Ungenutztes Potenzial Lärmschutzwand

Die Eisenbahntrassen unserer Bahnen verlaufen mitten durch Siedlungsgebiet, bzw. diese sind nach deren Bau darum herum entstanden. Die Lärmschutzwände, die zur Zeit an vielen Abschnitten gebaut werden, bieten Potenzial für weitere Nutzungen.

In Chur wird derzeit eine Fuss- und Veloverbindung entlang der Bahn realisiert, die sich dank dem Bau der Lärmschutzwände mit deutlich geringerem Aufwand umsetzen lässt. Der Vorteil dieser Parallelführungen von Langsamverkehrswegen zu Bahntrassen ist der niveaufreie Zugang ins Zentrum, also dem Bereich der Stadt, der für Fussgänger und Velofahrende besonders interessant ist.
Die SBB selber erkennen den Synergienutzen dieser Langsamverkehrsförderung noch zu wenig. Man ist sich zu wenig bewusst, dass Fussgänger und Velofahrende zu den Kernzielgruppen der Bahn gehören und ein attraktiver Zugang zum Bahnhof ein entscheidendes Qualitätskriterium für die Wahl des Verkehrsmittels ist.

Eine zweite Nutzung liegt in der Kombination von Lärmschutz und Energiegewinnung. In Münsingen wurde Ende 2008 die erste stromerzeugende Lärmschutzwand realisiert. Die Glaspanels sind beidseitig mit Solarzellen bestückt. Der Wirkungsgrad ist aufgrund der vertikalen Ausrichtung geringer, dafür wird von morgens bis abends Strom produziert und der Zusatzaufwand zu normalen Glaswänden ist bescheiden.
Philipp Frabetti, Gesamtprojektleiter Lärmsanierung der Schweizerische Bundesbahnen kann zwar die erwähnten Potenziale erkennen, sieht die SBB aber nicht in einer aktiven Rolle. Er verweist auf die Gemeinden, die in diesen Fällen vorstellig werden sollen, sei es als Investor bei den Solaranlagen oder als Projektleiter für die Fuss- und Veloverbindungen entlang der Bahntrassen. Die defensive Haltung ist bedauerlich, denn viele Gemeinden sind nicht in der Lage, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und kurzfristig ein Projekt zu starten und zu finanzieren. Eine strategische Prüfung der Potenziale wäre also weitsichtiger.

Empfehlung: Wenn Sie in einer Gemeinde mit einem Bahndamm zum Zentrum oder einer noch zu realisierenden Lärmschutzwand wohnen, machen Sie die Gemeinde auf diese Potenziale aufmerksam oder formulieren Sie einen politischen Vorstoss, damit die Möglichkeiten geprüft werden. Zwar sind zwei Drittel der Lärmschutzwände inzwischen gebaut, zu spät aber ist es noch nicht.



Paul Dominik Hasler ist Zeitpunkt-Autor, führt ein Büro für Utopien und ist Gründungsmitglied der Büro für Mobilität AG in Bern. Sein Projekt «Velohochstrasse» in Burgdorf erhielt 2010 den Prix Velo Infrastruktur von Pro Velo Schweiz. Es handelt sich um die Nutzung eines Bahndammes für die bessere Zentrumsanbindung für den Langsamverkehr.


Links:

Chur: http://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/bvfd/tba/flv/Documents/Rad-Fussweg_Stampagarten-Giacomettistr_Bauinfo-1.pdf

Münsingen: http://www.muensingen.ch/themen-von-a-z/energiestadt/aktuell/fotovotaik-laermschutzanlage/

Burgdorf: http://www.pro-velo.ch/de/themen-und-angebote/infrastruktur/prix-velo-infrastruktur/prix-velo-infrastruktur-2010/