Was hilft gegen die Psychopolitik des Kapitalismus?

Das neoliberale Regime ist derzeit damit beschäftigt, das Ideal der (ersten) Aufklärung zu tilgen

Wie der in Berlin lehrende Philosoph Byung-Chul Han in seinem soeben erschienenen, luziden wie düsteren und doch auch inspirierenden Buch zeigt, ist das neoliberale Regime derzeit damit beschäftigt, das Ideal der (ersten) Aufklärung zu tilgen. Ging diese noch davon aus, dass die Selbstermächtigung des Menschen zu einem Leben in Freiheit und Würde das Ziel einer von Vernunft geleiteten Entwicklung sei, so hat die von den Interessen des Kapitals diktierte «Psychopolitik» nicht weniger im Sinn als die Versklavung des Individuums.


Nicht Terror, Gewalt oder Gefängnisse sind hierfür die Mittel. Die Tücke der «smarten Macht» liegt vielmehr in der verführerischen Fülle von «Big Data» und in dem selbst gewählten Verzicht auf individuelle Souveränität. Wie andere vor ihm, sieht auch Han die «Vereinzelung des sich selbst ausbeutenden Leistungssubjekts», das sich im Fall seines Versagens auch noch selbst schuldig spricht, als Ausgangspunkt der sich abzeichnenden totalen Kontrolle und Ausbeutung. Denn die «smarte Macht», die wir gedankenlos und willfährig mit der Bekundung all unserer Vorlieben pausenlos auf dem Laufenden halten, «liest und wertet unsere bewussten und unbewussten Gedanken aus. Sie setzt auf freiwillige Selbstorganisation und Selbstoptimierung.»  Han verweist mit grosser Plausibilität auch auf das derzeit absehbare Ziel dieser Entwicklung: «Aus Big Data lässt sich nicht nur das individuelle, sondern auch das kollektive Psychogramm, womöglich das Psychogramm des Unbewussten herstellen. Dadurch wäre es möglich, die Psyche bis ins Unbewusste auszuleuchten und auszubeuten.»


Was folgt daraus? Han beschreibt – durchaus überzeugend – das Ende der gefühlten, der erzählten Zeit. An ihre Stelle treten mehr und mehr Affekte und Emotionen, das Diktat des Zählens und Vermessens. Was wäre dieser Entwicklung entgegenzusetzen? Die Einübung in die Kunst der Widerständigkeit, meint Han. Auf dem Weg in die «dritte Aufklärung, die uns darüber belehrt, dass die digitale Aufklärung in die Knechtschaft umschlägt», könnten die Suche nach einem «ganz Andern», wie sie der Idiot beherrscht, oder die Einübung der (ihrem Wesen nach) stets zweckfreien Kunst die Richtung weisen.
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Aus «Pro Zukunft», der Zeitschrift der Robert-Jungk-Stiftung.
www.jungk-bibliothek.at
Byung-Chul Han: Psychopolitik – Neoliberalismus und die neuen Machttechniken. 2014. S. Fischer Verlag,   Fr. 28.90/€20.00

21. November 2014
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