Kopf schlägt Kapital


Habe Mut dich Deines Kopfes zu bedienen. Zu einem sehr gefährlichen Buch von Günter Faltin

Das Buch von Günter Faltin lebt von zwei Unternehmungen, die so erfolgreich sind, dass das Buch davon leben kann. Einmal von dem gewaltigen Unternehmen von Mohammed Yunus und seiner Grameen Bank. Und es lebt von der Idee und Praxis der Teekampagne, die Faltin selbst für Deutschland entwickelt und zum Erfolg gebracht hat. Das Büchlein strömt den Optimismus und die Zuversicht aus, ohne die es auf der Welt keine großen Dinge und Entwicklungen gibt.


Faltin nennt die Menschen, die sich nicht mit dem status quo begnügen social entrepreneur. Das ist ein englisches Wort, das ich für den deutschen Buchmarkt besser deutsch übersetzen würde. Yunus Initiative ist ja bekannt. Er revolutionierte als Wirtschaftsprofessor das gesamte Wesen der Kreditvergabe. Vor Yunus galten die Ärmsten der Armen nicht als kreditwürdig, darüber hinaus nicht als rentable Kunden für die Banken, selbst wenn sie die Kredite zurückbezahlten, denn das war für die konventionellen Banken eine viel zu hohe Verwaltungsaufwand. Und – noch entscheidender – niemand konnte vor Yunus glauben, dass die Ärmsten der Armen die besten Fähigkeiten zum Unternehmer haben. Aber man hätte sich das denken können, denn nur wenn ich ganz viel Unternehmungsgeist und Optimismus habe, kann ich mit 1-2 Dollar pro Tag durchkommen und das noch mit mehreren Kindern.

Yunus schuf deshalb ein gänzlich neues System, er bewies, dass die Armen zurückzahlen und  gute Kreditrisiken sind. Er bewies, dass diese Armen selbst eine Organisation aufbauen, sich selbst aus der Armut befreien können und dabei noch den Stolz haben, dass sie das geschafft haben.

Yunus bekann mit dem lächerlichen Kreditbetrag von umgerechnet 27 US-Dollar und mit 42 Frauen, die er zu Mikro Entrepreneuren machte. Die Kreditnehmer zahlten das Geld zurück – ausnahmslos.

Das andere Beispiel, das Mut machen soll und kann, ist die von Faltin selbst initiierte Teekampagne. Diese Kampagne hatte immer schon den großen Charme, dass sie nicht caritativ und rührselig verbrämt war, sondern nach rein kommerziellen Gesichtspunkten ablief. Das war wirklich sensationell. Denn die Teekampagne ist vielleicht der erste experimentelle Versuch, den Dritte Welt laden richtig kommerziell und sogar nicht teurer zu machen und dennoch Erfolg zu haben: Für die Produzenten von Tee in Sri Lanka.

Faltin hatte die Idee, den Zwischenhandel auszuschalten und damit die Einlaufskosten für den Tee drastisch zu senken. Erst gab es viele Widerstände. Kann man die Sortimentsbreite des Tees einschränken?  Faltin kam dann darauf, dass er bei dieser Kampagne nur noch den besten Tee der Welt einkaufen wollte. Es gibt so einen Tee, der wächst an den Südhängen des Himalaya und trägt den Namen d es geographischen Distriktes: Darjeeling. Das erfuhr der Professor Faltin erst mal in der Bibliothek der Freien Universität Berlin. Die Überlegung von Günter Faltin: Wenn ich Rothschild Lafitte Qualitätswein zum Preis von einfachem Wein kaufen kann, trinke ich nur noch den Rothschild.

Der zweite große Kostenfaktor lag in den Kleinpackungen. Der Teeverbraucher will unverdorbene Ware, und da erscheinen Kleinpackungen obligatorisch zusein. Nach den gesetzlichen Bestimmungen habe aber Tee eine Haltbarkeit von drei Jahren. Faltin kam darauf, als er wieder mal entdeckte, dass seine Kaffeetüte 500 Gramm enthielt. Er fragte sich: Warum gemahlener Kaffee der weit schneller sein Aroma verliert als Tee, als Standard in 500-Gramm Packungen angeboten wird, während der Tee weiter in 100 Gramm Packungen verkauft wird. Antwort: Reine Konvention.

Um es kurz zu machen, auch um die Anregung zu geben, das Buch von Faltin zu lesen. Es klappte. Die Teekampagne bringt das Kunststück fertig, alles auf einmal zu machen: Hohe Qualität, deutlich niedrigere Preise als der etablierte Handel, systematische und aufwendige Rückstandskontrolle, zusätzliche Mittel für das Erzeugerland und trotzdem Überschüsse zu erzielen, die im Unternehmen bleiben.

Heute hat die Teekampagne 180.000 Kunden, sie verkauft pro Jahr mehr als 400 Tonnen Darjeeling Tee, und dies zu 90 Prozent in Großpackungen von einem Kilo. Sei 1996 ist die Teekampagne von Günter Faltin das größte Teeversandhaus in Deutschland. Nach den Informationen des Tea Board of India ist die Teekampagne seit 1998 der weltweit größte Importeur von Darjeeling Blatt Tee, noch vor den international schlagkräftigen Firmen wie Lipton, Unilever, Twinings.

Das Buch von Faltin gibt allen, die unternehmerisches Format an sich entdecken, Hinweis, wie man neue Ideenkonzepte durchsetzt, in dem man immer radikal und respektlos Konventionen infrage stellt.

Eine ganze Fülle an Beispielen hat er von solchen kreativen Gründungen, die sich an die Teekampagne anschlossen. So übertrug das Unternehmen Artefakt die Modalitäten der Teekampagne auf Olivenöl.Das Buch regt an und erweitert unseren Horizont. Es gibt noch viel mehr Möglichkeiten, sich als social entrepreneur durchzusetzen: Kopf schlägt Kapital.

Rupert Neudeck ist Gründer der Grünhelme

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27. November 2008
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