Medien und Verschwörungstheorien: «Im chronischen Alleinbesitz der absoluten Wahrheit»
Die Kritik an den Corona-Maßnahmen, aber auch die Demonstrationen für Grundrechte, alarmieren Medienvertreter. Der „elder Statesman der Verschwörungstheorie“, Mathias Bröckers, beobachtet das Treiben. Er erklärt, warum die „Kirchen der Angst“ derzeit so regen Zulauf haben, und verweist darauf, dass Leitmedien längst nicht allen Verschwörungstheorien abgeneigt sind.
Herr Bröckers, man kann Sie als alten Schlachtenbummler bezeichnen, wenn es um das Thema Verschwörungstheorien geht. Spätestens seit Ihren Büchern zum 11. September haben Sie den Kampf zwischen den großen Medien und alternativen Formaten sozusagen live und in Farbe erlebt und selbst mitgestaltet. In einem aktuellen Blogbeitrag von Ihnen bezeichnen Sie sich selbst als „Konspirologen“ und „elder Statesman der Verschwörungstheorie“. Hilft Ironie bei der aktuellen Diskussion rund um Verschwörungstheorien und Verschwörungstheoretiker?
Ohne Humor und Ironie ist das doch gar nicht auszuhalten und ich wäre längst schon schwer depressiv, weil ich mich schon über 25 Jahre mit diesem Thema beschäftige. Und von daher nur zu gut weiß, dass es eben nicht nur verrückte und haltlose Verschwörungstheorien gibt, sondern auch sehr vernünftige und gut belegbare – und natürlich viele, die sich als wahr und richtig erwiesen haben. Umgekehrt gibt es auch viele offiziell verkündete Wahrheiten, die sich als haltlose und gefährliche Verschwörungstheorie herausgestellt haben, zum Beispiel die Massenvernichtungswaffen des Irak, mit der ein Krieg mit einer Million Toten angezettelt wurde. Oder nehmen wir die Tatsache, dass der US-Geheimdienst NSA jedes Handy bis hin zu dem der Bundeskanzlerin abhört – wer das vor den Enthüllungen von Edward Snowden behauptet hätte, wäre sofort als durchgeknallter, paranoider, anti-amerikanischer Verschwörungstheoretiker abqualifiziert worden.
Was heute noch offizielle Wahrheit ist, kann sich morgen als Verschwörungstheorie herausstellen – und umgekehrt. Um den nur noch als Denunziations- und Diffamierungsvokabel verwendeten Begriff zu retten, hatte ich schon in meinem ersten Buch über 9/11 („Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11. September“, Verlag Zweitausendeins, 2002) vorgeschlagen, künftig von „Konspirologie“ zu sprechen und die Bildung von Hypothesen über mögliche Verschwörungen als wissenschaftlich legitimes, heuristisches Verfahren zu betrachten. Derzeit ist dieser Begriff aber nach wie vor ausschließlich als Diskurskeule im Einsatz, um unerwünschte Meinungen oder Berichte abzuqualifizieren.
Derzeit wettern Vertreter von Leitmedien verstärkt gegen Verschwörungstheorien. Auf Spiegel Online waren vor kurzem die folgenden Zeilen zu lesen: „Man will in die wirre Gedankenwelt mancher Demonstranten gar nicht allzu tief eindringen. Leider haben viele, die auf den Straßen und im Netz gerade die große Verschwörung beschwören, chronisch einen an der Waffel. Für manche Demonstranten hält die Psychiatrie effektivere Hilfen bereit als die Politik.“ Wie nehmen Sie diese Aussagen auf?
In die erleuchtete Gedankenwelt von Journalisten, die so etwas schreiben, möchte man gern ein wenig tiefer eindringen. Zum Glück sind viele, die in Zeitungen und Fernsehen beschwören, dass alles in bester Ordnung ist, im chronischen Alleinbesitz der absoluten Wahrheit.
Wie erklären Sie sich einen derartigen „Journalismus“?
