Fall Julian Assange – eine unendliche Geschichte

Seit zehn Jahren steht das Leben für Julian Assange still: Gefangengehalten, gequält, ohne Urteil, aber von vielen vorverurteilt. Für die einen ist er ein Held, für die andern ein Teufel. Keins von beidem ist realistisch. Nun versuchen ein Film und ein Buch, sich seiner wahren Geschichte anzunähern.

© Mirjam Rigamonti

Sein einziges Verbrechen war, dass er staatliche, wirtschaftliche und militärische Verbrechen offengelegt hat. Dafür ist der Investigationsjournalist und WikiLeaks-Gründer Julian Assange seit über zehn Jahren in Gefangenschaft – zuerst war er im Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London, und danach in einem britischen Gefängnis in Einzelhaft. Seit 2022 droht ihm die Auslieferung in die USA, wo ihn eine lebenslange Strafe oder gar die Todesstrafe erwarten würde.

Es scheint, als wollte man durch dieses harte Vorgehen ein Exempel statuieren, um potenzielle Nachahmer abzuschrecken. Anders ist nicht erklärbar, weshalb wirkliche Verbrechen, wie zum Beispiel Vergewaltigungen, zum Teil mit lächerlichen Strafen abgegolten werden. Ganz zu schweigen, dass in WikiLeaks aufgeführte Straftäter ihre Ämter noch immer unbehelligt ausüben können.

Seit Jahren gibt es Proteste, Mahnwachen und einzelne mediale Aufschreie gegen dieses Unrecht, doch diese nützten bisher genauso wenig wie die zahlreichen Aufbegehren gegen Kriege, Atomkraftwerke, Umweltgifte und Menschenrechtsverletzungen. Die politische Agenda aus Geld, Gier und Macht wird strikt durchgezogen und erinnert an das Verhalten von Nashörnern, die durch die Steppen rasen und alles niederwalzen, was sich ihnen in den Weg stellt.

Menschen haben offenbar unterschiedliche Unrechtsempfindungen. Die einen empören sich über empfundenes Unrecht, andere wiederum erkennen nichts Problematisches an manch unmenschlichem Verhalten. Trotzdem ist es wichtig, weiterhin unbeirrt, kritisch und hörbar dranzubleiben, damit immer mehr Menschen ethisches Verhalten mit der Zeit als selbstverständlich und normal empfinden. Durch hörbare Aktionen und Proteste wird sich auch Julian Assange selbst weniger alleingelassen und verraten fühlen. Zudem werden kritische Menschen und Bewegungen ermutigt und darin bestärkt, weiterhin für menschliche Werte und Gerechtigkeit einzustehen. Unrecht mag zwar lange bestehen bleiben, doch die Natur lehrt uns, dass früher oder später jedes Verhalten Konsequenzen zeigt und den Verursachern dadurch der Spiegel vorgehalten wird. Wäre es da nicht besser, innezuhalten und sich an folgender, in vielen Religionen ähnlich beschriebenen Weisheit zu orientieren: «Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu»?

Seit einiger Zeit läuft der Dokumentarfilm «Ithaka» in Deutschland und Österreich, und aktuell besteht die Möglichkeit, eine Petition gegen seine Auslieferung zu unterschreiben und den Kampf für Assange finanziell zu unterstützen. Sehr informativ, aufklärend und aufrüttelnd ist auch das Buch «Der Fall Julian Assange» des UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer, das auch auf Englisch erschienen ist.