Unterschätzte Pflanzenwelt

Pflanzen pflegen eine differenzierte Kommunikation zwischen ihren Zellen und Teilen und mit ihrer Umwelt. Dies und mehr zeigt „PflanzenPalaver“, ein spannendes und aufschlussreiches Buch von Florianne Koechlin.


„Es ist offensichtlich, dass das Potential der Pflanzenwelt bisher unterschätzt worden ist“, schreibt die Basler Biologin, Gentechnologie-Gegnerin und Mitglied der Eidgenössischen Ethikkommission für Biotechnologie im Ausserhumanbereich. Sie belegt diese Feststellung mit den Forschungen verschiedener Wissenschafter und den Erfahrungen von Landwirten. Innerhalb der etablierten Wissenschaft stösst sie damit aber auf viel Ablehnung.

Weiträumige Duft-Kommunikation
Pflanzen benützten ein grosses Repertoire an Düften, um mit ihrer Umwelt in Kommunikation zu treten, sagt der Chemiker und Ökologe Wilhelm Boland vom Max-Planck-Institut Jena im Gespräch mit der Biologin. Die mechanische Beschädigung durch den Frass einer Raupe oder Blattlaus setze zum Beispiel bei der Limabohne sofort eine Duftstoffwolke frei: „Diese warnt die ganze Pflanze vor der drohenden Gefahr; alle Blätter beginnen mit der Produktion von Abwehrstoffen.“

Gezielt Nützlinge rufen
Lasse sich der Esser von dieser Abwehr nicht beeindrucken, produziere die Pflanze ein neues Duftbouquet, um gezielt einen Nützling herbeizulocken. Boland: „Hochinteressant ist nun, dass die Limabohne nicht nur mitteilen kann, dass sie verletzt ist, sie sagt auch ganz genau, wer sie verletzt hat.“ So bittet sie jeweils die Raubmilben, Schlupfwespen oder Ameisen zu Tisch, die bei ihr ihre bevorzugten Mahlzeiten finden.

Einseitig auf Ertrag gezüchtet
Die Autorin zeigt ebenfalls auf, dass Pflanzen nicht nur überirdisch mittels chemischer Botenstoffe äusserst weiträumig kommunizieren sondern auch unterirdisch - miteinander und mit Pilzen, Bakterien und Würmern. Beim Züchten und Genmanipulieren von Landwirtschaftspflanzen war und ist die Kommunikationsfähigkeit einer Pflanze kein Kriterium, es wird einseitig auf Ertrag gezüchtet. So erstaunt es nicht, dass die Monokultur-Pflanzen mit ihrer verarmten Sprache fleissig mit Pestiziden vergiftet werden müssen; Nützlinge werden dadurch rar und können auch nicht gerufen werden.

Mit der Natur arbeiten
Erfolgreiche Landwirtschaft bedeutet nicht automatisch Stress, gesundheitsschädigende Schinderei und eine hohe Belastung der Ökosysteme. Dafür stehen Sepp und Veronika Holzer, österreichische Bio- und Permakultur-Bauern: Sie arbeiten gemächlich und mit der Natur, beobachten und unterstützen sie, ziehen tropische Pflanzen ohne Treibhaus auf 1300 Metern Höhe. Den Schweinen überlassen sie den Rest der Ernte im Acker, die Tiere pflügen und düngen die Erde vergnüglich und beiläufig beim Essen.
Für aufbauende und ertragsreiche Agrikultur steht ebenfalls der naturnahe indische „Family Garden“ oder „Forest Garden“, ein reichhaltiges Ökosystem, bestehend aus Bäumen, Büschen und Gemüsen, welches das ganze Jahr und auch bei Trockenheit Nahrung bereithält.

Rechte von Pflanzen
Florianne Koechlin hat nach Reisen in Europa und Indien in ihrem neusten Buch Gespräche mit Wissenschaftern, Landwirten und einer Künstlerin zusammengestellt, ergänzt und kommentiert. Die einzelnen Interviews und Begegnungen sind gut zu einem Ganzen zusammengefügt.
Sie ergänzt und rundet ab mit selbst gemachten Bildern: farbige und schwarzweisse Fotos und die zweifarbige Tuschzeichnung auf dem Umschlag. Für Interessierte hat es vertiefende Anmerkungen und Literaturangaben. Angefügt sind auch die von 15 WissenschafterInnen erarbeiteten „Rheinauer Thesen zu Rechten von Pflanzen“. ein von Koechlin initiiertes Projekt.


Florianne Koechlin: PflanzenPalaver - Belauschte Geheimnisse der botanischen Welt. Lenos 2008, 240 Seiten gebunden, Fr. 34.80


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