"Das Auto macht uns total verrückt"
«Die Zeit» im Gespräch mit dem Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher
DIE ZEIT: Lehnen Sie das Auto ab?
Hermann Knoflacher: Ich lehne das Auto nicht ab. Aber ich bin mir
bewusst, was es für unsere Gesellschaft bedeutet.
ZEIT: Fahren Sie selbst Auto?
Knoflacher: Ich besitze keines, aber ich fahre hin und wieder auch
selbst.
ZEIT: Welchen Einfluss hat denn die Motorisierung auf unsere
Gesellschaft?
Knoflacher: Einen unglaublichen Einfluss. Das Auto ist wie ein Virus,
das sich im Gehirn festsetzt und Verhaltenskodex, Wertesystem und
Wahrnehmung total umkehrt. Ein normaler Mensch würde unseren derzeitigen
Lebensraum als total verrückt bezeichnen! Wir ziehen uns mehr oder
weniger freiwillig in abgedichtete Häuser mit Lärmschutzfenstern zurück,
um den Außenraum dem Krach, dem Staub und den Abgasen der Autos zu
überlassen. Das ist doch eine völlige Werteumkehr, die uns nicht einmal
mehr auffällt.
ZEIT: Wie kam es Ihrer Meinung nach dazu?
Knoflacher: Unser Problem ist der aufrechte Gang. Wir benötigen
verhältnismäßig viel Muskel- und Steuerungsenergie zur Stabilisierung
unseres Körpers. Denken Sie an die Bewegungsschwierigkeiten unter
Alkoholeinfluss. Im Auto verbrauchen wir nur ein Sechstel unserer
Körperenergie und haben den Eindruck, wahnsinnig schnell und stark zu
sein. Das ist eine Komponente. Die andere ist die Vorgabe an die
Stadtplanung, das Auto in unmittelbarer Nähe zu allen Aktivitäten
unterzubringen. Damit zerstört man den natürlichen Lebensraum, den
öffentlichen Verkehr, die Nahversorgung und letztlich auch das soziale
Netz, das der Mensch im Laufe von Jahrtausenden aufgebaut hat.
ZEIT: Das Auto macht die Evolution zunichte?
Knoflacher: Nein, aber die menschlichen Errungenschaften der letzten
Generationen sind durch das Auto zerstört worden.
ZEIT: Bedeutet das Zeitalter des Autos unseren kulturellen Untergang?
Knoflacher: Das würde ich so nicht sagen, denn der kulturelle Untergang
ist meiner Meinung nach kein wirkliches Problem. Damit bricht ja nur
eine sehr späte Evolutionsschicht weg. Viel schlimmer sind die
fortlaufenden, strukturellen Zerstörungen, die das Auto anrichtet.
ZEIT: Ist Autofahren eine Sucht?
Knoflacher: Auf jeden Fall! Das Auto ergreift vom Menschen Besitz. Der
Autofahrer unterscheidet sich ja vom Menschen mehr als jedes Insekt.
ZEIT: Wie meinen Sie das?
Knoflacher: Insekten haben mit dem Menschen gemeinsam, dass sie
Mobilität mit ihrer eigenen Körperenergie bewältigen. Der Autofahrer
muss das nicht. Und es gibt keine Insekten, die aus Bequemlichkeit den
Lebensraum ihrer Nachkommen zerstören oder sich so schnell bewegen, dass
sie sich dabei selbst töten.
Ganzes Interview lesen
Hermann Knoflacher: Ich lehne das Auto nicht ab. Aber ich bin mir
bewusst, was es für unsere Gesellschaft bedeutet.
ZEIT: Fahren Sie selbst Auto?
Knoflacher: Ich besitze keines, aber ich fahre hin und wieder auch
selbst.
ZEIT: Welchen Einfluss hat denn die Motorisierung auf unsere
Gesellschaft?
Knoflacher: Einen unglaublichen Einfluss. Das Auto ist wie ein Virus,
das sich im Gehirn festsetzt und Verhaltenskodex, Wertesystem und
Wahrnehmung total umkehrt. Ein normaler Mensch würde unseren derzeitigen
Lebensraum als total verrückt bezeichnen! Wir ziehen uns mehr oder
weniger freiwillig in abgedichtete Häuser mit Lärmschutzfenstern zurück,
um den Außenraum dem Krach, dem Staub und den Abgasen der Autos zu
überlassen. Das ist doch eine völlige Werteumkehr, die uns nicht einmal
mehr auffällt.
ZEIT: Wie kam es Ihrer Meinung nach dazu?
Knoflacher: Unser Problem ist der aufrechte Gang. Wir benötigen
verhältnismäßig viel Muskel- und Steuerungsenergie zur Stabilisierung
unseres Körpers. Denken Sie an die Bewegungsschwierigkeiten unter
Alkoholeinfluss. Im Auto verbrauchen wir nur ein Sechstel unserer
Körperenergie und haben den Eindruck, wahnsinnig schnell und stark zu
sein. Das ist eine Komponente. Die andere ist die Vorgabe an die
Stadtplanung, das Auto in unmittelbarer Nähe zu allen Aktivitäten
unterzubringen. Damit zerstört man den natürlichen Lebensraum, den
öffentlichen Verkehr, die Nahversorgung und letztlich auch das soziale
Netz, das der Mensch im Laufe von Jahrtausenden aufgebaut hat.
ZEIT: Das Auto macht die Evolution zunichte?
Knoflacher: Nein, aber die menschlichen Errungenschaften der letzten
Generationen sind durch das Auto zerstört worden.
ZEIT: Bedeutet das Zeitalter des Autos unseren kulturellen Untergang?
Knoflacher: Das würde ich so nicht sagen, denn der kulturelle Untergang
ist meiner Meinung nach kein wirkliches Problem. Damit bricht ja nur
eine sehr späte Evolutionsschicht weg. Viel schlimmer sind die
fortlaufenden, strukturellen Zerstörungen, die das Auto anrichtet.
ZEIT: Ist Autofahren eine Sucht?
Knoflacher: Auf jeden Fall! Das Auto ergreift vom Menschen Besitz. Der
Autofahrer unterscheidet sich ja vom Menschen mehr als jedes Insekt.
ZEIT: Wie meinen Sie das?
Knoflacher: Insekten haben mit dem Menschen gemeinsam, dass sie
Mobilität mit ihrer eigenen Körperenergie bewältigen. Der Autofahrer
muss das nicht. Und es gibt keine Insekten, die aus Bequemlichkeit den
Lebensraum ihrer Nachkommen zerstören oder sich so schnell bewegen, dass
sie sich dabei selbst töten.
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25. September 2007
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