Das geisterhafte Erscheinen eines unsichtbaren Virus hat einen Glaubens- und Religionskrieg entfacht. Was kein Wunder ist, denn bis vor ein paar Monaten war dieses Wesen völlig unbekannt, es gab kein Wissen über seine Verbreitung, keine Fakten über seine Wirkung, seine Gefährlichkeit. Es herrscht also große Unsicherheit, großes Unwissen und das führt fast zwangsläufig zu Angst – jeder will wissen, was ihn erwartet und was er oder sie möglicherweise zu befürchten hat. Wirklich Bescheid weiß keiner, denn dieses Wesen ist neuartig und nicht unter Kontrolle, es ist ja nicht einmal klar, ob es ganz natürlich entstanden ist oder eine Chimäre, an der gentechnisch herumgeschraubt wurde. So viel Unsicherheit und Unwissen ist schwer auszuhalten. Deshalb haben die „Kirchen der Angst“ zurzeit mehr Gläubige versammelt als je zuvor, und zwar in beiden „Konfessionen“: Angst vor einer Massenvernichtungs-Pandemie auf der einen Seite und Angst vor einer Massenüberwachungs-Diktatur auf der anderen. Und in beiden Kirchen orgeln Panik-Orchester ihre allein seligmachende Wahrheit, den wahren Glauben. Das funktioniert bekanntlich nur, wenn man den Glauben der anderen als gefährlichen Irrglauben denunziert.
Warum haben so manche Vertreter großer Medien eine Aversion gegen Verschwörungstheorien?
Aversionen herrschen dort keineswegs gegen alle Verschwörungstheorien. Die offiziell erwünschten werden ja in epischer Breite und auf allen Kanälen verkündet. Von den 19 Teppichmessern als 9/11-Alleintätern über die Massenvernichtungswaffen des Irak bis „Russiagate“. Mit haltlosen, unbewiesenen und sehr gefährlichen Verschwörungstheorien haben die Leitmedien also kein grundsätzliches Problem. Wenn der Krieg dann gelaufen ist und eine Million Menschen das Leben gekostet hat, entschuldigt sich die „New York Times“ für das „Versehen“, Aluminiumrohre und nicht Saddams Massenvernichtungswaffen auf die Titelseite gehievt zu haben. Und weiter geht’s als „paper of the record“ und „große alte Dame“ des Pressewesens – irgendwie zur Rechenschaft gezogen wird diese Art von „Journalismus“ nicht. Ich habe die VertreterInnen des lügenden Gewerbes manchmal als “Pre$$titutes” beschimpft, was aber eigentlich noch eine Verharmlosung ist , da die KollegInnen aus dem liegenden Gewerbe niemals solche Schäden anrichten wie diese Verbreiter offizieller Verschwörungstheorien.
Es gibt durchaus eine berechtigte Kritik an Verschwörungstheorien und verschwörungstheoretischem Denken. Aber ist die pauschale Kritik, wie sie immer wieder in den Leitmedien zu finden ist, angebracht?
Als Diffamierungswaffe im Rahmen der psychologischen Kriegsführung wurde der Begriff ja 1967 von der CIA scharfgemacht, die ihren Medienpartnern damals empfahl, mit dieser Keule gegen die Kritik an den Ermittlungen zum Attentat auf John F. Kennedy und der These vom Einzeltäter Lee Harvey Oswald vorzugehen. Seitdem feiert er immer dann fröhliche Urstände, wenn es darum geht, unpassende Meinungen und Behauptungen zu diskreditieren. „Wir müssen die Wahrheit über den Terror aussprechen. Lasst uns niemals frevelhafte Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit den Anschlägen des 11. September tolerieren, boshafte Lügen, die bezwecken, die Schuld von den Terroristen selbst abzulenken, weg von den Schuldigen“, hatte George W. Bush vor der UN-Vollversammlung gepredigt und der Gemeinde die Wahl gelassen: „Mit uns oder mit den Terroristen.“ Seitdem gibt es also kein Vertun mehr, 9/11 ist der Lackmus-Test für den wahren Glauben. Hier müsste Kritik an Verschwörungstheorien ansetzen, denn die Anschläge sind bis heute nicht wirklich aufgeklärt, die Ursachen für den Einsturz der Türme nicht ordentlich ermittelt – doch jeder Zweifel, wie zum Beispiel zwei Flugzeuge drei Wolkenkratzer pulverisieren können, gilt als ketzerischer Irrglaube und gefährliche Verrücktheit.
