Für den Umgang mit Gefühlen steht eine Bewusstseinsentwicklung an. Auch für alle, welche nicht danach suchen. Es ist wunderbar, wenn man mit der hellen Kraft von Gefühlen wie der Scham bewusst und damit sowohl selbst- als auch gemeinschaftlich wirksam mitgestalten kann, was im Hier und Jetzt wichtig und richtig ist.
Selbstmitgefühl ermöglicht es, mit den eigenen Schwächen und dem eigenen Leiden konstruktiv umzugehen. Es schafft die Grundlage für inneren Frieden, Akzeptanz und eine gesündere Beziehung zu sich selbst und anderen. (Chris Germer)
Vieles, was uns in unserer zu viel zivilisierten Welt begegnet, was wir mit und in ihr erleben oder was wir selber tun, ist eigentlich zum sich Schämen. Scham vermeiden, ist verbunden mit einer emotionalen und intellektuellen Höchstleistung. Aber toxisch verdrängte Scham kann zur Selbstzerstörung führen.
Toxischer Positivismus ist, wenn schön geredet wird, was eigentlich weder gut ist, noch gut tun kann. Schlau und versiert vermeiden wir, dem Taifun der Wahrheit ins Auge zu schauen. Weil beispielsweise nicht sein darf, was mit Gefühlen von Wut, Trauer, Angst oder Scham verbunden sein kann, oder solche Gefühle bewirken könnte.
Gefühle führen deshalb oft ein Schattendasein. Als Hass, Resignation, Lähmung oder Selbstzerfleischung. Schattenarbeit bedeutet, uns und die Welt auch so zu sehen, wie sie im Dunkeln ist. Und dabei mit dem Herz präsent den Kopf für das Licht des Himmels frei und offen zu halten.
Gefühle als Katalysator für eine andere Welt
Gewalt sehe ich als Teil einer Welt, die mitunter von Gier, Herrsch- und Vergnügungssucht sowie von Zerstörung geprägt ist. Es braucht viel Liebe, Mut und Präsenz, dabei Gefühle von Wut, Trauer, Angst oder Scham nicht zu verdrängen und sich von dem was für uns schwierig ist, radikal berühren zu lassen.
Vivian Dittmar (1) teilt dazu mit:
Jetzt ist keine Zeit für Rezepte. Jetzt ist die Zeit, sich wirklich für das Leben zu öffnen. Weiche dem Schmerz nicht aus, denn er ist ein wichtiger Lehrer. Wenn wir uns von ihm berühren lassen, wird unser Herz tiefer und weiter. Dafür braucht es sowohl Gemeinschaft, als auch ein Stillwerden und In-uns-Sinken.
Als Orientierungshilfe empfehle ich dafür Vivian Dittmars Gefühlskompass (2).
Wenn Gefühle ein Schattendasein fristen
Nicht wahrgenommene Gefühle können - in den Schatten verdrängt - destruktiv in Form von Hass, Resignation, Lähmung oder Selbstzerfleischung wirksam werden. Ohne Bewusstsein in einem solchen Schattendasein zu verharren, kann uns selber und unsere Welt nicht weiter bringen. Um dieser Schattenwelt gewachsen zu sein, braucht es unsere Handlungsbereitschaft sowie eine kokreativ und präventiv Schutz gebende Gemeinschaft.
Erfahrungsgemäss zeigen sich auch insbesondere viele Politikerinnen und Politiker mit Gefühlen überfordert. Sie lassen sich deshalb nicht entsprechend ihrer eigentlich bestehenden Verantwortung substanziell und wahrhaftig berühren und bewegen von dem, was ist. Was dazu führen kann, dass sich alle betreffend existenziell bedeutsamer Fragen wie auf einem Karussell wirkungslos im Kreis drehen. Warum das so ist und wie es anders gehen kann, erklärt Vivian Dittmar in einem 19-Minuten Interview mit ihr zu Krisen, und wie sie als Chance genutzt werden können (3).
Erziehung zur Scham-Vermeidung und zur Schamlosigkeit
Vielen nicht bewusst, läuft auch im Hause Schweiz und rundherum vieles schamlos schief. Eine nicht nur gefühlsmässig perspektivenlos schwierige Situation. Dies vor allem auch dann und deshalb, wenn und weil Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft der Wahrheit von Scham nicht ins Auge schauen, und zu Blödsinn nicht Nein sagen können und/oder wollen.
Die Grausamkeit ohne Scham wird bald als eine Lebenskunst gelten, als ein Ideal des neuen Jahrhunderts. (Benjamin Berton)
Das «Nicht-hinschauen-wollen» scheint mir zum Teil mit einer Scham-Vermeidung begründet, wie sie mir als Schutz-Mechanismus aus der Trauma-Forschung bekannt ist. Unter anderem sehe ich die Scham-Vermeidung auch als einen Grund dafür, weshalb Medien wie beispielwese DAS BLATT, der ZE!TPUNKT und das Magazin MANOVA sowie ihre Wahrheiten von einer Mehrheit kaum zur Kenntnis genommen werden wollen. Wenn die Mehrheit, die in der zu viel zivilisierten Politik und Wirtschaft das Sagen hat, (ohne es zu merken) nur das wissen will, was sie wissen soll, kann es für die Demokratie schwierig werden.
