Rent a Traummann!
Bekenntnisse des Hausmanns Jan-Patrick – ein satirisches (fiktives) Interview von Roland Rottenfusser
Für jeden grossen Traum des Menschen gibt es ein Angebot, das verspricht, dieses Bedürfnis gegen entsprechende Bezahlung zu befriedigen. Reisen, Kleider, Schmuck, Autos, Status, Sex. Warum sollte da der grösste Traum jeder Frau unerfüllbar sein: mit einem Mann zusammenzuleben, der alle Wünsche des Körpers und der Seele erfüllt, ohne etwas Vergleichbares für sich zu fordern? Jan-Patrick ist einer dieser Männer. Er ist perfekt, und frau kann seine Vollkommenheit geniessen – gegen Geld. Zu schön, zu bizarr, um wahr zu sein? Der folgenden Beichte eines professionellen Hausmanns möge es gelingen, diese Zweifel zu beseitigen.
Zeitpunkt: Jan-Patrick, deine Berufsbezeichnung ist ganz harmlos «Hausmann», viele halten dich für eine Art Callboy. Wo liegt die Wahrheit?
Jan-Patrik: Sexuelle Dienstleistungen sind nur ein kleiner Teil meiner Angebotspalette, ebenso wie Hausarbeiten, obwohl ich klassische Aufgaben wie Kochen, Waschen und Bügeln natürlich auch auf Wunsch erledige. Am ehesten trifft es die Bezeichnung «bezahlter Lebensabschnittsgefährte».
Das heisst, du lebst mit Frauen zusammen und teilst mit ihnen den Alltag – über Monate und Jahre und gegen Geld?
Ja, in vertraglich geregelten Zeiträumen. Z.B. drei Abende unter der Woche und ein ganzer Tag am Wochenende. Daneben habe ich Freizeit und Urlaub. Ich habe neben der gemeinsamen Wohnung mit meiner Kundin noch eine eigene. Mein Vertrag als Hausmann läuft über eine bestimmte Zeit, z.B. ein Jahr und kann nur gegen eine Abfindung gekündigt werden. So lange bin ich das, was man gemeinhin den «Freund» oder «Partner» der Frau nennt.
Worin genau besteht deine Dienstleistung?
Ich bin der Mann, den sich eine Frau wünscht, und da diese Wünsche bei jeder Frau verschieden gelagert sind, wechsle ich meine Identität je nach Auftraggeberin. Ich kann das Schosshündchen geben oder den Macho, den Intellektuellen, den Witzbold, den feurigen Liebhaber oder den Psychotherapeuten. Ich höre mir z.B. stundenlang die Probleme meiner Kundinnen an und versuche sie aufzurichten, ohne sie im geringsten mit meinen eigenen Problemen zu behelligen. Ich bin ihr Steigbügelhalter, ihr Sündenbock oder ihr seelischer Mülleimer, ich bin ihr Vibrator oder ihr Kuscheltier – je nach Bedarf. Mein Dienstleistungsangebot heisst: Ich bin der Mann deiner Träume, wie du mich haben möchtest – aber all das gegen Bezahlung.
Jetzt wird es wirklich interessant: Wie ist denn ein Mann beschaffen, den sich Frauen wünschen?
Zwei gesellschaftliche Entwicklungen haben den neuen Beruf des bezahlten Hausmannes ermöglicht: Zunächst mal erreichen Frauen immer mehr besser bezahlte Positionen, die es ihnen erlauben, Überschüsse zu erwirtschaften.
Zweitens sind die Anforderungen von Frauen an Männer in privaten Lebenspartnerschaften so hoch geworden, dass sie von Laien kaum mehr zu bewältigen sind. Unvorbereitete Männer ohne entsprechende Ausbildung überfordern sich im Wunsch, es ihrer Frau recht zu machen, gerade weil deren Wünsche so paradox sind. Männer verblühen regelrecht an der Seite solcher Frauen, sie werden seelisch krank oder aggressiv.
Auf diesem Dilemma basiert unsere Geschäftsidee: Die Frauen geben uns ihr überschüssiges Geld, wir geben dafür den idealen Mann: einfühlsam, stark und doch beliebig anpassungsfähig, ein As im Bett, aber jederzeit bereit zurückzustecken, bewandert in allen Hausarbeiten und doch aus jeder Pore Männlichkeit verströmend.
