Die Bedrohung kommt nicht von außen, sondern aus den eigenen Reihen – und das Schlimmste daran: Es ist mittlerweile allen klar geworden, wie gefährlich die Situation tatsächlich ist.
Trumps Faszination für autoritäre Führer und seine unorthodoxe Außenpolitik stehen im scharfen Gegensatz zu den liberalen Werten, auf denen die Nato seit Jahrzehnten basiert. Unter Trumps Einfluss wird diese Wertegemeinschaft zunehmend auf die Probe gestellt. Trump will wie einst Nixon Russland aus den Fängen Chinas lösen
Ein historischer Vergleich drängt sich auf: 1971-1972 öffnete sich US-Präsident Nixon China, um das Land aus den Fängen der Sowjetunion zu befreien. Heute versucht Trump, Russland aus den Fängen Chinas zu lösen – ein gefährliches Spiel, das die Alliierten zunehmend besorgt. Auch damals wurde diese geopolitische Neuorientierung von den europäischen Partnern mit Misstrauen betrachtet. …
Trump handelt willkürlich und unvorbereitet. Anders als Nixon ist sein geopolitisches Vorgehen nicht auf einer fundierten Analyse von internationalen Konflikten aufgebaut. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Russland und China in der Lage oder bereit sind, sich zu entzweien. Diese Realitäten erkennen auch europäische Politiker und sind entsprechend besorgt, dass Trump auf seiner Linie beharrt.
Die Vereinigten Staaten unter Trump haben sich zunehmend aus den gemeinsamen Interessen des Westens zurückgezogen. Während Europa mit dem Wiederaufbau seiner Verteidigungsfähigkeiten und einer stabilen politischen Führung kämpft, hat der alte Kontinent in der Ukraine-Krise und in der Konfrontation mit Russland viel zu wenig getan, um Trump in seine Schranken zu weisen. Die europäische Reaktion auf die russische Annexion der Krim im Jahr 2014 war verhalten – ein Zeichen für das mangelnde strategische Geschick der EU und ihrer Mitglieder in der Zeit vor der Ukraine-Krise.
Die Nato von heute ist nicht mehr die dynamische, vereinte Allianz, die sie einst war. Sie könnte zu einem Schatten ihrer selbst werden – ein minimalistisches Bündnis, das auf äußerst dünnen gemeinsamen Interessen basiert. Die Möglichkeit eines katastrophalen Scheiterns der Nato ist daher keineswegs ausgeschlossen.
Soll die Nato überleben, sind starke politische Entscheidungen und transatlantische Diplomatie erforderlich.
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