Wenn die Nachbarn es übertreiben. Kolumne von Anton Brüschweiler.

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Manchmal glaube ich es ja kaum: Meine Nachbarn haben nichts Gescheiteres zu tun, als mich pausenlos zu beobachten. Zuerst ist es mir beim Joggen aufgefallen: Der Marti hat mir mal beim Dorffest gesagt, dass zu viel joggen nicht gut für die Gelenke sei. Aber dann habe ihm gesagt, dass ich mehrmals täglich jogge und dass dies bei mir einen positiven Effekt habe.

Nun fiel mir plötzlich auf, dass der Marti, immer wenn ich im Wäldchen am Joggen war, mit seinem altersschwachen Dackel daher kam. Zuerst versuchte ich, mich zu beruhigen. Ich dachte, das kann doch jetzt nicht sein, dass mir der Marti abpasst und zählt, wie oft ich jogge. Aber leider habe ich seit vorletzter Woche die traurige Gewissheit: Ich habe ihn nämlich mit einem Notizblock in der Hand erwischt und gesehen, wie er ein Strichli gemacht hat. Wie krank muss so jemand sein!

Aber er ist bei weitem nicht der Einzige. Sie sollten mal dem Bärni Brunner, unserem Dorfpöstler, zusehen, wenn er die Post bringt. Bei jedem Brief schaut er nicht nur auf die Adresse, sondern auch noch auf den Absender. Kürzlich bekam ich einen Brief von der Staatsanwaltschaft, weil ich mit Drogen gehandelt habe. Aber das geht doch den Pöstler einen Scheiss an, vom wem ich Post kriege und was ich so mache. Der soll einfach seinen Job machen wie alle anderen auch!

Nur noch krasser ist da der der Herzog, mein direkter Nachbar. Er meint, er sei was Besseres (Nomen est Omen), dabei ist er eher etwas Schlechteres. Bei uns holen sie die Abfallsäcke jeweils am Dienstagmorgen ab. Und ich stelle meinen Abfallsack immer schon am Montagabend raus, weil ich nämlich nicht am Dienstag früh aufstehen will, falls Sie das interessiert. Scheinbar haben aber nicht alle Freude daran, dass ich meinen Abfall schon am Vorabend rausstelle. Oder wie würden Sie es sich erklären, dass immer genau dann, wenn ich am Montagabend den Sack rausstelle, der Herzog vor meinem Haus rumspaziert und etwas in sein Handy tippt?

Der Typ überwacht mich! Ich habe ihn schon ganz direkt darauf angesprochen. «Du Kurt, was schreibst du da in dein Handy?» «Eh, ich schreibe gerade eine SMS», log er mich brandschwarz an. Er ist übrigens irgendwie permanent nervös. Ich glaube, er fühlt sich rund um die Uhr beobachtet. Ich vermute sogar, dass er unter Verfolgungswahn leidet! Aber das würde er natürlich nie zugeben. So oder so: Sollten Sie nächstens in die Nähe ziehen, dann kann ich nur sagen: Willkommen im Land der Spitzel.



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