Rockstars, Hippies und der militärisch-geheimdienstliche Komplex

War die Hippie- und Drogenkultur der 60er Jahre eine gezielte Abwehr- und Ablenkungsstrategie gegen die Vietnamkrieg-Proteste? Ein auf deutsch neu erschienenes Buch des verstorbenen Dave McGowan über den Laurel Canyon in Hollywood legt das nahe. Der Verlagsgründer und Übersetzer über seine Motive der Veröffentlichung.

Cover des Buches

Wer die politischen Realitäten unseres Erdenrunds etwas genauer ergründet, wird zwangsläufig viele Illusionen am Wegrand zurücklassen müssen. Dies kann gerade im Bereich lieb gewonnener Jugend-Ikonen schmerzhaft sein.

Persönlich bin ich zwar erst ein Jahrzehnt nach der Hippiezeit auf die Welt gekommen, doch fühlte ich mich den Stars der 1968er wie Janis Joplin, Jim Morrison oder Jimi Hendrix und den Visionen der «Blumenkinder» immer verbunden. Umso mehr bewegte es mich, als ich im Zuge meiner Recherchen vor einigen Jahren auf David McGowans Weird Scenes Inside The Canyon stiess.

Dieses zunächst in Form eines Internetblogs erschienene Werk beschreibt, wie sich Mitte der 1960er «plötzlich» eine hohe Anzahl von Söhnen und Töchtern hoher Militärs und Geheimdienstler in einem Canyon oberhalb von Los Angeles versammelten, um – teilweise ohne die geringsten Musikererfahrungen – zu Rockstars der Love-and-Peace-Generationaufzusteigen.

Jim Morrison, Frank Zappa, David Crosby, Brian Wilson, Stephen Stills, Neil Young, die Beatles, die Rolling Stones und viele weitere Rockgrössen residierten oder verkehrten im Laurel Canyon. Sie befeuerten eine «Gegenkultur», die in vielerlei Aspekten dazu ausgelegt schien, in einer Hinwendung zu drogenreichen Selbsterfahrungstrips und natürlich Sex und Rock’n’Roll von den Schrecken des Vietnamkrieges abzulenken.

Die von David McGowan gesammelten Informationen werfen aufgrund der traurigen Schicksale vieler Beteiligter und Schattenthemen wie rituelle Gewalt und Missbrauch (Charlie Manson war ein Teil der Szene) ein unerwartet düsteres Bild auf die Avantgarde der Love-and-Peace-Generation.

In einer Mischung aus Ernüchterung und Fesselung versuchte ich, diese Informationen zu verarbeiten, was mich auf eine Entdeckungsreise durch Themen wie New-Age-Esoterik, Geheimdienstoperationen und Bewusstseinskontrolle führte.

Tatsächlich musste ich viele Vorstellungen revidieren und ich begann, nicht wenige meiner einstigen Ikonen mit anderen Augen zu sehen. Zudem prägte mich McGowans Stil: Obwohl es zwischen den Zeilen deutlich wird, dass er über ein immenses Hintergrundwissen verfügte, protzte er nicht mit «Insiderinformationen», sondern verwendete nur Mainstream-Quellen. Erst dadurch, dass er die diese Daten durchleuchtete und zu einem stimmigen Bild zusammenfügte, wurde sein Werk aus der Sicht des Mainstreams kontrovers.

Im Nachfeld des Vietnamkrieges wurde bekannt, dass der Tonkin-Zwischenfall – die Attacke zweier vietnamesischer Schnellboote auf amerikanische Kriegsschiffe, die den Vietnamkrieg vom Zaun brach – nie stattgefunden hatte, sondern von «Uncle Sam» erfunden worden war. Eines der im Golf von Tonkin beteiligten US-Kriegsschiffe, der Flugzeugträger Uss Bon Homme Richard, stand unter dem Kommando von Admiral George Stephen Morrison, dem Vater von Jim Morrison.

Jim machte sich zum Zeitpunkt des Vietnameinsatzes seines Vaters in Los Angeles gerade daran, mit seiner Band The Doors zu einer Rockikone der Hippies aufzusteigen. Er konnte keinerlei Erfahrungen als Musiker oder Sänger vorweisen, aber die Mechanismen der Starindustrie hievten ihn in die Rolle eines Rockgottes. Diese Rolle schien Jim bald stark zugesetzt zu haben, was zu seinem verfrühten Tod oder zumindest zu seinem Abgang geführt haben könnte (zahlreiche Stimmen vermuten, dass Jim Morrison nicht gestorben ist, sondern eine andere Identität angenommen hat).

Morrison und seine Kollegen im Laurel Canyon offenbaren sich in McGowans Werk – zumindest zwischen den Zeilen – als Marionetten einer gesteuerten Opposition. Die Spuren und Mechanismen dieser kulturellen Manipulation wurden nicht allzu gut verwischt. Die Geschichte der Rockstars des Laurel Canyons liess mich die Realitäten unserer Popkultur mit anderen Augen betrachten.

Die Musik der 1960er gefällt mir jedoch weiterhin. Und mögen die Werte und Visionen der Hippiekultur auch instrumentalisiert worden sein, in ihrem wahren Kern stellen sie für mich weiterhin ein wertvolles Erbe unserer Kulturgeschichte dar.

Gesteuerte Opposition arbeitet mit Halbwahrheiten. Unsere Realitäten sind durchsetzt von Halbwahrheiten, Ahnungen und Illusionen. Ich habe David McGowans Werk ins Deutsche übersetzt, weil es mir Hinweise lieferte, wie mit dieser Situation umgegangen werden kann: Mit Intelligenz, Vorsicht und – angesichts gewisser Absurditäten – auch immer wieder einmal mit einer Portion Ironie.


David McGowan: Seltsame Szenen im Canyon der Rockstars. Omnivers-Verlag. August 2023

Das Buch können Sie hier bestellen:  Omnivers Verlag

01. September 2023
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