was ihnen im Leben wichtig ist, bei ihren Geldanlagen gar nicht. Wenn sie es täten, würden sie die Prioritäten anders setzen. Zum anderen hat es auch mit den Anlagemöglichkeiten zu tun, die bei kleinen Anlagesummen nicht sehr breit sind. Ab einem gewissen Vermögen erhält man eine persönliche Beratung und Betreuung, die fast jeden Wunsch erfüllt.
Trotzdem praktizieren vermutlich viele Menschen ein Anlageverhalten, das ihren nach aussen gezeigten Werten nicht entspricht.
Die Geheimhaltung rund um den Umgang mit Geld lässt tatsächlich eine tiefe Spaltung im Leben zu. Für viele Menschen sind ihre Geldanlagen wie glühende Kohlen in der Hosentasche, die sie schmerzen und ständig mit sich herumtragen. Oder sie leben ganzheitlich und investieren aber sehr einseitig profitorientiert. Es würde oft schon helfen, mit anderen – mit Freunden beispielsweise – über sein Geld zu sprechen. Das setzt einen Lernprozess in Gang, und zwar nicht nur, weil ich andere Sichtweisen kennen lerne, sondern auch weil ich mich selber höre, wie ich über mein Geld rede.
Der Umgang mit Geld ist überhaupt ein Lernprozess …
Es gibt Unterschiede! Je direkter und bewusster ich investiere, desto mehr lerne ich. Wertvolle Erfahrungen macht sicher, wer selber Material in die Hand nimmt und zum Beispiel ein Bauvorhaben realisiert. Auch bei einer direkten Beteiligung an einem Unternehmen erweitert sich der persönliche Horizont. Man befasst sich mit einer Branche, lernt einen Betrieb genauer kennen usw. Bei abstrakten Anlagen, z.B. in einen Fonds, lerne ich praktisch nichts.
Wie finde ich bei den Banken geeignete Gesprächspartner?
Die gibt es zweifellos, aber sie sind relativ dünn gesät. Ich würde bei den lokalen Banken anfragen, im Dorf oder im Quartier. Und wenn die Chemie nicht stimmt oder das Musikgehör für nachhaltige Anlagen fehlt, das sich ja mittlerweile viele Banken auf die Fahnen geschrieben haben, mich eben weiter erkundigen. Es lohnt sich, mehrere Versuche zu unternehmen, denn ein guter Bankpartner wirkt sich auf die finanzielle Gesundheit ähnlich aus wie ein guter Arzt auf die körperliche Gesundheit. Das ist nicht zu unterschätzen.
Und jetzt noch die unvermeidliche Frage nach der Sicherheit. Wie sicher sind Papieranlagen? Bei grossen Finanzgesellschaften sind ja beträchtliche Umlagerungen in Sachwerte festzustellen.
Sicherheit ist eine individuelle Beurteilungsfrage. Unter dem Gesichtspunkt, das investierte Kapital wieder zurück zu erhalten, können Anleihen funktionierender Rechtsstaaten, die ihre Verpflichtungen einhalten, als relativ sicher eingestuft werden. Handkehrum können vermeintlich sichere Sachanlagen problematisch sein, z.B. eine teure Eigentumswohnung in einem Winterkurort, der wegen der Klimaerwärmung in Zukunft keinen Schnee haben wird. Auch Sachanlagen in Ländern mit grossen sozialen Problemen, die zu Unruhen und Umstürzen führen können, sind unsicher. Sicherheit gibt letztlich nur der soziale Zusammenhalt, der zu glaubhaften und gerechten Lösungen für die globalen und die lokalen Probleme führt.
Der grösste Teil des Vermögens vieler Menschen liegt in den Pensionskassen und ist damit dem direkten Einfluss entzogen. Wo haben wir hier Handlungsspielraum?
Man kann und soll Einfluss nehmen auf seine Pensionskasse. Zum Beispiel können schon hartnäckige Fragen nach der Anlagepolitik einiges verändern. Viele Pensionskassen haben in den letzten Jahren einen enormen Lernprozess durchgemacht. Ein Pensionskassenverwalter hat es mir letzthin so geschildert: «Zuerst hat uns Herr Gier beraten und dann Herr Angst. Beide waren schlechte Berater. Jetzt wissen wir selbst, welchen Weg wir gehen müssen.»
Unser Gesprächspartner hat als Mitglied der Geschäftsleitung verschiedener Banken jahrzehntelange Branchenerfahrung, auch im nachhaltigen Finanzgeschäft. Mit seinem jetzigen Arbeitgeber hat er Diskretion vereinbart, weshalb das Gespräch ohne Nennung des Namens erscheint.
01. Mai 2007
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