Olympiaboykott, Doping und Menschenrechte in China

Die Gewalt in Tibet geht weiter, ein Fakt, der die Autorin Ines Geipel nicht wundert. Die ehemalige Leistungssportlerin sagt im Interview mit Sonntag Aktuell: "Es gibt eine olympische Charta, nach deren Kriterien die Spiele nie nach China hätten vergeben werden dürfen."

Frau Geipel, Sie haben letzten Sommer gesagt: "Wer zu den Olympischen Spielen nach Peking fährt, weiß, dass er mit Mördern feiert."

Ist ja auch so. Es gibt schließlich nicht nur Tibet. Bekannt und dokumentiert ist, dass in China Tausende Menschen zu Tode gefoltert werden. Das sind Tatsachen.


Wundert es Sie, was zurzeit in Tibet passiert?

Überhaupt nicht. Die Situation der Menschenrechte in China ist dauerhaft katastrophal und seit langem bekannt. Es war immer nur die Frage, was wir davon wahrnehmen wollen. Die Tibeter waren jetzt sehr mutig, machen aber seit langem schon eine geschickte Öffentlichkeitsarbeit, was wohl auch mit dem indischen Exil des Dalai Lama zu tun hat. Die Demokratiebewegung in China selbst hat es da schon deutlich schwerer, auf sich aufmerksam zu machen.


Warum, glauben Sie, hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) 2001 die Spiele trotz der Menschenrechtsproblematik nach Peking vergeben?

Das alte IOC um Juan Antonio Samaranch hatte ein ausgeprägtes Faible für Diktaturen. Ich fand es jedenfalls damals schon peinlich, wie das IOC die jahrelangen Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen von Amnesty International und Human Rights Watch schlichtweg ignoriert hat. Seit China den Zuschlag für die Spiele 2008 erhalten hat, gab es zur Menschenrechtsproblematik vonseiten des IOC und auch seit 2005 vom DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) immer nur den einen Satz: es wird alles besser werden.
Von dieser Illusion sind sie trotz aller grausigen Fakten nie abgerückt. IOC-Präsident Jacques Rogge hat noch im Dezember 2007 auf die Frage nach den Menschenrechten in China in einem Interview gesagt, er sehe das Glas halb voll und nicht halb leer. Jetzt sagt Rogge plötzlich gar nichts mehr. Es gab die ganze Zeit über weder vom IOC noch vom DOSB auch nur einen einzigen Satz, der die Menschen in China konkret in den Blick genommen hätte. Aber hier geht es nun mal um Menschen und nicht um halb volle Gläser.


DOSB-Präsident Thomas Bach sagt in solchen Situationen immer gerne, man solle den Sport nicht unnötig politisieren.

Prima Abwehrfloskel, aber es gibt halt eine olympische Charta, nach deren Kriterien die Spiele nie nach China hätten vergeben werden dürfen. Menschenrechte, Glaubens- und Gewaltfreiheit sind in der Charta festgeschrieben und werden in China unverändert verletzt.
Dann soll das IOC doch gleich sagen, O.k., das Ganze ist eine Farce, wir wollen maximal Geld verdienen, alles andere interessiert uns nicht. Aber unentwegt diese salbungsvollen Sätze von Fairness, Harmonie, Leidenschaft vor sich her tragen - dieses ganze Gedöns geht mir total auf den Wecker. Ich bin jedenfalls gespannt, ob Bach wie angekündigt am olympischen Fackellauf durch China teilnimmt. Damit würde er ja doch trotz Tibet, Uiguren, Falun Gong das olympische Feuer für die chinesische Diktatur tragen. Wie will er da wieder rauskommen?

Quellen: Sonntag-aktuell /sonnenseite
Ganzes Interview lesen
30. März 2008
von: