Drei Fragen an Rolf Brügger
Musiker, Komiker, Regisseur und Schauspieler ist er, der ehemalige Dimitri-Theaterschüler. Jetzt aber, mit den dunkleren Herbsttagen, sind wegen Corona auch die düsteren Momente in seiner Künstleragenda wieder da. Was soviel heisst wie: praktisch alle Aufträge annulliert. Der 53-Jährige sucht Wege aus der Krise.
Zeitpunkt: Beginnen wir mal andersrum, können Sie der Situation etwas Gutes abgewinnen, seit Corona wieder voll und ganz da ist – inklusive Kultur-Lockdown?
Rolf Brügger: In der Schauspielerei ist ja seit jeher immer alles projektbezogen. In der jetzigen Situation bin ich aber noch viel mehr gefordert als sonst. Ich muss noch erfindungsreicher, noch kreativer, noch flexibler sein. Das finde ich positiv. Denn das Leben ist immer in Bewegung, ebenso die Gesellschaft und mein Beruf. Ich kann mich dieser Tatsache entziehen oder die Herausforderung annehmen und schauen, was da alles möglich ist. Aber klar, alles, was zurzeit für mich möglich ist, ist nicht lohnrelevant. Ausser dass ich anfangen würde, Hörspiele zu produzieren (lacht).
Eine andere positive Erkenntnis dieser Zeit ist, zu merken, wie wenig ich eigentlich brauche, um zufrieden zu sein. Ich muss nicht jeden Abend ins Restaurant essen oder viel auf Reisen gehen. Solange ich raus in die Natur kann, geht es mir gut. Drei Sachen sind mit Corona weggefallen: Selbstbestimmung, soziale Kontakte und Selbstverwirklichung. Es bleibt uns also nur noch eines: uns selbst gerne zu haben.
Wie ist es Ihnen in den letzten Tagen ergangen? Seit erst der Kanton Bern, dann kurz darauf der Bundesrat Restriktionen bekannt gaben?
Mein Beruf ist an die Wand gefahren worden. Bis auf Weiteres. Denn das Ganze lässt sich danach nicht einfach so von einem Tag auf den anderen wieder hochfahren. Das sind längere Prozesse: Man plant, beantragt Gelder, probt, bereitet vor, tritt schliesslich auf. Seit die neuen Corona-Massnahmen mitgeteilt wurden, erhalte ich täglich drei Absagen. E-Mails mit Sätzen wie ‹Sie müssen ja nicht davon leben› oder ‹Tut uns leid, wir haben den Coronavirus ja auch nicht erfunden›. Kein Vertrag ist mit der Pandemie noch rechtsgültig. Wir haben Arbeitsverbot, bekommen aber kein Geld. Bald werden zahlreiche Menschen auf die Sozialämter gehen. Das wird den Schweizer Staat teurer kommen, als wenn er einen Grundlohn geben würde. Ich auf jeden Fall habe die Petition für ein sofortiges Grundeinkommen von 4000 Franken für selbstständige Künstler und Kulturschaffende bis Ende 2021 bereits unterschrieben.
Wie überleben Sie zurzeit? Auch im Hinblick auf die Notwendigkeit des künstlerischen Ausdrückens?
Von meinem Ersparten, von staatlichen Hilfen und dem, was mir meine Familie und Freunde als Unterstützung geben. Ausserdem verkaufe ich Sachen von mir, elektrische Geräte, Musikinstrumente, Kostüme, Requisiten, Scheinwerfer etc. Auch verrichte ich kleine handwerkliche Arbeiten, hier und dort. In anderen Worten, ich muss improvisieren. Ich suche nun vorübergehend eine feste Anstellung. Und dies nach 18 Jahren gut laufender Selbstständigkeit!
Mich künstlerisch auszudrücken, heisst für mich, gesellschaftskritisch und visionär zu sein. Das könnte ich im Moment im öffentlichen Raum tun. Aber ich verzichte darauf, weil ich die Angst der Menschen ernst nehme. Mit meinen Darbietungen würde ich wohl einigen zu nahe treten, sie könnten zu sehr polarisieren. Was hinzu kommt: Mir hängen die Corona-Debatten allmählich ohnehin zum Hals raus. Die Fragen hingegen, die ich mir stelle, sind: Wieso fallen Kulturschaffende durch die Maschen? Sowie: Woran sterben wir Menschen eigentlich genau? An den Medikamenten gegen Covid-19, an Einsamkeit, an Suizid, an nicht gelebter Menschlichkeit? Oder an Corona? Mein Künstlerdasein werde ich als Musiker oder Theaterschaffender vorerst in alternativen oder privaten Anlässen unter freiem Himmel ausleben.
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