Und Frauen bezahlen dich dafür? Wünschen die sich nicht einen ehrlichen Partner anstatt nur einen «Partner-Darsteller»?
Männer, die versuchen, es einer Frau recht machen zu wollen, kommen schnell an den Punkt, wo sie sich verleugnen und zu Schauspielern werden. Sie spielen den Braven, Geduldigen, sexuell Anspruchslosen, der sich für die Fortschritte des Feminismus begeistert und den stundenlange Problemdiskussionen freudig erregen. Frauen erziehen Männer zu dieser Art von Unwahrhaftigkeit und verachten sie zugleich dafür. Viele bevorzugen deshalb mittlerweile uns Hausmänner, weil wir nicht so tun, als wären wir etwas anderes als Schauspieler. In gewisser Weise sind wir ehrlicher.
Macht es dir nichts aus, dich selbst als eine Art von Hure zu beschreiben?
Nein, warum denn? Die Kommerzialisierung von Leistungen, die in partnerschaftlichen Beziehungen bisher umsonst gegeben wurden, ist nur ein notwendiges Symptom der Zeitenwende, in der wir uns befinden. Im Patriarchat haben Frauen den Männern Dienstleistungen, bei denen die Nachfrage grösser war als das Angebot, gegen Geld gewährt. Also gab es die Prostitution, weil die Ehefrauen diesem Bedürfnis des Mannes nicht im gewünschten Umfang entsprechen konnten.
Das wichtigste Bedürfnis der Frauen ist es, ein Mischwesen aus Callboy, Psychotherapeut und Schattenträger langfristig an sich zu binden. Es ist nur logisch, dass sich auch für dieses Bedürfnis ein kommerzieller Anbieter finden musste, denn hier ist die Nachfrage von Frauen naturgemäss grösser als das Angebot an Männern, die sich zu einer solch undankbaren Rolle freiwillig bereit finden. Der neue Beruf des professionellen Hausmannes schliesst eine vorhandene Gerechtigkeitslücke: Da sich der Nutzen aus gleichberechtigten Beziehungen einseitig zugunsten der Frauen verschoben hat, verlangen Männer nur legitimerweise als Gegenleistung Geld für ihre Dienste. Das ist nichts anderes als der Weg zu echter Gleichberechtigung.
Was macht dich zum Profi?
In der Hausmännerschule erlernen wir neben den gängigen Haushaltsarbeiten vor allem sexuelle Techniken wie Orgasmusvermeidung und -verzögerung, manuelle und orale Stimulation der Frau, erotische Massagen, Gesundheitsvorsorge zur Erhaltung unserer Vitalität und Potenz. Neben den Praxisfächern lehren die Hausmännerschulen auch Grundzüge der Feminismustheorie, grosse Frauengestalten in Geschichte und Gegenwart, die Entwicklungspsychologie der Frau sowie Neurosenlehre, Gesprächstechniken wie aktives Zuhören, die Kunst, der Meinung der Frau eine scheinbare Gegenmeinung entgegenzusetzen, um dann am Ende doch nachzugeben. Auch Emotionskontrolle wird trainiert. In unserer Freizeit üben wir die emotionelle Entladung: In den Hausmännergruppen schreien wir zum Beispiel Frauenpuppen an, dreschen auf Kissen ein, wüten und toben. Wir treffen uns zum Biertrinken und reissen Frauenwitze oder leisten uns einen gemeinsamen Bordellbesuch. So ersticken wir nicht unter dem Druck angestauter Aggressionen.
Damit stellst du den Männern aber auch kein gutes Zeugnis aus. Ist das wirklich das Wesen des Mannes, wenn er seine Maske ablegt?
