Die NSS beruht nach Sachs´ Analyse auf vier fehlerhaften Grundpfeilern: «Erstens auf Grossmannssucht: dem Glauben, dass die Vereinigten Staaten in allen wichtigen Machtbereichen eine unangefochtene Vormachtstellung geniessen. Zweitens basiert sie auf einer streng machiavellistischen Weltanschauung, die andere Nationen als Instrumente betrachtet, die zum Vorteil der USA manipuliert werden können. Drittens beruht sie auf einem naiven Nationalismus, der das Völkerrecht und internationale Institutionen als Hindernisse für die Souveränität der USA abtut, anstatt sie als Rahmenbedingungen zu betrachten, die die Sicherheit der USA und der Welt insgesamt verbessern. Viertens rechtfertigt es das Rowdytum in Trumps Einsatz der CIA und des Militärs.»
Trumps Strategie sehe die Freiheit, andere zu erpressen, als Kern der US-Souveränität an. Damit werde er, so Sachs´ Überzeugung, die USA strukturell, moralisch und strategisch schwächen.
Dabei beginne das Dokument mit einem realistischen Ansatz: der Anerkennung, dass die USA die Welt nicht dominieren oder eine universelle Ordnung durchsetzen könne. Aber es gleite schnell in Überheblichkeit ab.
Sie prahlt mit der angeblich überlegenen US-Wirtschaft, Finanzsystem, Technologie und Militärmacht und rechtfertigt damit die Taktik, anderen Ländern Bedingungen aufzuzwingen, insbesondere kleineren Staaten, da man Atommächte nicht besiegen kann.
Nach Auffassung von Jeffrey Sachs verkörpert die Nationale Sicherheitsstrategie nackten Machiavellismus: Sie ziele darauf ab, US-Macht in Märkten, Finanzen, Technologie und Sicherheit maximal auszunutzen, um Zugeständnisse zu erzwingen, statt auf Kooperation zu setzen.
Mit der neuen Sicherheitsstrategie sollen Länder zum Beispiel in Lateinamerika von «feindlicher ausländischer Einflussnahme» (vor allem China) freigehalten werden.
Sachs:
Die NSS ist eindeutig: US-Abkommen mit Ländern, <die am stärksten von uns abhängig sind und über die wir daher den größten Einfluss haben>, müssen zu Alleinverträgen für amerikanische Unternehmen führen. Die US-Politik sollte <alle Anstrengungen unternehmen, um ausländische Unternehmen zu verdrängen>, die in der Region Infrastruktur aufbauen, und die USA sollten multilaterale Entwicklungsinstitutionen wie die Weltbank so umgestalten, dass sie <den amerikanischen Interessen dienen>.
Die Verträge sollten US-Firmen bevorzugen und ausländische Konkurrenz verdrängen – das aber ist ein naiver Ansatz, da China für die meisten Länder der wichtigste Handelspartner ist. Doch dieses Rowdytum wird bereits in die Praxis umgesetzt, etwa durch die illegale Beschlagnahme eines venezolanischen Öltankers auf hoher See zur Erzwingung eines Regimewechsels in Venezuela sowie durch CIA-Operationen zur Destabilisierung. Solche Akte verletzen internationales Recht und signalisieren einen Übergang hin zum Schikanieren kleinerer Staaten durch Sanktionen, Finanzdruck und Diebstahl.
Damit zerstöre diese Politik das Vertrauen in die US-geführte Sicherheitsarchitektur: Selbst enge Verbündete wie Dänemark betrachteten die USA nun als potenzielle Bedrohung und träfen Vorkehrungen gegen Versuche, Grönland zu erzwingen. Die NSS ignoriere internationales Recht, Institutionen und Reziprozität, behandle globale Governance als Hindernis und lehne Klimakooperation grundsätzlich ab.
Jeffrey Sachs endet mit einem historischen Vergleich: «Eine solche Hybris wird sich für die Vereinigten Staaten rächen. Der antike griechische Historiker Thukydides berichtet, dass die Athener, als das imperiale Athen 416 v. Chr. gegen die kleine Insel Melos kämpfte, erklärten: <Die Starken tun, was sie können, und die Schwachen leiden, was sie müssen.> Doch die Hybris Athens war auch sein Untergang. Zwölf Jahre später, 404 v. Chr., fiel Athen an Sparta. Die Arroganz, Überheblichkeit und Verachtung Athens gegenüber kleineren Staaten trug dazu bei, das Bündnis zu schmieden, das letztendlich zu seinem Untergang führte.
Die Nationale Sicherheitsstrategie 2025 spricht in einem ähnlich arroganten Ton. Es ist eine Doktrin der Macht über das Recht, der Zwangsausübung über die Zustimmung und der Dominanz über die Diplomatie. Die Sicherheit Amerikas wird nicht dadurch gestärkt, dass es sich wie ein Tyrann verhält. Sie wird dadurch geschwächt – strukturell, moralisch und strategisch. Eine Grossmacht, die ihre Verbündeten einschüchtert, ihre Nachbarn unterdrückt und internationale Regeln missachtet, isoliert sich letztendlich selbst.
Die nationale Sicherheitsstrategie der USA sollte auf ganz anderen Prämissen beruhen: der Akzeptanz einer pluralistischen Welt, der Erkenntnis, dass die Souveränität durch internationales Recht gestärkt und nicht geschwächt wird, der Anerkennung, dass globale Zusammenarbeit in den Bereichen Klima, Gesundheit und Technologie unverzichtbar ist, und dem Verständnis, dass der globale Einfluss der USA mehr von Überzeugungskraft als von Zwang abhängt.»