In einem Schreiben an Bundesrat Ignazio Cassis zeigt sich ACAT-Schweiz tief besorgt darüber, dass die Schweiz die gemeinsame Erklärung der Geber zur humanitären Hilfe für Gaza nicht mitunterzeichnet. 24 Aussenminister sowie mehrere hohe Vertreter der EU unterstützen diese Erklärung.
Nach dem Wortlaut der Erklärung gefährdet das neue Konzept Israels für die Verteilung der Hilfe sowohl Nutzniesser als auch Mitarbeitende von Hilfsorganisationen. Es untergräbt die Rolle und die Unabhängigkeit der UNO und ihrer bewährten Partner. Schliesslich ordnet es die humanitäre Hilfe politischen und militärischen Zielen unter.
Inakzeptable Rechtfertigung der Schweiz
Die Rechtfertigung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), wonach die Beschreibung dieses Mechanismus in der Erklärung zu unpräzis sei für eine Unterzeichnung derselben, erachtet ACAT-Schweiz als inakzeptabel.
Die Schweiz als Depositarstaat der Genfer Konventionen kann nicht eine angebliche technische Ungenauigkeit vorbringen, um davon abzusehen, die Grundprinzipien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der humanitären Hilfe zu bekräftigen. Dies umso weniger, als diese Prinzipien vor Ort offensichtlich gefährdet sind. Leben, Sicherheit und Würde der ganzen Bevölkerung Gazas sind ernsthaft und direkt gefährdet, wenn humanitäre Hilfslieferungen zu politischen und militärischen Zwecken instrumentalisiert werden.
Hilfe soll direkt vor Ort ankommen
ACAT-Schweiz begrüsst zwar den neulichen Beschluss des Bundesrats, einen Kredit von 20 Millionen Franken für die humanitäre Hilfe für Palästinenser freizugeben. Sie bedauert jedoch, dass die für die UNRWA bestimmten 10 Millionen nur palästinensischen Flüchtlingen ausserhalb der besetzten Gebiete zugutekommen und nicht der in Gaza verbliebenen Bevölkerung. Es ist unerlässlich, dass die humanitäre Hilfe in erster Linie den Menschen vor Ort zugutekommt, wo sie am dringendsten erwartet wird.
Die Schweiz gefährdet ihre Glaubwürdigkeit
Angesichts dieser beispiellosen humanitären Krise muss mit grösster Entschlossenheit von Israel verlangt werden, dass es das humanitäre Völkerrecht strikt einhält. Die Schweiz kann sich in diesem Zusammenhang nicht von den Unterzeichnerstaaten der gemeinsamen Erklärung distanzieren, ohne ihre Glaubwürdigkeit und ihre traditionelle Rolle als Fördererin des Völkerrechts zu gefährden.
ACAT-Schweiz ersucht den Bundesrat:
- unverzüglich die gemeinsame Erklärung der Geber zu unterzeichnen, um so unmissverständlich die Behinderung der humanitären Hilfe nach Gaza anzuprangern;
- alle im Gazastreifen begangenen Kriegsverbrechen klar zu verurteilen, unabhängig davon, wer dafür verantwortlich ist;
- das Engagement der Schweiz für die unverzügliche und bedingungslose Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu intensivieren;
- die Finanzierung der internationalen humanitären Hilfe in Gaza beizubehalten und zu verstärken.
ACAT-Schweiz:
Die Organisation ACAT-Schweiz (Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter) setzt sich ein für eine Welt frei von Folter und Todesstrafe. Im Fokus steht die Würde aller Menschen, unabhängig von Eigenheiten wie Ideologie, Religion, Ethnie, … Die ACAT-Bewegung ist in 30 Ländern präsent und über die Dachorganisation FIACAT bei Gremien wie der UNO, der Afrikanischen Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker und dem Europarat vertreten.