Männer sind grossartige Menschen, wenn man sie ihrer Art gemäss leben lässt. Dann treten diese Schatteneigenschaften auch nicht so extrem auf. Ihrer Natur nach sind Männer geistige Wesen, die eine gewisse Scheu haben, sich auf die materielle Welt einzulassen. Sie machen nicht gern Hausarbeit, weil sie es eigentlich für unter ihrer Würde halten, dass etwas Banales wie schmutzige Wäsche ihren Tagesablauf kontrolliert. Das Wesen des Mannes ist die Freiheit. Frei sein von Rhythmen der Natur wie Mondzyklus oder Menstruation, frei von der sklavischen Gebundenheit an die Welt des Materiellen. Männer schweigen gern und ziehen sich in eine Innenwelt zurück, in der sie sich freier fühlen als unter dem kräftezehrenden Trommelfeuer weiblicher Gesprächsangebote. Sie begeben sich gern in ironische, sachliche oder wissenschaftliche Distanz – alles Strategien, um sich zu erheben über das Drama des irdischen Lebens. Männer sind Himmelssucher und Erdenflüchtlinge.
Und woraus ergeben sich dann die Konflikte mit der Frau?
Frauen erleben das So-Sein des Mannes zunächst einmal als fremd und unverständlich. Dies war schon immer so, aber in den letzten Jahrzehnten hat ihnen der Feminismus die argumentativen Waffen in die Hand gegeben, um dieses «Anders-Sein» des Mannes in ein «Schlechter-Sein» umzudeuten. Das Tragische ist nun, dass viele moderne Männer dieses Urteil der Frauen angenommen haben, und zwar in der wohlmeinenden, aber verfehlten Absicht, die Gräuel des Patriarchats wieder gut zu machen – der Mann, eine Fehlkonstruktion. Männer haben verlernt, die Schönheit und Würde ihres So-Seins selbstbewusst zu vertreten. Statt zu sagen:«Ja, so sind wir Männer, und das ist gut so», argumentieren sie nur noch windelweich: «Ich weiss, ich bin schlimm, aber ich werde hart daran arbeiten, so zu werden, wie Ihr Frauen jetzt schon seid». Statt gute Männer werden sie zu schlechten Kopien eines fehlgeleiteten Weiblichkeitsideals.
Was ist denn so schlimm am Zusammenleben mit einer modernen Frau? Kannst du ein paar Beispiele nennen?
Natürlich. Mit einer meiner Auftraggeberinnen schaute ich z.B. eine Fernsehsendung über Genitalverstümmelungen an afghanischen Mädchen an. Während der Sendung spürte ich schon, wie sich die Wut auf die Männer aufbaute, bis sie herausplatzte: «Wie fühlst du dich eigentlich als Mann, wenn du das siehst?» Mein ganzes Mitgefühl war während der Sendung bei den misshandelten Mädchen gewesen. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, etwas damit zu tun zu haben. Du hast keine Chance als Mann, dich durch anständiges Verhalten zu bewähren. Du unterliegst einer Kollektivschuld. Der Mann ist unter den Geschlechtern, was die Deutschen unter den Nationen. Beide sind daran gewöhnt, mit gebremster Selbstachtung durchs Leben zu gehen. Und in beiden Fällen hat dies historische Gründe. Natürlich sind Männer für mehr Gräueltaten in der Geschichte verantwortlich, wie auch die meisten kreativen Höchstleistungen von Männern vollbracht wurde. Der moderne Mann ist so erzogen, dass er sich für Hitler entschuldigt, während er an Mozarts Musik «die weibliche Energie» lobt.
Und woran liegt es, dass Frauen so sind?
Sie sehen den Mann an ihrer Seite als Soldaten einer feindlichen Armee an, und das Bett ist die Front, an der der historische Kampf zwischen den Geschlechtern exemplarisch ausgefochten werden muss. Wirkliche Liebe und Verständnis für den Partner wäre Verrat an der Sache der Frau. Das Schlimme ist, dass es meistens die Falschen trifft. Echte Chauvis und Arschlöcher fühlen sich von Frauen wie meinen Kundinnen gar nicht angezogen, oder sie suchen bei ersten Anzeichen solcher Zickereien genervt das Weite. Nur die unsicheren, gutmütigen, denen es auf Fairness und echte Gleichberechtigung ankommt, harren mit erstaunlichem Durchhaltevermögen in Beziehungen aus, in denen ihnen jede natürliche Regung ihres Mannseins abgeschnitten wird.
01. Mai 2007
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