Drei Grundsätze für den vertrauensvollen Umgang im Netz
Ein unbedachter Klick auf einen infizierten E-Mail-Anhang, und Ihre Festplatte wird verschlüsselt. Einige Besuche in Online-Shops, und Ihre Nutzerdaten werden für gutes Geld weiterverkauft. Im Netz lauern viele Gefahren und Akteure mit unlauteren Absichten.
Dass wir uns daran stören, ist ein gutes Zeichen. Denn es zeigt, dass uns die Gewöhnung an sichere Umgebungen etwas bedeutet. Die digitale Transformation konfrontiert uns aber verstärkt mit einem überwunden geglaubten Zustand permanenter Ausgesetztheit.
In der schweizerischen «High Trust Society», einer auf hohem generellen Vertrauen basierenden Gesellschaft, hat dies besondere Konsequenzen. Im Umgang mit Mitmenschen gehen wir normalerweise davon aus, dass uns das Gegenüber nicht bestiehlt, betrügt oder erpresst. Diese Grundannahme ist gut, sie macht nicht nur das Geschäften einfach, sondern auch das Leben angenehm. Doch global gesehen ist es eher die Ausnahme, dass Hausschlüssel bedenkenlos im Milchkästli hinterlegt oder Wertsachen auch einmal unbeaufsichtigt gelassen werden können. Der hohe Schweizer Vertrauens-Standard kollidiert daher im Netz mit besonderer Intensität mit düsteren globalen Realitäten, über die Anbindung ans weltweite Netz haben wir quasi die Türe aufgemacht und sehen uns mit allerlei Kriminalität konfrontiert, die unsere offene vertrauensbasierte Kultur unterminiert.
Die erosive Kraft des Misstrauens wirkt nicht erst seit der Verlagerung von Interaktionen ins Internet, jede Epoche kannte ihre Schemen des Misstrauens. Die digitalen Entwicklungen fördern diese Tendenz aber auf eigene, intensive Art. Im Internet gehört es ja beinahe schon zur Bürgerpflicht, vorsichtig zu sein und Unbekannten zu misstrauen. Das ist nicht nur vom moralischen Standpunkt aus bedenklich, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Sicht bedauerlich. Wir investieren viel Geld in Antivirussoftware, Cyberversicherungen, Sensibilisierungs-Kampagnen und sonstige kostspielige Massnahmen. Dies freut zwar einzelne Firmen, ist aber nicht direkt positiv wertstiftend.
Es mag vernünftig sein, solche Schutzmassnahmen zu ergreifen. Noch vernünftiger ist es jedoch darauf hinzuwirken, dass solche Massnahmen gar nicht nötig sind. Wie aber können wir gegen das Misstrauen vorgehen und unser analoges Vertrauen in die digitale Sphäre überführen? Die Antwort lautet: Wir müssen dazu die Bedingungen der Möglichkeit von Vertrauen schaffen. Als Fernziel soll dabei, in Anlehnung an Immanuel Kants Schrift «Zum ewigen Frieden», das «ewige Vertrauen» fungieren. Für die Ermöglichung des Vertrauens gilt es, gewisse Grundsätze aufzustellen. Wie wäre es mit den drei folgenden?
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Es sollen weltweit die politischen Bedingungen geschaffen werden, dass Menschen durch ehrliche Arbeit zu Wohlstand kommen können. (Je besser die legalen Gewinnaussichten und sozialen Aufstiegsmöglichkeiten, desto geringer der Anreiz zu Betrügereien.)
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Es sollen selbst gewählte Sicherheitsregeln etabliert und zum technischen Standard werden. (Ein verschlüsselter Passwort-Manager, zum Beispiel, muss ebenso selbstverständlich sein wie der Einbau eines Schlosses in die Haustüre.)
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Es soll unterschieden werden können zwischen Sphären, in denen grundsätzlich Vertrauen, und Sphären, in denen kritisches Nachfragen angebracht ist. (Pures und reines Vertrauen ist keinem geschaffenen Wesen gegenüber angebracht.)
Im analogen Leben haben wir ein gutes Gespür dafür entwickelt, wann jemand Vertrauen verdient. Ein «digitales Gespür» müssen wir uns aber kulturell noch erarbeiten, damit wir nicht wider besseres Wissen auf den E-Mail-Button mit der verlockenden Bezeichnung «Sie haben gewonnen» klicken. Und irgendwann erhalten wir solche Mitteilungen hoffentlich nur dann noch, wenn wir tatsächlich gewonnen haben!
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