Psychologische Kriegsführung

Vermutlich erweisen sich die allermeisten Theorien irgendeinmal als falsch. Man muss nur lange genug warten.

Aber ausgerechnet die erste Verschwörungstheorie – die der Sache den Namen gab – war richtig! Das ist vermutlich kein Zufall, denn der Begriff will plausible Möglichkeiten oder gar Tatsachen tabuisieren und im Reich der Hirngespinste entsorgen.
Was aber war die erste «Verschwörungstheorie»? Als Präsident Kennedy am 22. November 1963 in Dallas erschossen wurde, gab es sofort Zeugen, die Schüsse aus verschiedenen Richtungen gehört hatten oder über andere Beobachtungen berichteten, die die Einzeltäterschaft von Lee Harvey Oswald in Frage stellten. Und schliesslich kam der tödliche Schuss, der Kennedys Hirnmasse dem etliche Meter hinter ihm fahrenden Motorradpolizisten aufs Jackett spritzte, aus der falschen Richtung. Zur Erklärung erfand man dann die berühmte «magic bullet», die zuerst im offenen Wagen hin- und herflitzte, kleinere Verletzungen verursachte und schliesslich zum finalen Todesflug in die Gegenrichtung ansetzte – ein ballistisches Wunder, wenn es denn wahr wäre. Tatsächlich glaubte seit dem Attentat stets nur eine kleine Minderheit der AmerikanerInnen an die offizielle Theorie der Einzeltäterschaft. Am meisten waren es 1967 bei Erscheinen des offiziellen Untersuchungsberichts, des «Warren-Reports» – bescheidene 36 Prozent. Und nicht nur das: Immer mehr Menschen mit glaubwürdigen Hinweisen auf eine grössere Verschwörung tauchten auf. Allein 33 von ihnen starben in den ersten drei Jahren nach dem Attentat eines unnatürlichen Todes. Mit der Beseitigung der Zeugen verschwanden allerdings ihre Erkenntnisse nicht. Um auch sie unschädlich zu machen, begannen die Geheimdienste 1967 auf Anweisung der Abteilung für Psychological Warfare der CIA, alle alternativen Erklärungen pauschal als
«Verschwörungstheorien» zu bezeichnen.

Wer heute den Begriff «Verschwörungstheorie» verwendet, setzt also bewusst oder unbewusst einen Kampfbegriff der psychologischen Kriegsführung ein. Wer zur Waffe greift, dem fehlen offenbar die Argumente.
Damit soll nicht gesagt sein, dass die vielen Geschichten über Verschwörungen, die seither im Halbdunkel des Halbwissens entstanden sind, alle wahr sind. Aber die Existenz kon-
spirativer Absprachen ist eine historische Tatsache, die den Lauf der Geschichte immer wieder massgebend geprägt hat. Es gibt keinen Grund, dass sie ausgerechnet mit der Einführung des Begriffs «Verschwörungstheorie» verschwunden sein sollten. Im Gegenteil.


Mehr über die Ermordung Kennedys und seine weltpolitischen Folgen im lesenswerten Buch von Mathias Bröckers: JKF – «JKF – Staatsstreich in Amerika». Westend Verlag, 2013. 288 S. Geb.
Fr. 28.90/€ 20.–.




Mehr zum Thema finden Sie im Heft 136 Berichte aus der Tabuzone
11. Mai 2015
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