Für eine regenerative Revolution! – durch die Erneuerung unserer Beziehungen

Das Buch «Klimaheilung» des Coaches, Therapeuten und Aktivisten Jack Adam Weber liefert eine Fülle ermutigender Vorschläge für «inneren Aktivismus» zur Heilung von Mensch und Erde. Und das, obwohl es dem Mainstream-Klima-Narrativ folgt.

Für einen liebenden, ökologischen Fussabdruck - Foto: Sadaham Yathra

(Am Ende folgt die Meditation «Allein-Sein» vom Blog des Autors.)

In der letzten Ausgabe des Zeitpunkts «Null Debatte, keine Lösung» haben wir versucht, die Klimadebatte anzuregen, indem wir Argumente anführten, die man sonst selten liest und hört. 

Das vorliegende Buch verfolgt einen ganz anderen Ansatz: Es regt dazu an, die Situation der Erde bewusst zu fühlen. Indem wir das tun, können wir unsere drei Kern-Beziehungen heilen: Die Beziehung zu uns selbst, die Beziehung zu anderen Menschen und die Beziehung zur Natur. Denn die tiefste Ursache für die Umweltzerstörung liegt in diesen zerrütteten Beziehungen. 

«Die äussere Bedrohung ist aus dem gewachsen, was wir in unserem Inneren abgetötet haben. Die äussere Dynamik des Ökozids ist menschengemacht. Die Klimakrise ist nur eines von vielen Symptomen für die zahlreichen Erscheinungsformen unserer Selbstverleugnung.»

Die Überzeugung, dass wir andere Menschen nicht brauchen, ist eine verkappte Entmachtung unserer selbst.

Erde und Mensch sind eine Einheit, das ist auch meine tiefste Überzeugung. Die Bedrohungen in der äusseren Umwelt – das drastische Artensterben, die weltweite Naturzerstörung, ein komplett gestörter Wasserhaushalt, der Verlust an Humus und die Wüstenbildung – sind ein Spiegel für unsere Inweltkrise: für unsere Isolation, unser kollektives Trauma, die Verdrängung tiefer Gefühle und unsere durch Angst und Kontrollsucht gesteuerte Gesellschaft. 

Ja, die Gesundheit von Erde und Natur und damit uns Menschen ist bedroht. Ja, wir müssen handeln, aber nicht durch blinden Aktionismus. Wir müssen uns tief verändern – als Gesellschaft und als Individuen. Dieses Buch zeigt wie.j

Die Stärke des Extinction-Rebellion-Activisten und Therapeuten für Chinesische Medizin, Jack Adam Weber aus Kalifornien, ist dabei nicht so sehr die wissenschaftliche Analyse. Sein Buch «Klimaheilung» folgt leider fraglos dem offiziellen Klima-Narrativ und setzt das quasi auch für alle Aktivisten voraus.

Ich bin gespannt, ob Menschen, die das inzwischen differenzierter sehen, sich überhaupt von seinen Vorschlägen, Gedanken und Erfahrungen zum inneren Aktivismus anregen lassen. Es wäre zu hoffen, denn sie sind tief und hilfreich und erinnern an den Ansatz von Joana Macy zur Tiefenökologie. 

k

Die Regeneration unserer Beziehungen zu Natur, zum Miteinander und zum Selbst erfordert von uns, Gefühle bewusst zu machen, denen wir sonst ausweichen – z.B. Schmerz, Angst, Wut und Bedauern angesichts der ökologischen Zerstörung. Doch Weber geht es nicht nur ums Fühlen, sondern um eine Ausgewogenheit im Bewusstmachen und Klären von Gefühlen, in kritischem Denken und praktischen Konsequenzen unseres Mitgefühls. 

Interessant, dass die deutsche Übersetzung konsequent das Wort «Klimazerrüttung» wählt.

