Chapeau! für den «Frosch»
Vom Zufluchtsort zum Brockenhaus «Frosch»: Wie sich ein Raum für Massnahmengegner zu einem Begegnungsort für Menschen und Objekte wandelt. Eine Altstadtgeschichte aus Zürich.
Da war ein Raum an der Froschaugasse. Mitten in der Zürcher Altstadt. Leer. 200 Quadratmeter. Draussen tobten die Zertifikatspflicht und die Maskierten. Der Raum bot Platz für die Gegenwelt. Hier würde man sich treffen, die Kinder privat beschulen, ein Restaurant eröffnen. Die Arbeitsgruppen an jenem Samstag im April 2022 waren fleissig. Ein Notfallzentrum? Ein Partyraum? Eigenes Gemüse anpflanzen und in hier verkaufen?
Der Raum schwirrte vor Visionen. Durch Spendenaktionen war die Jahresmiete von 60 000 rasch gesichert. Und der Raum an der Froschaugasse konnte bespielt werden. Aber womit? «Viele wollten sich treffen und miteinander Zeit verbringen», sagt Danielle Looser. Sie hatte die Montagsapéros bei den Freiheitsboten mitorganisiert: Gemütlicher Austausch von Gleichgesinnten. Diese Tradition wollte sie auch im neuen Raum weiterpflegen. Allein, Geld kam so nicht zustande.
«Diese Räume sind so genial. Jetzt aufzugeben wäre schade gewesen», blickt Samuel Peter zurück. Er, Danielle Looser und einige wenige blieben übrig von den trunkenen Anfängen.
Ein Brockenhaus mitten in der edlen Altstadt?
Die Wende brachten ein paar alte Gläser, die Samuel Peter für ein rasch improvisiertes Fest mitgebracht hatte.
«Ein Brockenhaus, das war es!», riefen Samuel Peter und Danielle Looser gleichzeitig aus.
Ein Brockenhaus mitten in der edlen Altstadt?
Peter und Looser ergänzen sich ideal. Anästhesiepfleger Samuel Peter ist der handwerklich Begabte. Er schreinert und hämmert unter anderem Gestelle zurecht. Danielle Looser hat zwar auch 30 Jahre in der Pflege gearbeitet. Aber ursprünglich war sie Goldschmiedin. Ein paar Schritte von der Froschaugasse entfernt liegt das Atelier, das ihr Vater schon besass.
Danielles eigentliches Kapital ist ihre Vernetztheit. Sie kennt, Gassen rauf, Gassen runter, gefühlt alle Altstadbewohner Zürichs. Längst nicht alle teilen Danielles und Samuels kritische Coronahaltung. Doch Alt und Jung tragen ihr Geschirr ins neue entstandene Brockenhaus. «Bei euch ist es schön», sagen sie, «anders als in anderen Brockenhäusern».
Tatsächlich, die Dinge im «Frosch», wie sich der Raum nun nennt, liegen akkurat in ihren Gestellen. Und im Schaufenster amüsieren sich Puppen, deren Pullover und Kleider Danielle Looser selber gestrickt und genäht hat.
Doch nicht die Ordnung machen das Besondere am «Frosch» aus.
Es ist der lange Tisch am Fenster. «Hier treffen sich die Leute aus allen politischen Lagern und diskutieren miteinander», erzählt Looser. Bei einem Cappuccino für 3.50 Franken stecken auch gänzlich Unbekannte die Köpfe zusammen und tauschen sich aus. Und hier breiten die freiwilligen Mitarbeiterinnen ihr Mittagessen aus und teilen es das eine oder andere Mal mit den Besuchern des Brockenhauses. Und wer sich berufen fühlt, kann mit dem e-piano, das prominent beim Eingang steht, zur musikalischen Unterhaltung beitragen.
«Wir hätten tatsächlich gerne ein Restaurant hier eröffnet», gibt Samuel Peter zu. Indes, Investitionen für das geschichtsträchtige Haus, das gemäss den Archäologen der Stadt Zürich vermutlich eine Synagoge gewesen war, hätten die Möglichkeiten der Träger überstiegen.
«Bald haben wir es geschafft», sagt Danielle Looser und meint damit, dass sie die 5000 Franken Mieteinnahmen monatlich einspielen würden mit ihrem Betrieb. «Die Einnahmen steigen jeden Monat», sagt sie und scheint selbst ein bisschen erstaunt, dass es so gut läuft im «Frosch».
Weniger erfolgreich ist der andere Zweig des Projekts: Die Abteile im hinteren Teil des zweistöckigen Raumes würden sich für kleine Veranstaltungen bis 50 Leute eignen. Aber nichts schlägt so richtig ein, weder Yoga, noch Meditation noch Vorträge zur Stressreduktion ziehen viele Menschen an. Wie der Telegramkanal des «Froschs» mitteilt, müssen sie häufig gestrichen werden. Aber wer weiss, vielleicht steckt im «Frosch» noch ein Froschkönig, der nur noch wachgeküsst werden muss.
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