Es bewegt sich was, auch wenn es nicht allen gefällt
Während die kriegsführenden Parteien fast ausschliesslich damit beschäftigt sind, diesen schrecklichen Ukrainekrieg fortzuführen, gibt es trotz aller Verunglimpfungen auch solche, welche ihn möglichst rasch beenden möchten. Ob es einem passt oder nicht, China ist hier dem «wertegeleiteten» Rest der Welt zweifellos um einen Schritt voraus.
Und dies trotz, möglicherweise sogar wegen, seiner bestehenden Beziehungen zum Aggressor Russland. Der chinesische «Friedensplan» enthält, auch wenn dies von westlichen Staaten und auch deren Medien negiert wird, Vorschläge, welche - wenn man es möchte - durchaus als Ausgangspunkt ernsthafter Vermittlungs- und Friedensgespräche betrachtet werden können.
Im Gegensatz zu den aktuellen Kommentaren zu diesen zwölf Punkten enthält der «Friedensplan» sehr wohl konkrete Vorschläge, und durchaus solche, welche auch als Kritik am russischen Vorgehen betrachtet werden können – nochmals, wenn man es möchte. Allein schon der Punkt «Respektierung der Souveränität aller Länder» und die darin enthaltene Forderung nach gleichmässiger und einheitlicher Anwendung des Völkerrechtes sind doch klare Positionen, welche auch eine Kritik an der russischen Aggression gegen die Ukraine bedeuten.
Auch «Verurteilung von Angriffen auf Kernkraftwerke» (Punkt 7), die Ablehnung der Drohung eines möglichen Einsatzes von Atomwaffen (Punkt 8) oder die Forderung nach Erleichterung der Getreideexporte (Punkt 9) sowie nach Aufrechterhaltung der Industrie- und Lieferketten (Punkt 11) sind durchaus konkret, im Gegensatz zu allem, was aus westlicher Seite gesagt, besser, nicht gesagt wird.
Dieser Zwölfpunkteplan ist jedenfalls bei weitem das Konkreteste, was vorliegt. Jedenfalls ist es nicht nur konkreter sondern auch humaner und politisch vernünftiger als die von der Ukraine und von den meisten europäischen Aliierten formulierten Kriegsziele wie totaler Sieg bis hin zu regime change in Moskau. Um sich ein persönliches Urteil bilden zu können, verweise ich auf den Link der Schweizerischen Plattform infosperber, der auch den genauen Wortlaut des Planes enthält.
Die Welt benötigt eine neue Ordnung
Wenn auch der Ukrainekrieg gegenwärtig die gravierendste weltweite Krise darstellt, so gibt es genügend andere ungelöste Konflikte, auch kriegerische Auseinandersetzungen. Das gegenwärtige internationale System ist kaum in der Lage, aktuelle und potentielle Krisen in einer völkerrechtlich konformen, fairen und vor allem möglichst gewaltfreien Weise zu lösen.
Dazu bedarf es einer neuen Weltordnung, welche eine Bekräftigung und auch zeitgemässe Aktualisierung jener Prinzipien, welche nach der Tragödie des Zweiten Weltkrieges zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und zur Gründung der Vereinten Nationen geführt hat, bedeutet. Da die seit dem Ende des Kalten Krieges verbliebene einzige globale Supermacht kaum einen konstruktiven Beitrag zu dieser notwendigen Reform des internationalen Systems zu leisten bereit ist, wird es an anderen Staaten und Organisationen, hoffentlich auch an einer stärker in Erscheinung tretenden internationalen Zivilgesellschaft, liegen, diese Entwicklung voranzutreiben.
Aus Letzterer liegen zahlreiche Vorschläge vor, die man auf jeden Fall stärker berücksichtigen sollte. Bemerkenswert sind auch Entwicklungen im sogenannten Globalen Süden, wo sich im Laufe der letzten Jahre durchaus neue Kooperationen entwickelt haben, welche auch als klare Forderung nach stärkerer politischer und wirtschaftlicher Partizipation zu verstehen sind. Es wird dem - noch - vorherrschenden politischen System einfach keine Alternative bleiben, als Staaten wie China, Indien, Brasilien, Südafrika etc. mehr Bedeutung und auch mehr Mitsprachemöglichkeiten einzuräumen.
In diesem Zusammenhang sollte man den jüngsten diplomatischen Initiativen Chinas durchaus mehr Beachtung schenken. In einer Situation, in der gewissermassen die ganze Welt mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt war, hat diese eine weitaus über Westasien hinausgehende Annäherung zweier Erzfeinde zustandegebracht.
Während sich die USA in den 80er und 90er Jahren (man erinnere an dual containment, welches den Iran und den Irak in einer blutigen Krieg gehetzt hat) darin gefallen haben, Völker und Staaten gegeneinander aufzuhetzen (eine Strategie, die durchaus noch immer zum Repertoire der USA gehört), gibt es offensichtlich auch andere Strategien. In diesem Zusammenhang sollte man also die jüngsten diplomatischen Initiativen Chinas ernst nehmen.
Zum Abschluss bleibt noch die Frage nach der zukünftigen Positionierung Europas. Die nach dem Fiasko des Zweiten Weltkrieges als Friedensprojekt begonnene europäische Einigung hat sich leider - und das nicht erst infolge des Ukrainekrieges - inzwischen bereits zu einem weitgehenden Kriegsprojekt gewandelt. Die hoffnungsvollen Ansätze einer eigenständigen europäischen Friedensordnung - siehe Helsinki, KSZE, OSZE) sind leider auf dem Altar eines neuen Kalten Krieges, der inzwischen recht heiss und für Europa äusserst bedrohlich und auch kaum mehr erschwinglich geworden ist, geopfert worden. In diesem Sinne verweise ich noch auf den dritten verlinkten Text des Dienstes lostineu.
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