Guatemala ein unsicheres Land? Eine Farce!
Guatemala-Storys – Teil 2. Im zweiten Teil seiner Guatemala-Story nimmt Bobby Langer das Klischee des Landes als gefährlich aufs Korn.
Die deutsche Bundesregierung hält nicht viel von Guatemala. Potenziell dorthin Reisende warnt sie folgendermassen:
Von nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Guatemala wird derzeit abgeraten … Aufgrund der politischen Lage nach den Präsidentschaftswahlen wurden aktuell im ganzen Land Strassenblockaden errichtet und es finden teilweise gewaltsame Proteste statt. In den an den Protesten teilnehmenden Gemeinden können jederzeit Konflikte zwischen Sicherheitskräften und Demonstrierenden ausbrechen.
- Meiden Sie Demonstrationen und grössere Menschenansammlungen weiträumig.
- Folgen Sie unbedingt den Anweisungen lokaler Sicherheitskräfte.
Guatemala verzeichnet eine hohe Kriminalitätsrate. Neben der allgemeinen Strassenkriminalität ist Guatemala auch Schauplatz von Auseinandersetzungen im Bereich der Bandenkriminalität. Die Hemmschwelle beim Einsatz von Gewalt ist niedrig. Das Risiko von Überfällen und Übergriffen besteht grundsätzlich auch in Touristenzentren wie Antigua, Flores, Tikal und am Atitlán-See sowie beim Besuch von Vulkanen.
Leisten Sie bei Überfällen keinen Widerstand und führen Sie möglichst einen kleineren Geldbetrag in einer getrennten Geldbörse und evtl. ein zweites Mobiltelefon mit sich.
Bevorzugen Sie bargeldlose Zahlungen und nehmen Sie nur das für den Tag benötigte Bargeld und keine unnötigen Wertsachen mit.»
Philip aus Sachsen-Anhalt, der seit sechs Jahren im Land ist, hält das für eine Farce. «Vielleicht», mutmasst er, «hängt das damit zusammen, dass Guatemala seinen Binnenmarkt mit einer 40-prozentigen Importsteuer schützt? Das passt weder den Amis noch den deutschen Exportweltmeistern.»
«Anders als die meisten denken», bemerkt er, «gibt es hier eine durchaus funktionierende Verwaltung, auch wenn man mit ein paar tausend Quetzales manches ‚richten‘ kann, was sonst vielleicht nicht funktioniert.» Als Beispiel für funktionierende Verwaltung nennt er die beiden Beamten, die kürzlich vor seiner Bäckereitür standen, um nach dem Rechten zu sehen. Dazu gehören in Lebensmittel verarbeitenden Betrieben z. B. ein Handwaschbecken mit Seife am Arbeitsplatz oder Haarnetze im Produktionsbereich.
Neuerdings müssen auch alle Mitarbeiter einen Erste-Hilfe-Kurs nachweisen können. Zusätzlich muss immer ein Mitarbeiter vor Ort sein, der eine Erste-Hilfe-Zusatzausbildung gemacht hat. Ein anderes Beispiel ist das Stromablesen. Jeden Monat kommt jemand, liest den Zählerstand ab und druckt auf seinem Gerät die Rechnung aus, die man auch gleich per Handy begleichen könne.
Was das Wasser angeht, so hält Philip die landesüblichen Keramik-Wasserfilter für ausreichend, wie sie in den Hostels üblich sind. Natürlich könne man auch Wasser in Flaschen kaufen, aber letztlich sei das Geldverschwendung.
Auf die Frage nach der allgemeinen, persönlichen Sicherheit antwortet er, er habe in den sechs Jahren seines Aufenthalts noch nicht einmal ein Problem gehabt. «Dabei war ich vor ein paar Jahren echt leichtsinnig. Wir waren zum Beispiel in San Pedro – quer über dem See – zum Partymachen und wollten nachts um halb drei angesoffen zurück. Also liessen wir uns von diversen TucTucs rund um den See zurückkutschieren – die Taschen voller Dollars. Die hätten nur rechts ranfahren brauchen, und wir wären geliefert gewesen. Aber wir kamen unbelästigt zu Hause an.»
Carlos, ein US-Bluesmusiker, der seit über 20 Jahren in San Marcos la Laguna lebt, kann das bestätigen. Er habe zwar zwei-, dreimal in den Bergen «eine schwierige Situation» gehabt, aber passiert sei letztlich nie was. Und das, obwohl beide, Philip, 34, und Carlos, 73, unübersehbar Westler sind.
Was die politische Situation angeht, so hält sich Philip raus und empfiehlt das auch allen Besuchern. «Wir verstehen viel zu wenig, wer hier gegen wen ist und warum.» Wer als Tourist oder Einwanderer komme, müsse weder um Leib und Leben noch um sein Geld fürchten. Eine gewisse Ausnahme bilde die Hauptstadt Guatemala City mit ihren geschätzten 1,2 Millionen Einwohnern. Aber auch dort helfe gesunder Menschenverstand. Manche Viertel wie die Zone 4 seien mit Berlin-Mitte vergleichbar, zu den Zonen 1 oder 9 hält man lieber Abstand. Er sei da zwar auch schon gewesen, aber nur bei Tag. Da habe man ihn angesprochen, ob er denn vom Mars sei. Weisse begeben sich nämlich nicht dorthin, und schon gar nicht blond gelockte junge Männer wie er.
von:
Über
Bobby Langer
*1953, gehört seit 1976 zur Umweltbewegung und versteht sich selbst als «trans» im Sinn von transnational, transreligiös, transpolitisch, transemotional und transrational. Den Begriff «Umwelt» hält er für ein Relikt des mentalen Mittelalters und hofft auf eine kopernikanische Wende des westlichen Geistes: die Erkenntnis nämlich, dass sich die Welt nicht um den Menschen dreht, sondern der Mensch in ihr und mit ihr ist wie alle anderen Tiere. Er bevorzugt deshalb den Begriff «Mitwelt».
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