Du hältst lieber den Mund. Du willst keine Gräben vertiefen.

Die Pandemie erfasst restlos alle, ob geimpft, gläubig, kritisch oder gedankenlos. Und sie löst tiefgreifende innere Prozesse aus und führt nicht selten zu schlaflosen Nächten. In einer solchen Nacht hat die Zeitpunkt-Leserin Barbara Moosmann eine eindrückliche persönliche Geschichte der Pandemie geschrieben.

(Foto: Dieter K / unsplash.com)

Anstatt sich im Bett hin und her zu wälzen, setzte Barbara Moosmann sich hin und schrieb eine ganz persönliche Geschichte der Pandemie, Monat für Monat, vom Januar 2020 bis in die Gegenwart.

Zum Juli 2021 lesen wir Folgendes:

«Deine Familie verbringt den Urlaub in einem Land, das seit Wochen als Hotspot einer neuen Virusvariante gilt. Am Flughafen würden massenhaft Menschen abgewiesen, werdet ihr gewarnt. Ihr müsst mit Warteschlangen und umfangreichen Kontrollen rechnen. Landesteile seien abgeriegelt, die Lage vor Ort prekär.

Der Beamte am Flughafen überprüft oberflächlich eure Virustests. Am Urlaubsort ist ausser einem geschlossenen Vergnügungspark wenig von dem Virus zu merken. Bei der Rückreise sind Kinder unter sechzehn Jahren von der Testpflicht ausgenommen. Dieselben Kinder, die im Kampf gegen die Krankheit noch kurz zuvor einem wöchentlichen Massentest in der Schule unterzogen werden mussten. Mittlerweile suchst du nicht mehr nach Logik.

Deine Schwester reist seit einem Monat durch die Länder im Osten. Um Komplikationen vorzubeugen, hat sie sich impfen lassen. An der vierten Grenze kontrolliert zum ersten Mal jemand ihren Impfausweis. Der Beamte beäugt die App wie ein exotisches Insekt und winkt sie durch. Im Landesinneren existiert das Virus nur auf Plakaten. Masken sind unbekannt. Die Menschen dort haben andere Probleme.

Von alledem erzählst du niemandem etwas. Du hältst lieber den Mund. Du willst keine Gräben vertiefen.»

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Die kurze Broschüre «Angst – eine Geschichte, wie auch du sie erleben könntest» kann unter diesem Link heruntergeladen werden. Die Autorin freut sich über ein Feedback.