Quelle: Medienmitteilung von ACAT vom 26.5.2025
Brief an Bundesrat Ignazio Cassis vom 23. Mai 2025:
Sehr geehrter Herr Bundesrat
ACAT-Schweiz (Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter), eine Schweizer Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Bern, drückt ihre tiefe Besorgnis darüber aus, dass die Schweiz entschieden hat, die gemeinsame Erklärung der Geber zur humanitären Hilfe für Gaza nicht mitzuunterzeichnen. Aktuell unterstützen 24 Aussenminister sowie mehrere hohe Vertreter der Europäischen Union diese Erklärung.
Nach dem Wortlaut dieser Erklärung gefährdet das neue Konzept Israels für die Verteilung der Hilfe sowohl Nutzniesser:innen als auch Mitarbeitende von Hilfsorganisationen. Es untergräbt die Rolle und die Unabhängigkeit der Vereinten Nationen und ihrer bewährten Partner. Schliesslich ordnet es die humanitäre Hilfe politischen und militärischen Zielen unter.
Die Rechtfertigung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, wonach die Beschreibung dieses Mechanismus in der Erklärung zu unpräzis sei für eine Unterzeichnung derselben, erachtet ACAT-Schweiz als inakzeptabel.
Die Schweiz als Depositarstaat der Genfer Konventionen kann nicht eine angebliche technische Ungenauigkeit vorbringen, um davon abzusehen, die Grundprinzipien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der humanitären Hilfe zu bekräftigen. Dies umso weniger, als diese Prinzipien vor Ort offensichtlich gefährdet sind. Leben, Sicherheit und Würde der ganzen Bevölkerung Gazas sind ernsthaft und direkt gefährdet, wenn humanitäre Hilfslieferungen zu politischen und militärischen Zwecken instrumentalisiert werden.
Über 50 000 Menschen im Gazastreifen sind infolge der Bombardierungen, der Blockade und der Bodeninvasion bereits ums Leben gekommen. Die 2.1 Millionen Bewohner:innen des Gazastreifens haben seit über zwei Monaten keine humanitäre Hilfe erhalten, weshalb ihre Ernährungssicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Besonders alarmierend ist die Lage für die rund 930 000 Kinder: mindestens 71 000 von ihnen brauchen dringend Hilfe.
Ausserdem wird mit zunehmender Dauer des Konflikts eine dauerhafte Besetzung des Gebiets und eine Zwangsumsiedlung der Bevölkerung immer wahrscheinlicher. Mehrere Mitglieder der israelischen Regierung haben sich bereits offen dafür ausgesprochen.
Wir begrüssen zwar den neulichen Beschluss des Bundesrats, einen Kredit von 20 Millionen Franken für die humanitäre Hilfe für Palästinenser freizugeben. Wir bedauern jedoch, dass die für die UNRWA bestimmten 10 Millionen nur palästinensischen Flüchtlingen ausserhalb der besetzten Gebiete zugute kommen und nicht der in Gaza verbliebenen Bevölkerung. Es ist unerlässlich, dass die humanitäre Hilfe in erster Linie den Menschen vor Ort zugutekommt, wo sie am dringendsten erwartet wird.
Angesichts dieser beispiellosen humanitären Krise muss mit grösster Entschlossenheit von Israel verlangt werden, dass es das humanitäre Völkerrecht strikt einhält. Die Schweiz kann sich in diesem Zusammenhang nicht von den Unterzeichnerstaaten der gemeinsamen Erklärung distanzieren, ohne ihre Glaubwürdigkeit und ihre traditionelle Rolle als Fördererin des Völkerrechts zu gefährden.
Wir ersuchen den Bundesrat deshalb höflich:
• unverzüglich die gemeinsame Erklärung der Geber zu unterzeichnen, um so unmissverständlich die Behinderung der humanitären Hilfe nach Gaza anzuprangern;
• alle im Gazastreifen begangenen Kriegsverbrechen klar zu verurteilen, unabhängig davon, wer dafür verantwortlich ist;
• das Engagement der Schweiz für die unverzügliche und bedingungslose Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu intensivieren;
• die Finanzierung der internationalen humanitären Hilfe in Gaza beizubehalten und zu verstärken.
Mit freundlichen Grüssen
ACAT-Schweiz
Sylvain Fattebert, Präsident
Bettina Ryser Ndeye, Generalsekretärin