Heute anders #2: Zugbekanntschaften schliessen
Zeitpunkt-Leserin Isabel Maurer erzählt, wie sie aus dem mentalen Pandemie-Hamsterrad ausbricht: mit spontanen Gesprächen im Zug, die sie mitunter sogar ihren Ärger übers Bundesamt für Gesundheit vergessen lassen.
Ich denke, man hat immer die Wahl, worauf man seinen Blick richten will. Wenn ich eine veränderte Welt will, dann fange ich bei mir an. Ich habe früher schon immer wieder bewusst «Anderes» in meinen Alltag eingebaut. Aber in den letzten eineinhalb Jahren ist meine Aufmerksamkeit noch mehr geschärft worden.
Was sich verändert hat: Ich spreche mit mehr Leuten, die ich nicht kenne. Zum Beispiel am Bahnhof, im Zug oder auf der Strasse. Ich eröffne das Gespräch, spreche einfach jemanden an. Es sind manchmal nur kurze Begegnungen, ein Gruss, ein Lächeln oder Wünsche für einen schönen Tag, und die Wege gehen wieder auseinander. Manchmal entstehen auch neue «Zugbekanntschaften». Ich lege dann mein Buch zur Seite und fühle mich bereichert durch die Begegnungen. Das Buch kann warten.
Vor ein paar Tagen regte ich mich auf dem Weg zum Bahnhof wieder einmal furchtbar darüber auf, dass die Parlamentarierinnen und Parlamentarier offenbar keine Masken mehr tragen in der Session, wir aber im Büro und in Gesprächen dazu verpflichtet sind, trotz Plexiglasscheiben und Abstand. So dachte ich, ich schreibe gleich ans Bundesamt für Gesundheit und an die National- und Ständerätinnen, man möge mir doch bitte diese Ungerechtigkeit erklären! Trotz meiner Erfahrung, dass dies nichts bringt und ich wohl – wenn überhaupt – irgend eine fadenscheinige Begründung erhalten würde, die mich dann wieder ärgert.
Doch dann erinnerte ich mich an die Mail vom Zeitpunkt und den Aufruf, «heute» etwas anders zu machen. Ich sass alleine im Speisewagen, genoss den Kaffee und kam in ein erfrischendes, fröhliches Gespräch mit dem Servicefachmann. Wie schön! Meine Stimmung hob sich, und als meine Station kam, wünschten wir uns einen schönen Tag. Ich bedankte mich für seine Aufmerksamkeit und stieg beschwingt aus, er blieb mit einem breiten Lächeln zurück. Wie schön, dachte ich, so zur Arbeit zu fahren.
So habe ich nun also eine Mail an den Zeitpunkt geschrieben statt ans Bundesamt für Gesundheit und ans Parlament. Mir geht es damit besser und ich freue mich, dass es den Zeitpunkt gibt. Danke für den Hinweis, und ich wünsche allen einen zauberhaft-fröhlich-beschwingten Tag mit vielen Geschichten, die heute den Unterschied machen.
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