Das Buch widmet er «den unsichtbaren Ursachen der Klimazerrüttung, die tief in unserem Innern wurzeln und von unserer linearen, von Äusserlichkeiten besessenen und emotional unzureichenden Kultur grösstenteils vergessen sind.»

Interessant, dass die deutsche Übersetzung konsequent das Wort «Klimazerrüttung» wählt: Die Assoziation einer zerrütteten Liebesbeziehung liegt nahe. Für Weber ist diese Zerrüttung ein «Katalysator des inneren Heilungsweges» der Menschen.

«Wenn wir uns mit den verborgenen Kräften auseinandersetzen wollen, die uns zu dieser Zerstörung und diesem Leiden getrieben haben, reicht es nicht, einfach irgendeine Art innerer Arbeit zu leisten. Wir brauchen die Art Arbeit, durch die uns das Mitgefühl sozusagen in Fleisch und Blut übergeht, damit wir uns nicht anstrengen müssen, die Herzenswärme aufzubringen.»

Um mir das Buch zu erschliessen, habe ich einige hundert mal im Geiste das viel zu vereinfachende Wort Klima durch Natur oder Erde ersetzt. Ich finde, es lohnt sich, weil Weber einen sehr intimen Weg zeigt, Licht in das unbewusste Dunkel unsere Gefühle zu bringen.

«Wenn wir lernen, mehr Angst auszuhalten – ebenso wie Furcht, Trauer, Wut, Verzweifeln und sogar Bedauern – können wir uns der Klimawirklichkeit offen und in mutiger Aufrichtigkeit stellen.»

Wir könnten sogar, wie Weber schreibt, uns die ökologische Bedrohung «als spirituellen Lehrer oder ganzheitlichen Heiler vorstellen, der uns in Gestalt des Klimachaos begegnet.»

Sein eigener strenger Heiler begegnete ihm in Form eines herben Verlustes: Nachdem er 18 Jahre lang mit harter Arbeit eine Permakulturfarm auf Hawaii aufgebaut hatte, wurde sie 2018 beim Ausbruch des Kilauea unter einem Lavastrom begraben. Er liess den Schmerz darüber zu – und half auch Nachbarn in der Gemeinde, ihn zu fühlen. Diese Öffnung führte ihn zu dem ganzheitlichen Ansatz, den er heute verfolgt.

Es ist die «Unfähigkeit, die Spannung von Gegensätzen auszuhalten», die uns daran hindert, Ungewissheit zu ertragen.

Der lediglich äussere Aktivismus werde – sowie die äusseren Massnahmen im Klimaschutz – nichts erreichen, solange wir innerlich weitermachen wie bisher – und etwa Gefühle, die wir nicht haben wollen, unbewusst auf unsere Umgebung projizieren. Wenn wir uns etwa unsere Ängste nicht bewusstmachen, werden wir immer versuchen, eine Situation zu kontrollieren – zum Beispiel durch zu schnelle Schlussfolgerungen, durch aggressive Debatten, durch Abwertung von politisch Andersdenkenden. Kommt Ihnen das bekannt vor?

Das ist für mich eine wichtige Erkenntnis: Es ist die «Unfähigkeit, die Spannung von Gegensätzen auszuhalten», die uns daran hindert, Ungewissheit zu ertragen. «Kognitive Dissonanz» auszuhalten, ist aber wichtig. «Ich habe festgestellt, dass man durch Übung besser darin wird,» schreibt Weber.

Wichtig ist für ihn, die verlorene Gemeinschaft unter Menschen wieder aufzubauen. «Wir brauchen einander», so sein Credo: Das Selbst sieht er als Plural, als ein Wir, das auch die Natur mit einbezieht. Wer nur sich selbst als Ich wahrnimmt, wird automatisch so viele Ressourcen für sich selbst verbrauchen, wie es geht, besonders wenn sie knapp werden. Nur wer das Ich als ein Wir  erfährt, für den wird das ökologische Gleichgewicht wichtiger als der eigene Vorteil. 

