Die Allinclusive-Wende des Feminismus. Oder warum ich nicht gendere.
Nun sind, wo Frauen draufsteht oder ein Sternchen prangt, alle mitgemeint. An der Schlechterstellung der Frauenberufe ändert sich allerdings dadurch kein Jota.
Es mag daran liegen, dass Mädchen lieber mit Puppen spielen und Jungs mit Autos. (Wenn sie denn überhaupt noch mit Gegenständen spielen und nicht auf irrlichternde Scheinknöpfe drücken.)
Es mag also daran liegen, dass Frauen sich eher für Beziehungen (zwischen Menschen) und Männer für Bezüge (Bankbezüge oder jene zwischen mathematischen Grössen) interessieren. Und deshalb mehr Frauen Sozialpädagogik studieren oder Kindergärtnerinnen und Primarlehrerinnen werden. Ob angeboren oder anerzogen – es gibt sicher sehr viele Studien, die beides beweisen können. Und letztlich ist es egal. Denn Tatsache ist, dass es einen Überhang an Frauen gibt in den sozialen und auch in den Pflegeberufen.
Oder vielleicht meiden Männer diese Berufe ganz einfach darum, weil sie zu wenig Prestige bieten? Weil die Berufe akademisiert wurden, die Arbeitsbedingungen sich aber gleichzeitig verschlechtert haben?
Ein Studium an der Pädagogischen Hochschule oder an der Fachhochschule für Soziale Arbeit verlangt ein hohes Mass an Fleiss und Frusttoleranz. Das zu Erlernende hat häufig herzlich wenig mit dem Berufsalltag zu tun. Fleiss und Selbstaufgabe wiederum gelten heute noch als frauliche Eigenschaften. Zudem hat man dann zwar ein Studium im Sack, aber keine Garantie für hohe Löhne. Eher das blanke Gegenteil. Denn häufig kann der Beruf, auch aus Rücksicht auf die eigene Familie, aber vor allem wegen der Belastung und den ständig wechselnden Arbeitszeiten, nicht zu 100 Prozent ausgeführt werden.
Ja, und die Arbeitsbedingungen. Ich habe bis vor kurzem nicht gewusst, dass sich soziale Institutionen nicht an das Arbeitsgesetz halten müssen.
Eine junge Bekannte stolperte kürzlich über diese «Lizenz zur Selbstausbeutung».
Als Paula (Künstlername) ihr Praktikum bei einer Institution für schwer verhaltensauffällige Kinder antreten wollte, hiess es zu den Pausenregelungen: «Also eigentlich machen wir gar keine Pausen. Aber hie und da kannst du dich für fünf Minuten herausziehen.» Fünf Minuten bei Elfstundenblöcken? Fünf Minuten, um sich – häufig – als Alleinbetreuende von kreischenden, beissenden, mit Gegenständen schmeissenden Kindern und Jugendlichen ausruhen zu können? Sie rief verzweifelt den Praktikumsverantwortlichen ihrer Fachhochschule (FH) für Soziale Arbeit an.
Der klärte sie auf, dass es nun mal diese Ausnahmeregelung für Sozialinstitutionen gebe.
Anschauliches Beispiel dafür, wie praxistauglich der Unterricht an der FH ist: Paula musste zwar ein Semester lang Hunderte von Gesetzen büffeln, unter anderem auch Arbeitsrecht, aber niemand klärte die Studentinnen über diese abgründige Gesetzeslücke auf, die einschneidende Auswirkungen auf ihr Arbeitsfeld hat.
Wie gesagt, vielleicht liegt es wirklich daran, dass Mädchen lieber mit Puppen spielen.
Oder liegt es auch ganz einfach daran, dass sich Männer nicht kujonieren lassen?
Oder dass wir im Patriarchat leben?
Die bessere Frage ist: Was tut unsere Gesellschaft, um für soziale, pädagogische und pflegerische Jobs gute Rahmenbedingungen zu schaffen?
Antwort: Die Gesellschaft gendert. Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen. Pflegefachkräfte. Lehrer*innen. Kolleg*innen.
Sie ist inklusiv. Alle sind gemeint.
Sie ist woke. Wer nicht gendert, ist böse.
Die Gesellschaft symbolitisiert (Wortkreation für Symbolpolitik betreiben).
Sie tut nur so, als ob.
Also eigentlich tut sie nichts.
Und die Fachhochschulen heucheln am besten. Wer nicht gendert, fällt durch.
Von der SVP (Schweizerische Volkspartei) erwarte ich nicht, dass sie traditionelle Frauenberufe finanziell aufwertet.
Aber auch Linke gendern nun lieber, als sich um die Aufwertung der Frauenberufe zu kümmern. Denn wenn Genderrollen fluid werden, gibt es ja keine typischen Frauenberufe.
Auch für den Feminismus gibt es keine Frauen. Der Frauenstreik heisst jetzt feministischer Streik, um möglichst alle zu inkludieren. Und die Frauen endgültig auszustossen.
Für mich ist Gendern deshalb nicht nur ästhetisch scheusslich, sondern ein Bumerang für die Frauen. Die zwanghafte Sichtbarmachung durch Sternchen und -innen, versetzt ihre reale Schlechterstellung mit dem Ruch der Heuchelei.
Ebenfalls im «Zeitpunkt» erschienen:
- Die Sex-Mythen des Feminismus
- Das höchste Glück auf Erden
- Rise for Freedom – Aufstehen und Tanzen gegen Gewalt
- Das Patriarchat – ein Bruchstück verliess das Ganze
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Gendern
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