Kryptowährung mit Werten

Das System Bitcoin ist zum Scheitern verurteilt, denn im Interesse von Spekulanten wird aus Strom Geld gemacht. Die alternative Kryptowährung Faircoin aus dem Berner Jura will beweisen, dass es auch anders geht und setzt auf Kooperation und Basisdemokratie.

Chris Zumbrunn: «Im Vergleich zu Bitcoin braucht Faircoin keinen Strom. Es ist einfach eine ganz normale Software.» (Bild: Klaus Petrus)

Riesige Lagerhallen stehen in Island oder der Inneren Mongolei. Darin «schürfen» tausende Rechner Tag und Nacht nach Bitcoin. Es ist ein ständiges Wettrennen um die Lösung eines arbeitsintensiven kryptografischen Problems. Der erste Rechner streicht dabei eine saftige Belohnung von über 100’000 Dollar ein. Gleichzeitig verpufft dieses System konkurrierender «Miner» jährlich 45 TWh Strom – vornehmlich aus Kohle.

 

Doch das ist bei Weitem nicht das einzige Problem der Bitcoin, die einst als grosse Hoffnung libertärer Geister galten. Statt als dezentralisiertes Zahlungsmittel dient es heute vor allem einem weltweiten Netzwerk von SpekulantInnen und hat sich damit von seinem ursprünglichen Zweck entfremdet. Der fatale Denkfehler dahinter (vgl. Zeitpunkt 153): Weil die Geldmenge beschränkt ist, lohnt es sich, auf dem Geld sitzen zu bleiben. Ist das das Ende des schönen Traums?

Die Effizienz von Kooperation
Im anarchistisch geprägten Treffpunkt «Décentrale» oberhalb von Saint-Imier surrt in einem Holzschrank im Wohnzimmer ein Pentium II Prozessor aus dem letzten Jahrtausend. Er dient als einer von zwanzig Knotenpunkten des Netzwerkes von Faircoin. Diese alternative Kryptowährung basiert auf einem revolutionären und weltweit einzigartigen Konzept. Statt wie bei Bitcoin auf verschwenderische Konkurrenz zu setzen, hält die effiziente Kooperation einiger Rechner das System am Laufen.
Neue Münzen gibt es bei Faircoin keine zu schürfen. Stattdessen dient das Netzwerk einzig der Beglaubigung der getätigten Transaktionen. Alle drei Minuten erhält reihum ein neuer Knotenpunkt diese Aufgabe. Als Entschädigung erhalten sie dafür eine kleine Gebühr. Um Missbrauch zu verhindern, findet diese Delegation nur statt, wenn alle anderen Rechner im Netzwerk zustimmen. «Im Vergleich zu Bitcoin braucht Faircoin keinen Strom. Es ist einfach eine ganz normale Software», erläutert Chris Zumbrunn, der den Knotenpunkt in der Décentrale verwaltet.

Dieses System nennt sich «proof-of-cooperation», wurde während zwei Jahren unter der Leitung von Thomas König entwickelt und im Sommer 2017 endlich eingeführt. Faircoin existiert bereits seit 2014, als etwa 50 Millionen Münzen in einer Art Lotterie verteilt wurden. Doch danach wäre die Währung beinahe in der Versenkung verschwunden. Mit dem neuen, effizienten Konzept weht nun ein frischer Wind, der bereits weitere Kryptowährungen anlockt, die das System übernehmen.

Teil eines sozialen Ökosystems
Faircoin ist aber nicht bloss eine weitere Kryptowährung unter tausend anderen. Denn sie ist eng mit der transformativen Bewegung «Faircoop» verknüpft, an der auch in der Décentrale getüftelt wird. Sie steht im Geiste der «integralen Revolution»: Nachhaltigkeit, Kleinräumigkeit, Vielfalt, die Integration von Altem und Neuem sowie geschlossene Kreisläufe sollen unsere Gesellschaft in bessere Bahnen lenken. «Im weitesten Sinn kann man das soziale Permakultur nennen», erläutert der 49-jährige Zumbrunn.
Weil die ökonomischen Zwänge oftmals stärker als das demokratische Potential seien, müsse man nebst alternativen Gesellschaftsmodellen auch das ökonomische System reformieren, meint Zumbrunn beim gemütlichen Essen in der Jugendstilvilla. Faircoin ist dabei ein willkommenes Instrument um ein dezentralisiertes und soziales Ökosystem zu erschaffen. Dies ermögliche Menschen, aus dem Teufelskreis der kapitalistischen Verwertungslogik auszubrechen. Darum sei Faircoin nicht bloss ein ökonomisches Projekt, sondern zwangsläufig auch ein politisches, erklärt Zumbrunn.

Der Warenkorb beginnt klein
Noch sind die Kreisläufe, in denen Faircoin funktioniert, klein und lückenhaft. In der Décentrale gibt es hausgemachte Konfitüren oder Tees aus dem Waldgarten zu kaufen. Auch im selbstverwalteten Kulturzentrum «Espace Noir» in Saint-Imier kann mit Faircoins bezahlt werden. Die weiteren Schritte sind angedacht, aber noch nicht realisiert. Die Vision: Restaurants, die für Faircoin bei lokalen Brauereien ihr Bier beziehen, welche wiederum ihre Angestellten teilweise mit Faircoin bezahlen, die dann im Bioladen im Städtlein ausgegeben werden können. Alles Anreize, um die Wertschöpfung lokal zu halten.

Faircoin soll dabei stets nach basisdemokratischen Prinzipien weiterentwickelt werden. Damit dies funktioniert, will man wie bisher einen Grossteil der Münzen innerhalb der Faircoop Bewegung halten. Das ermöglicht Entscheidungen darüber, in welche Richtung Faircoin fahren soll. Nur so kann auch der zweite Systemfehler von Bitcoin umgangen werden.    
https://fair-coin.org