Diese Erfahrung der Verbundenheit machen wir im Zusammensein mit anderen Menschen, durch Verbindung, Austausch und gegenseitige Unterstützung. Daraus können gemeinsame angemessene Aktionen hervorgehen.

Stark auch der Satz: «Krasser Individualismus und die Überzeugung, dass wir andere Menschen nicht brauchen, sind eine verkappte Entmachtung unserer selbst.»

Ganz konkret leitet Weber die Leser an, die Beziehung mit sich, mit der Natur und zu anderen Menschen wieder mit Leben und Bewusstsein zu füllen. Er beschreibt seine Erfahrungen im Ausrichten regelmässiger Treffen, in denen Menschen ihre Ängste, ihr Wissen, ihr Mitgefühl und ihre Konsequenzen über den Ökozid austauschen und sich gegenseitig stärken – und gibt konkrete Ratschläge für das Halten einer solchen Gruppe. 

Das inspiriert mich. Auch in meiner Umgebung gab es eine Weile Bürgerforen, in denen sich Menschen verschiedener Meinung möglichst tief austauschen. In der Corona-Zeit erstarben sie, jetzt ist ein guter Moment, sie wieder zu beleben. Wenn sie weise geführt werden, können solche Kreise nicht nur die Debatte wieder anregen: Sie können uns in den dringend notwendigen Prozess der inneren und äusseren Transformation führen. 

Weber: «Ich schlage vor, wir üben aus ganzem Herzen, die Spannung von Gegensätzen auszuhalten, anstatt extreme Standpunkte einzunehmen. (…) Bewerten Sie die Beweiskraft wissenschaftlicher Erkenntnisse, schalten Sie dabei Ihr kritisches Denken ein, überprüfen Sie gewissenhaft persönliche emotionale Tendenzen und kognitive annahmen und akzeptieren Sie eine Dosis Ungewissheit.»

Dass kritisches Denken nicht gerade die Stärke des Buches ist, habe ich schon erwähnt. Trotzdem glaube ich, dass seine Anregungen eine Hilfe dabei sind, wenn wir eine gemeinsame Ebene finden wollen, eine, die uns tief gemeinsam ist: die Liebe zur Erde und der Wunsch nach Heilung.

w
Mehr über das Buch

 

 

 

 

 

 


b

All-Ein-Sein – eine Meditation

von Jack Adam Weber

Es gibt Zeiten im Leben, in denen wir allein sein müssen.

Wenn wir nicht allein sein können, können wir nicht die Tiefen unserer Seele ausloten und die dunklen Stellen aufarbeiten, die unsere Souveränität, unsere tiefe Zugehörigkeit zum Leben einschränken. 

Doch wenn wir nicht auch Partner sind, können wir nicht in unsere tiefsten Wunden hineinleuchten.

Viele gehen sogar ununterbrochen Partnerschaften ein, um nicht allein zu sein. Im Liebeskummer entdecken sie vielleicht all das, was sie vermieden haben.

Die Angst vor den eigenen Tiefen, insbesondere vor den verwundeten Teilen (die ironischerweise eine Angst vor grösserer Lebendigkeit, Liebe, Ganzheit, Kreativität, Zugehörigkeit, Mitgefühl und Mut ist), veranlasst uns, diese wertvollen Teile unseres Selbst vor allem in anderen zu suchen.

Ob der «Andere» zu einem Spiegel unserer eigenen Zerrissenheit oder zu einer Krücke wird, mit der wir weiterhin unser volles Selbst vermeiden, hängt davon ab, ob wir überhaupt an unseren Tiefen interessiert sind. 

Der Schmerz der Beziehungsliebe kann der einzige Zugang für die Liebe sein, um die Verleugnung zu durchdringen. Das kann uns für das öffnen, für das wir sonst wahrscheinlich nicht offen gewesen wären – was ich als «das, was wir an einem sonnigen Tag nicht wählen würden» beschreibe.