So ähnlich läuft es jetzt mit Corona und der Pandemie: Zweifel sind nicht zugelassen, selbst wenn es gute Gründe dafür gibt, weil das Wissen über das Virus eben unsicher ist. Dass sich die Politik in dieser Lage weltweit auf den „worst case“ eingestellt und Lockdown verordnet hat, ist richtig und nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar und falsch ist, jede Kritik an den in unsicherer Lage getroffenen Maßnahmen und den extremen Rechtseinschränkungen als Verschwörungstheorie zu denunzieren. Da kommt es dann dazu, dass die solide Recherche und seriöse Berichterstattung von heute schon morgen als gefährliche Verschwörungsideologie gilt. So erfüllt es jetzt schon den Tatbestand der Blasphemie, wenn man darauf hinweist, dass noch vor kurzem in der “Zeit” , der ARD und anderswo ausführlich begründet wurde, warum man Bill Gates nicht die Kontrolle der Weltgesundheitsorganisation und Milliardären nicht die globale Agenda überlassen dürfe. Weil solche Hinweise aber mittlerweile als irre “Corona-Mythen” gelten, hat der SWR seiner Doku von 2017 mit dem Titel: “WHO am Bettelstab – Wo’s lang geht, bestimmt Bill Gates” – dann auch schnell noch ein Link vorangestellt zu einem neuen Beitrag, aus dem wir erfahren, dass Onkel Bill natürlich schwer in Ordnung ist.
Wie gehen Leitmedien vor, wenn sie gegen Verschwörungstheorien zu Felde ziehen? Welche Beobachtungen haben Sie gemacht? Gibt es bestimmte Strategien?
Es geht eigentlich immer nach demselben Rezept: man vermenge die rationalen Argumente der Kritiker mit möglichst irrationalen, unappetitlichen Zutaten. Dass in Deutschland dann unweigerlich auch der Diskurshammer schlechthin (Holocaust/Antisemitismus) zum Einsatz kommt, hatte schon der verstorbene Kollege Wiglaf Droste als politische Debattenregel Nr. 1 erkannt: „Wer zuerst Auschwitz sagt, hat gewonnen!“ Wenn dann bei einer Million Demonstranten gegen das transatlantische TTIP-Abkommen ein paar hundert Nazis mitlaufen, wird in „Spiegel“ und „Panorama“ vor einer gefährlichen „Querfront“ gewarnt. Dasselbe auch bei den Friedens-Mahnwachen und jetzt bei den Corona-Demos. Die Stigmatisierung läuft da nicht über Argumente, sondern über Kontaktschuld.
Wie nehmen Sie als Journalist dieses Medienverhalten wahr?
Nicht zufällig fühlen sich im Moment ja viele Ex-Ossis an DDR-Verhältnisse erinnert, was angesichts der „coronistischen“ Einheitsparteien im Bundestag und dem völligen Gleichschritt der Großmedien auch kein Wunder ist. Und in der logischen Folge zu einem großen Zulauf bei den alternativen Medien führt, was wiederum die Großmedien zu einem um so heftigeren Bashing dieser Konkurrenz provoziert. Mit einer Kultur der Debatte und demokratischer Öffentlichkeit hat das nicht mehr viel zu tun und schon gar nicht mit einer rationalen Diskussion darüber, ob etwa Bill Gates’ Vision eines RNA-Impfstoffs, der in das menschliche Genom eingeschleust wird, eine segensreiche Idee ist oder ein gefährliches Geschäftsmodell, den Menschen gegen Viren so resistent zu machen wie den gen-manipulierten Mais gegen die „round-up“-Pestizide von Monsanto. Kritik an solchen Ideen einfach unter „irre Verschwörungsmythen“ abzubuchen, ist verantwortungslos, aber genau das wird im Medienmainstream getan
In einer aktuellen Umfrage heißt es, 20 Prozent der Wahlberechtigten haben Zweifel am Wahrheitsgehalt der Corona-Berichterstattung in den Medien. Was sagt Ihnen diese Zahl?