Scham kann das Miteinander erschweren
Viele Menschen tragen Tag für Tag innere Konflikte aus, in denen sie sich selbst verletzen. Diese Selbstverletzung ist oft nicht offensichtlich. Still gehen Menschen zudem äusseren Konflikten aus dem Weg, aus Angst, abgelehnt zu werden. Sie verbergen ihre Verletzlichkeit aus Angst, beschämt zu werden. Sie sind lieb und gefällig, statt für sich einzustehen und ihre Bedürfnisse und Grenzen ernst zu nehmen und zum Ausdruck zu bringen. Sie passen sich an und leiden darunter.
Was wäre wenn ...
… Du souverän zu Dir stehen könntest, statt Dich ständig anzupassen?
… Du Deine Trigger kennen und mehr Raum zwischen Reiz und Reaktion bringen könntest?
… Du einen heilsamen Umgang mit Deinen Emotionen finden könntest, so dass sie Dich nicht mehr überfluten?
… Du selbst der sichere Hafen für Deine inneren Anteile sein könntest, so dass Frieden in Dir entsteht?
Mehr dazu lausche Verena König (4) in ihrem 25-Minuten-Podcast «Toxische Scham. Vom Schämen und Beschämt sein» (5).
Unverschämt aus Fehlern lernen
Was passiert mit unserem Denken und Handeln, wenn uns ein Fehler passiert, wenn wir unter Druck geraten oder wenn wir uns ungenügend fühlen? Häufig reagieren wir dann nicht mehr reflektiert, sondern aus dem Bedürfnis heraus, dem Gefühl der Scham zu entkommen und unser eigenes Selbstwertgefühl zu schützen. Dazu greifen wir häufig auf Routinen zurück, die jedoch für uns und unser Umfeld destruktiv wirken: Wir gehen in die Offensive, beschämen unsererseits andere, denn einer muss ja schuld sein? Oder wir ziehen uns aus Beziehungen zurück und vertiefen damit noch das Gefühl des Nicht-dazu-gehörens.
Doch was können wir stattdessen tun? Welche Denkmuster, Haltungen und welches Umfeld sind förderlich, um uns sicher zu fühlen, um das Miteinander nicht mehr als Kampf zu erleben, um gemeinsam zu lernen und um unser Umfeld voller Lebensmut und Zuversicht zu gestalten?
Wenn Du Fehler machst, bestehen für Dich zwei Möglichkeiten: Entweder Du sagst dazu unverschämt Ja und lernst etwas daraus. Oder Du sagst schamvoll Nein und machst die gleichen Fehler (immer) wieder.
Wer sich selbst mit Mitgefühl begegnet, kann Stress, Angst und Selbstkritik besser bewältigen. Selbstmitgefühl wirkt als Puffer gegen destruktive Selbstverurteilung und kann uns dabei unterstützen, aus Rückschlägen zu lernen, anstatt daran zu zerbrechen.
Sei sanft mit Dir selbst und erlaube Deinen Gefühlen, da zu sein. Es stärkt die psychische Gesundheit und fördert eine freundlichere Beziehung zu sich selbst und zu anderen. Um günstige Bedingungen für Verbundenheit zu schaffen, kommt es nicht vor allem darauf an was gesagt, sondern was dabei gefühlt und was damit gemeinsam getan wird. Und wie meistens gilt auch hier: weniger kann mehr sein.
Gefühle sind zum Fühlen und zum Heilen da
Mit und in den Füssen den Boden spüren.
Die Kraft der Erde durch den Körper strömen lassen.
Sich in und mit dem Rückgrat aufrichten.
Aufrecht und aufrichtig, wahrhaftig und wirklich da sein.
Der Welt gewachsen sein, und den Kopf
für das Licht des Himmels frei und offen halten.
Mögen wir in unseren Herzen wohnen.
Mögen wir unseren inneren Frieden finden.
Mögen wir uns selbst genügen und glücklich sein.
Mögen wir unbeschwert und friedvoll unterwegs sein.
Mögen wir uns ganz, heil, wohl geborgen und frei fühlen:
Frei von Hass, dem Schattengefühl von Wut.
Frei von Resignation, dem Schattengefühl von Trauer.
Frei von Lähmung, dem Schattengefühl von Angst.
Frei von Illusionen, dem Schattengefühl von Freude.
Frei von Selbstzerfleischung, dem Schattengefühl von Scham.
Mögen wir von ganzem Herzen und aus Liebe
im Frieden mit uns in der Welt leben, wie sie ist:
Wo Wut mit Hass und Groll verkoppelt ist, möge Klarheit werden.
Wo Trauer mit Resignation verbunden ist, möge Liebe werden.
Wo Angst lähmt und Angst macht, möge Lebenskraft werden.
Wo Illusionen sind, möge wahre Schönheit werden.
Wo Scham ist, mögen Selbstreflexion und Heilung werden.
Mögen wir uns mögen:
Im Hier und Jetzt und so wie wir sind.
Mögen wir von innen heilen und ganz werden:
Mit Lebenskraft von unserer Erde.
Mit der Liebe in unseren Herzen.
Mit dem Gold in unseren Seelen.
Links zu Quellen und zu mehr Infos
(1) https://viviandittmar.net/
(2) https://viviandittmar.net/wp-content/uploads/2021/03/Gefuehlskompass_Vivian-Dittmar.pdf