Herzschmerz ist die Mutter der Heilung und Integration. Er löst sich auf, je länger wir bei ihm bleiben. Auf diese Weise verwandelt uns der Schmerz. Wir verwandeln den Schmerz nicht, sondern wir erlauben ihm, uns zu verändern. Wenn er damit fertig ist, uns zu verändern, löst er sich auf. Wenn wir dagegen unserem Herzschmerz ausweichen, verfestigen wir unser Leiden als Fortdauer des Schmerzes, mit dem wir uns nicht angefreundet haben und den wir dadurch abschwächen, dass wir ihm erlauben, seinen Weg mit uns zu gehen.

So können wir zulassen, dass die Wunde zu einem Tor wird. Und der Schmerz der Liebe kann das sein, was heimlich kommt, um uns zu retten. Deshalb ist das aufgebrochene, offene Herz eine spirituelle Chance der tiefsten und reichsten Form. Man muss sich nur mit seinem Schmerz anfreunden, dann wird einem der Weg gezeigt.

Aber die Ignoranz gegenüber der Dunkelheit und die Weigerung, sich im Namen der Heilung und der Ganzheit auf den Kernschmerz einzulassen, verbergen sich oft hinter dem Slogan «Die Ganzheit ist in dir» oder «Alles, was du brauchst, ist in dir». 

Aber man kann diese Ganzheit oder Erleuchtung oder wie immer man es nennen will, nicht allein auf dem Weg der Glückseligkeit erreichen. Wir erhalten unser Körper-Psyche-Herz zurück, indem wir die schwere und herzfüllende Arbeit in unseren Tiefen tun.

Doch wir leben in einer Welt, die uns von diesem Weg abhält: Mit der Mentalität des amerikanischen Traums, dem Vergnügungs- und Glückswahn bis hin zur New-Age-Besessenheit mit ihrer Suche nach dem äusseren Licht haben wir unsere eigene Unterwelt, die mit unserer geliebten Erde korrespondiert (von den religiösen Fanatikern «Hölle» genannt, da sie Angst vor ihrer eigenen Dunkelheit haben und nicht wollen, dass du deine entdeckst), in ernste Gefahr gebracht.

Dies ist unsere Welt. Schauen Sie sich um. Es ist der Abgrund der Klimakrise, an dem wir uns befinden.

Die Welt braucht jetzt besonders unsere dunkle Liebe – unsere gesunde Reue, Scham, Schuld, Tränen, unsere Trauer, unser tiefes Innehalten und Nachdenken ... die Weisheit, Mitgefühl, Leidenschaft, Empathie, Einfachheit, die Kraft zum Verzicht und tiefe, beständige Liebe fördern – die jeder von uns als seine eigene innere Arbeit einsetzen kann.

All dies kommt zu der Güte hinzu, zu der wir bereits Zugang haben, die ich «die Liebe, die wir bereits in der Hand haben» nenne. Die dunkle Arbeit ist «die Liebe, die wir nicht in der Hand haben», die, wenn wir die tiefe Arbeit tun, die Liebe, die wir in der Hand haben, vergrössert.
Yin und Yang.

All dies führt nicht zum Leben des Einsiedlers, des Zurückgezogenen oder des Beziehungsscheuen. Es führt zu demjenigen, der sich leidenschaftlich für die Welt im Allgemeinen engagiert. Jemand, der seine Ganzheit einbringt, damit er in der Beziehung zu anderen ganz werden kann. 
Yin und Yang.

Aber einfaches Licht ist nicht genug. Auch kein halbwegs schwieriges Licht. Wir müssen das tiefe, schwierige Licht im Dunkeln finden. Es besteht darin, unsere verborgenen und versteckten Kernwunden anzunehmen und von ihnen verwandelt zu werden. Dies bedeutet, die Kraft des heiligen Weiblichen, der Grossen Mutter, zu verkörpern. Dann werden wir zu Erde werden, während wir noch leben.