Schöpferische Freiheit

Wir können fragen: Was ist Unfreiheit, was schränkt uns ein, was bestimmt uns, wo wiederholen wir uns? Dann finden wir Antworten auf die Frage der Freiheit.

(Foto: Simon Berger / unsplash.com)

Im weitesten Sinne sind wir konditioniert durch Form. Was ist Form? Alles Erscheinende und Vergehende, alles Phänomenale, vom Gedanken bis zu einer Galaxie.

Die Suche nach Freiheit ist ein Abenteuer. Ich verlasse das Gewohnte. Dazu gehören Neugier, Entdeckerlust, ein eingeborener Trieb, das Gewohnte zu übersteigen, infrage zu stellen, Neuland zu betreten. Das ist Evolution.

So begeben wir uns auf die Reise, auf die Suche, wir lassen uns ein auf dieses Abenteuer. Auf unserer Reise begegnen wir dem Nichts, der Leere, dem Nullpunkt, dem Nichtwissen. Wir freunden uns an mit dem Nichts. Das kann auch Angst machen, es gibt Ent-Täuschung, Verlustgefühl, Unvermögen, Versagen … alle Künstler kennen das, diesen zuweilen schmerzvollen Geburtsprozess.

Aber wir kennen auch die erwartungsvolle Spannung. Denn am Nullpunkt werden wir – nicht ohne Geduld – fündig, etwas Neues wird geboren aus dem Nichts, aus dem Nichtwissen, es keimt geheimnisvoll im Dunkeln und tritt dann ans Licht. Aus einem Ahnen gebiert sich das Neue. Intuition.

Schöpferische Freiheit geschieht da, wo wir uns auf dieses Abenteuer einlassen, allen Konditionierungen entfliehen und bereit sind für das Wunder. Etwas erscheint in uns, durch uns, das wir selbst noch nicht kennen. Und das bringt Glück, ein tiefes Staunen, eine Freude, Erfüllung, Sinn. Das kann auch blitzartig geschehen, ganz spontan.

Unser Anderssein sollten wir nicht kritisieren, sondern neugierig uns selbst zum Forschungsobjekt machen. Was ist meine Einzigartigkeit, wie möchte sie sich artikulieren? Welche Elemente brauche ich dazu, was gilt es zu entwickeln, zu fördern? Wie kann ich ganz zu mir selbst stehen? Mich ganz annehmen, ja lieben? Das sind unsere Herausforderungen, die Hürden auf dem künstlerischen, dem musischen, dem Weg unserer Menschwerdung.

Wirklich frei sind wir erst, wenn wir ganz dem Nichts vertrauen, dem Urgrund, der schöpferischen Quelle. Schillernde Facetten der Schöpfung reflektieren sich in uns.

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Markus Stockhausen (*1957), Trompeter und Komponist, ist bekannt als vielseitiger Grenzgänger. 25 Jahre lang konzertierte er mit seinem Vater, dem Komponisten Karlheinz Stockhausen, der viele Werke für ihn schrieb. Als Trompeter konzertiert er international und komponierte u.a. für die zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker, die London Sinfonietta, das Metropole Orkest, die Hamburger Symphoniker u.a.
2005 wurde er mit dem WDR-Jazzpreis als bester Improvisator ausgezeichnet, 2017 mit der «Silbernen Stimmgabel» und dem JTI Jazz Award, 2018 bekam er den Echo Jazz Preis, 2021 den Deutschen Jazzpreis als bester Blechbläser. Er gibt Seminare zum Thema «Intuitive Musik» und seit vielen Jahren «Singen und Stille – Wenn die Seele singt». Sein Interesse gilt der «Transformation durch Klang». Über 90 CD-Veröffentlichungen. Er ist Mitinitiant des Netzwerks «Musik und Freiheit»
www.markusstockhausen.de