Mobilfunk: Gewisse Gefahren werden erkannt und benannt
Aber: Der Bundestagsbericht zu Technikfolgen der Mobilfunkstrahlung wurde wesentlich von der Schweizer Lobby-Organisation «Forschungsstiftung Strom und Mobilfunkkommunikation» geschrieben
Die Umwelt- und Verbraucherorganisation diagnose:funk begrüsst die Gesamtaussage des neu erschienenen Technikfolgenberichts zu gesundheitlichen Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung. Gleichzeitig kritisiert diagnose:funk, dass das ‚Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)‘ den wichtigsten Teil des Berichts von der Schweizer Mobilfunk-Lobby schreiben liess.
Von der zuständigen Umweltministerin Steffi Lemke erwartet diagnose:funk nun Taten: Aufklärung der Bevölkerung über die Gesundheitsrisiken der Funktechnik, Schutzvorschriften, Verbreitung und Finanzierung von gesundheitsfreundlichen Alternativen wie Datenübertragung per Licht. Die verharmlosende Kampagne der Bundesregierung «Deutschland spricht über 5G» sollte schnellstens eingestellt werden.
Seit 14. Februar steht der Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung als Drucksache 20/5646 des Deutschen Bundestags in einer Vorabfassung online. Der Titel lautet: «Mögliche gesundheitliche Auswirkungen verschiedener Frequenzbereiche elektromagnetischer Felder (HF-EMF).»
Bundestag-Drucksachen (14.02.2023 auswählen). PDF-Link.
Analyse des Berichts durch diagnose:funk.
Der TAB-Bericht dokumentiert über 60 wissenschaftliche Studien, die signifikante Ergebnisse zu den Gesundheitsgefahren von Mobilfunkstrahlung aufzeigen. Er lobt dabei das hohe Niveau dieser Studien und benennt die gesundheitlichen Folgen von Mobilfunkstrahlung explizit (Seiten 12/13,112).
Die Gesamtaussage enthält auch Vorschläge wie Anpassung der Grenzwerte, die Einrichtung von Schutzzonen, neue technische Standards und die Aufklärung der Bevölkerung (Seite 17 unten). Zur Einführung von 5G kritisiert der TAB-Bericht die „unzulängliche Studienlage“ und fordert das Prinzip der „umsichtigen Vermeidung“ durch staatliche Leitlinien für den Sendeanlagenbau ein (Seite 153).
All dies erinnert an die Aussagen der Studie des Technikfolgenausschusses des EU-Parlaments (STOA) «Gesundheitliche Auswirkungen von 5G».
«Mobilfunk- und WLAN-Strahlung erzeugen oxidativen Zellstress, was wiederum zu entzündlichen und neurodegenerativen Erkrankungen, verminderter Fruchtbarkeit und Krebs führen kann», sagt Jörn Gutbier, Vorsitzender von diagnose:funk. «Dies stellt der nun vorliegende TAB-Bericht – trotz vieler Relativierungen – z.B. auf den Seiten 12, 116 und 119 klar dar. Die Richtung stimmt. Nun muss Umweltministerin Steffi Lemke die Handbremse lösen und den Routenplan des TAB-Berichts richtig herum lesen, damit wir als Gesellschaft verantwortungsvollen Mobilfunk erreichen und das Vorsorgeprinzip einhalten. Die vorhandene Technik kann auch gesundheitsverträglich genutzt werden.»
diagnose:funk kritisiert am Zustandekommen des TAB-Berichts, dass die Schweizer ‚Forschungsstiftung Strom und Mobilfunkkommunikation' (FSM) vom ‚Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestage (TAB)‘ mit der Studie zu Gesundheitsgefahren der Mobilfunkstrahlung beauftragt wurde (Seite 87). Die FSM mit Sitz in Zürich wird zu 98% von den Schweizer Mobilfunk- und Stromnetzbetreibern und deren Zulieferern finanziert. Die Stiftung ist kein Bestandteil der angesehenen Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, sondern hat in deren Gebäuden lediglich ihre Geschäftsstelle eingemietet.
«Der Bundestag führt zurecht ein Lobby-Register, weil Lobbyismus als Problem erkannt wurde», sagt Jörn Gutbier. «Da kann es doch nicht sein, dass das Büro für Technikfolgenabschätzung eine Lobby-Organisation der Mobilfunkindustrie mit ins Boot holt! Gut, dass der TAB-Bericht trotzdem die Studienlage und Konsequenzen daraus benennt und die verharmlosenden Formulierungen der Lobby klar erkennbar sind. Umweltministerin Steffi Lemke hat nun einen Leitfaden an der Hand, wie Vorsorgepolitik im Bereich Mobilfunk aussehen kann. Als relevanter Stakeholder bringen wir uns gerne ein und helfen bei der Lösungsfindung, wie der TAB-Bericht dies auf Seite 17 oben einfordert.»
Die FSM ist vergleichbar mit dem Vorgehen der Tabak-Lobby ab den 1950er Jahren, als die wirtschaftlich interessierten Zigarettenhersteller einen Lobbyverband namens ‚Tobacco Institute, Inc.‘ gründeten. Dieses angebliche Institut gab einseitige Forschungen in Auftrag, vertuschte die bereits damals bekannten Gefahren des Rauchens und betrieb Schönfärberei. Sponsoren und Träger der FSM.
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