Eine Zustimmung von 80% ist ein sehr gutes Ergebnis für die Konsens-Fabriken und ich verstehe nicht, warum das mit dem Geschrei um die Großgefahr durch Verschwörungstheorien noch auf 99,5 % geknüppelt werden muss. Was den Wahrheitsgehalt der Aussagen über „SARS-Cov-2“ angeht, kann der ja gar nicht 100-prozentig sein, weil über das Virus und den Verlauf der Krankheit einfach noch zu wenig bekannt ist. Die Regierungen mussten in dieser Lage, auf Basis einer Gleichung mit vielen Unbekannten Entscheidungen treffen. Die gingen weltweit in die Richtung eines mehr oder weniger strengen Lockdowns und können mehr oder weniger fehlerhaft gewesen sein – was sich aber genauer erst ex post, im Nachhinein, wird feststellen lassen können. Wer überzeugt ist, dass Regierungen immer lügen, wird den Wahrheitsgehalt dieser Ergebnisse auch dann noch geringschätzen, aber mit solchen Zweiflern und Skeptikern muss man leben können. Auch wenn es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass Trump, Putin, Xi , Merkel, Macron & Co. im Verborgenen alle unter einer Decke stecken und einer gemeinsamen Agenda folgen, die ihnen von Big Pharma eingeflüstert wird – 100-prozentig ausschließen kann man selbst eine solche Großverschwörung nicht. Genauso wenig sollten aber auch die Lockdown-Kritiker ausschließen, dass ihre Regierungen möglicherweise nicht richtig gehandelt und viele Infektionen und Todesfälle verhindert haben. Die Inbrunst beim Verbreiten von Panik und der Hoffnung auf die Wunderwaffe Impfstoff ist genauso „covidiotisch“ wie die 100-prozentige Überzeugung, dass mal wieder alles Lüge, Fake und Faschismus ist.
Wolfgang Schäuble hatte auch ein paar Worte zu den Demonstrationen zu sagen: “Um sich vor Beifall aus der falschen Ecke zu schützen und um nicht irgendwelchen Verschwörungs-Spinnern auf den Leim zu gehen, empfehle ich, genau zu prüfen und zu überlegen: Ist das Umfeld, in dem ich demonstriere, das richtige?” Wenn es um Verschwörungstheorien geht, sind sich Politik und Medien ziemlich einig, oder?
Wenn man bei Demos nach den Empfehlungen und dem geschmacklich kompatiblen Umfeld von Herrn Schäuble ginge, müsste man immer brav zu Hause bleiben. Das sehen aber selbst schwäbische Haufrauen durchaus anders – in Stuttgart war ja eine der größten Demos. Dass dort wie eigentlich bei jeder Demo auch einige Verrückte und Extremisten dabei sind, ist unvermeidlich. Wenn aber wie bei der Demo in Leipzig die verrücktesten Parolen von der selbsternannten „Antifa“ präsentiert werden und diese dann die einzigen sind, die in den ARD-Nachrichten auftauchen, kann man sich schon fragen, ob hier nicht ein verrücktes „Umfeld“ inszeniert wird, mit dem die demonstrierenden „Normalos“ gar nichts zu tun haben. Dann noch einen fundamentalistischen Impfgegner vor die Kamera, der eine Suada gegen Big Pharma und die neue Weltregierung ablässt und fertig ist der Bericht von der „Verschwörungs-Spinner“-Demo. So läuft das und da, es marschieren Politik und Medien völlig im Gleichschritt – dem Tabu „Verschwörungstheorie“ sei dank kann jede Form der Kritik ausgeblendet und ausgeschaltet werden. Regierenden und Machthabern jeder Couleur erleichtert eine solche Verengung des Meinungskorridors seit jeher die Arbeit. Wer an demokratischen Verhältnissen interessiert ist, sollte sich von dem Dumm-Wort Verschwörungstheorie nicht irre machen lassen.
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