Freilernen: wo der Spass aufhört

Tilman und Dagmar Neubronner sind Deutschlands prominenteste Schulverweigerer. Aber eigentlich sind es ihre Kinder. Obwohl ihre Eltern, damals in Bayern, eine Montessori-Schule gründeten, wollte der Ältere partout nicht zur Schule gehen. Nach dem Umzug nach Bremen musste er dann, ob er wollte oder nicht, in die Regelschule. Der Achtjährige litt dabei so sehr unter dem Betrieb, dass die Eltern Ende 2005 beschlossen, ihn zuhause zu unterrichten. Sie begannen, wie alle Homeschooler, mit einer Kopie der Schule zuhause, mit Pültchen, Stunden- und Lehrplänen. «Völliger Mumpitz» sei das gewesen, sagt Tilman Neubronner heute. Viel wirksamer sei «learning by doing», die Kinder in ihrer natürlichen Lernbegierde zu unterstützen. Da erfahren die Kinder, dass das Leben Spass macht. Da aber hat der Spass ein Ende, vor allem in Deutschland, das zusammen mit Rumänien die europaweit härteste Schulpflicht durchsetzt. Dabei stehen den Behörden zwei Instrumente zur Verfügung: die Kriminalisierung der Eltern und die Pathologisierung der Kinder. Bei Kindern, die nicht zur Schule gehen wollen, wird eine «Schulphobie» diagnostiziert, die nicht selten zur Zwangsinternierung in psychiatrische Kliniken führt, vor allem, wenn die Eltern Homeschooler sind. Die Eltern ihrerseits werden zunächst mit Verfügungen und Bussen diszipliniert und, wenn die nichts fruchten, mit den ungleich höheren Zwangsgeldforderungen und der so genannten «Erzwingungshaft». Am Ende der Kette steht der grosse Albtraum, der auch die unnachgiebigsten Homeschooler weich macht: der Entzug des Sorgerechts.

So weit wollten es die Neubronners nicht kommen lassen. Nachdem ihre Konten gesperrt und der Vollzugsbeamte zur Pfändung in der Wohnung erschienen war, zog der Vater 2008 mit den beiden Kindern im Alter von sieben und neun Jahren nach Frankreich, wo elterliche Schulbildung erlaubt ist. Dagmar Neubronner blieb in Bremen, wo auch ihr Verlag angesiedelt ist und von wo sie weiter gerichtlich für das Recht ihrer Kinder auf freies Lernen streitet.. Die Kinder, das nebenbei, wurden übrigens weder von den Behörden noch den Gerichten je befragt. Sie hätten womöglich erfahren, was Spass am Lernen bedeutet.

 
Nachzulesen ist die spannende Geschichte der Neubronners im Buch von Dagmar Neubronner: Die Freilerner – unser Leben ohne Schule. Genius-Verlag, 2008. Fr. 35.80/Euro 19.80.  Im Buchhandel oder direkt beim Verlag: www.genius-verlag.de.


Am 26. Novemberum 22.15 Uhr strahlt das ZDF unter dem Titel 37 Grad einen Dokumentarfilm über die Neubronners und andere Freilerner aus.

Kontakt zu Neubronners: [email protected]


Nützliche Links:

www.bildunginfreiheit.de
www.leben-ohne-schule.de
www.homeschooling.de
www.netzwerk-bildungsfreiheit.de

Weitere Geschichten und Aufsätze im Zeitpunkt 104 zum Thema «Schulfrei – lernen ohne Schule», der Ende Oktober erscheint. Bestellungen für Schnupperabos: www.zeitpunkt.ch/abonnements/schnupperabo.html

Am 24. November strahlt das ZDF unter dem titel «Unterricht am Küchentisch» eine Sendung über die Neubronners aus. Vorschau:
http://37grad.zdf.de/ZDFde/inhalt/14/0,1872,1020910_idDispatch:9149649,00.html
15. Oktober 2009
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