Mein Pflanzenfreund
Vom ersten Moment an hat er mich betört. Da war er noch einer von vielen plastikumhüllten Pflänzchen im Supermarkt. Nicht sein Bio-Label war es, sondern der verlockende Duft, der mir paradiesischen Pesto versprach und mich zugreifen liess.
Ab auf die Terrasse mit dem Grünling! Hier sollte mein Basilikum die Frühlingssonne geniessen und befreit aus dem Konsumtempel üppig gedeihen. Doch das zarte Pflänzchen mochte den launischen Frühjahrstemperaturen nicht zu trotzen – die kalten Nächte versetzten es in Schockstarre. In braunen Lappen hing sein Blätterkleid vom Stängel und die unbedarfte Pflanzenliebhaberin erfuhr bestürzt, dass Basilikum unter 10 Grad den Geist aufgibt. Notfall! Der elend Zugerichtete wurde in die gute Stube übersiedelt und mit tröstenden Worten überschüttet. Konstante Wärme und meine ganze Zuneigung versprach ich ihm – nichtsdestotrotz sah ich ihn alle Blätter abwerfen. Ein einziges grünes Stängelchen nur verblieb als letzter Hoffnungsschimmer.
«Wenn du es schaffst, werde ich niemals nur ein Blättchen von dir verspeisen, versprochen!» beschwor ich ihn. Er sagte nichts – natürlich. Währenddessen bekam er den schönsten Platz am Küchenfenster, täglich aufmunternde Worte und tropfenweise abgekochtes Wasser. Vorerst liess er alles fallen und hängen, fast hätte ich ihn aufgegeben – doch dann begann er sich zart zu regen, winzige Blättchen sprossen hervor. Eifrig erklärte ich auch diesen, das Wort «Pesto» sei bei mir gestrichen und – grosses Basilikum-Ehrenwort – niemals würden sie in meinem Schlund verschwinden. Ein wenig reute es mich schon, denn die Blättchen dufteten bezaubernd. Der kleine Kerl entschloss sich also zu gedeihen, kletterte im Licht der erstarkenden Sonne die warme Fensterfront empor, schmückte sich mit weissen Blütchen und bewucherte grossblättrig die anderen Topfpflanzen. Wenn ich in der Küche hantiere, badet er mich in seinem Duft, leistet mir stille grüngewandete Gesellschaft.
Das Versprechen habe ich bis heute, ein Jahr ist es her, gehalten. Nur meine Tochter klaut ab und zu ein Blättchen – schelmisch versichernd, er habe es ihr erlaubt. Als er im letzten Herbst Samen bildete, erwartete ich seinen Abschied. Doch davon wollte er nichts wissen. Er grünt und blüht an der Fensterfront, bereits klettern neue Sprosse empor und raunen erwartungsvoll: «Alle Jahre wieder ...» «Lassen wir`s gelten!», sage ich und streiche «Spaghetti al pesto» unwiderruflich vom Speisezettel.
Mehr zum Thema im Schwerpunktheft «Haus- und Gartengemeinschaften», Zeitpunkt 131.
Ab auf die Terrasse mit dem Grünling! Hier sollte mein Basilikum die Frühlingssonne geniessen und befreit aus dem Konsumtempel üppig gedeihen. Doch das zarte Pflänzchen mochte den launischen Frühjahrstemperaturen nicht zu trotzen – die kalten Nächte versetzten es in Schockstarre. In braunen Lappen hing sein Blätterkleid vom Stängel und die unbedarfte Pflanzenliebhaberin erfuhr bestürzt, dass Basilikum unter 10 Grad den Geist aufgibt. Notfall! Der elend Zugerichtete wurde in die gute Stube übersiedelt und mit tröstenden Worten überschüttet. Konstante Wärme und meine ganze Zuneigung versprach ich ihm – nichtsdestotrotz sah ich ihn alle Blätter abwerfen. Ein einziges grünes Stängelchen nur verblieb als letzter Hoffnungsschimmer.
«Wenn du es schaffst, werde ich niemals nur ein Blättchen von dir verspeisen, versprochen!» beschwor ich ihn. Er sagte nichts – natürlich. Währenddessen bekam er den schönsten Platz am Küchenfenster, täglich aufmunternde Worte und tropfenweise abgekochtes Wasser. Vorerst liess er alles fallen und hängen, fast hätte ich ihn aufgegeben – doch dann begann er sich zart zu regen, winzige Blättchen sprossen hervor. Eifrig erklärte ich auch diesen, das Wort «Pesto» sei bei mir gestrichen und – grosses Basilikum-Ehrenwort – niemals würden sie in meinem Schlund verschwinden. Ein wenig reute es mich schon, denn die Blättchen dufteten bezaubernd. Der kleine Kerl entschloss sich also zu gedeihen, kletterte im Licht der erstarkenden Sonne die warme Fensterfront empor, schmückte sich mit weissen Blütchen und bewucherte grossblättrig die anderen Topfpflanzen. Wenn ich in der Küche hantiere, badet er mich in seinem Duft, leistet mir stille grüngewandete Gesellschaft.
Das Versprechen habe ich bis heute, ein Jahr ist es her, gehalten. Nur meine Tochter klaut ab und zu ein Blättchen – schelmisch versichernd, er habe es ihr erlaubt. Als er im letzten Herbst Samen bildete, erwartete ich seinen Abschied. Doch davon wollte er nichts wissen. Er grünt und blüht an der Fensterfront, bereits klettern neue Sprosse empor und raunen erwartungsvoll: «Alle Jahre wieder ...» «Lassen wir`s gelten!», sage ich und streiche «Spaghetti al pesto» unwiderruflich vom Speisezettel.
Mehr zum Thema im Schwerpunktheft «Haus- und Gartengemeinschaften», Zeitpunkt 131.
15. April 2014
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