Österreich: Telekom öffnet Daten für Diktator

In Weissrussland werden Oppositionelle nach der Auswertung von Handydaten durch die Polizei verhaftet. Die Handlanger von Diktator Alexander Lukaschenko können auf die Daten der Telekom-Austria-Tochter zugreifen.



Text: Christian Höller

Wien. In Weissrussland sind die Schauprozesse angelaufen: In der Vorwoche wurde der Oppositionelle Andrej Sannikow zu fünf Jahren Straflager verurteilt, weil er Unruhen geschürt haben soll. So etwas kommt bei Alexander Lukaschenko, dem weissrussischen Präsidenten und letzten Diktator Europas, nicht gut an. Er regiert das Land seit 17 Jahren mit eiserner Hand. Opposition und Pressefreiheit werden unterdrückt.

Verhaftet nach der Demo, wie das?

Vergangenen Dezember wurde der Herrscher mit fast 80 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Bei dem Urnengang gab es laut internationalen Beobachtern Unregelmässigkeiten. Sannikow und andere Oppositionelle organisierten auf dem Minsker Oktoberplatz eine Demonstration, zu der 20’000 Leute kamen. Wer sein Handy dabei hatte, beging einen schweren Fehler: Mehr als 600 bis 700 Aktivisten sind verhaftet worden – viele nach der Protestaktion.
Die Polizei konnte anhand der Auswertung der Handydaten feststellen, wer auf dem Oktoberplatz gewesen ist. Dies wirft ein schlechtes Licht auf die Telekom Austria, die in Weissrussland mit ihrer Tochter Velcom 4,4 Millionen Kunden betreut und dort auf einen Marktanteil von 41,9 Prozent kommt. Beim Konzern ist der österreichische Staat mit 27 Prozent grösster Einzelaktionär.

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Amnesty kritisierte zuletzt Telekomkonzerne – etwa Vodafone, weil diese in Ägypten auf Anordnung des früheren Präsidenten Hosni Mubarak das Handynetz abgeschaltet hatte, damit sich Regimegegner nicht organisieren konnten.
Der grüne Justizsprecher, Albert Steinhauser, kritisiert das Verhalten von Telekom Austria: „In Weissrussland zeigt sich, was mit der Vorratsspeicherung von Daten möglich ist.“ Durch Velcom sei Telekom ungewollt in die Rolle gedrängt worden, Handlanger für ein diktatorisches Regime zu sein.
Laut Astrid Steinkellner vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) sollen Unternehmen generell vor einem Einstieg in Problemländern „eine grundlegende menschenrechtliche Folgenabschätzung vornehmen“. Bereits 2008 sei die Telekom an das BIM herangetreten, menschenrechtliche Beratung im Zusammenhang mit Weissrussland durchzuführen. Laut Steinkellner steht das Projekt auf „Stand-by“.
Der nächste Schritt wäre gewesen, die Schnittstellen zwischen Telekom Austria und den weissrussischen Behörden zu überprüfen. „Wir wollen wissen, wie die Datenabfrage genau abläuft“, so Steinkellner. Zudem sollte geklärt werden, ob die Rechtslage in Weissrussland den europäischen und internationalen Menschenrechtsstandards entspricht. „Telekom Austria ist eine österreichische Firma. Das heisst, auch deren Töchter müssen sich im Rahmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung an EU-Standards halten.“

Abgesehen von menschenrechtlichen Aspekten droht der Telekom auch wirtschaftlich eine negative Überraschung. Zu Wochenbeginn wurde der weissrussische Rubel um 50 Prozent abgewertet. Dazu Telekom-Sprecherin Mattes: „Wir evaluieren die Situation – und werden sehr rasch zu einer Entscheidung hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise kommen.“ 2009 gab der Rubel um 33 Prozent nach, was eine Wertberichtigung von 290 Millionen Euro in der Bilanz notwendig machte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2011)
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