Schwarze Kutten, weisse Kittel

Die Farbe der Kleidung hat Signalwirkung. So bedeutete schwarz früher, dass jemand in Trauer, und weiss, dass jemand eine (mehr oder minder) jungfräuliche Braut war. Heute treffen dieselben Farben andere Aussagen, etwa: «Mir egal, ob ich übernächtigt aussehe» oder auch «Ich trage dunklen Puder». Hier ein Blick auf die Extreme an beiden Enden des Regenbogens – unter Auslassung der dogmatischen Kontrastfarbenträger: Anhänger des Ku-Klux-Klans und Ninjas; Würdenträger in schwarz und Halbgötter in weiss.

Drüben im Dunkeln steht der Goth und trägt schwarz, weil es mit der Nacht assoziiert wird, an die Abgründe der menschlichen Seele erinnert. Am liebsten wäre ihm, er würde den Eindruck erwecken, die Nächte bei unaussprechlichem Treiben auf dem Friedhof zu verbringen, mit Gevatter Tod auf Du und Du. Der schwarze Nagellack verdeckt die Graberde unter den Fingernägeln, der Kajal intensiviert den finsteren Blick aus jungen Augen, die noch kein echtes Elend gesehen haben. Goths sind in der Regel freundliche Leute, die bereitwillig Auskunft geben, wenn sie gefragt werden – und man sich dabei nicht über ihren Musikgeschmack mokiert.

Hüben im Hellen schwebt der New-Age-Jünger in der Farbe des Lichts. Licht ist Energie,  ist Liebe, ist sein Wesen. Wenn seine Kleidung nicht vollkommen an den Weissen Riesen erinnert, dann deshalb, weil er halt doch noch ein klein wenig im Irdischen verhaftet ist. Das Weisssein sollte man nicht mit Unschuld verwechseln: Sie sind massiv missionarisch unterwegs und tratschen gern über ihre Mit-Jünger. Weiss ist für sie weniger Mode, mehr Heilslehre. Die New Ager bilden sich ein, diese Farbe segne ihre Träger mit altersloser Leuchtkraft, doch ein Blick ins Gesicht verrät meist mehr Lebenserfahrung, als die Jünger – alte Seelen in eitler Hülle – zuzugeben bereit sind.

Jenseits dieser Extreme sind schwächere Ausprägungen wahrzunehmen: Die «klassisch zeitlosen» Schwarzträger tarnen die eigene Scheu, sich abzuheben, als «Style». Diese Raben im Reich der Paradiesvögel tragen schwarz, weil es einfach immer passt: klar, prägnant, unprätentiös. Black is the new Black, sozusagen. Bloss nicht durch den Griff zur Farbe angreifbar werden, denn Farbe ist Schwäche, und in Pastelltönen würden sie schlichtweg verrecken. Man kann es guten Stil nennen, klar. Man könnte es aber auch als Einfallslosigkeit oder Konformismus bezeichnen. Ihnen gegenüber stehen die Weissträger, die ernsthaft glauben, dass sie in dieser Farbe glaubwürdiger, dynamischer und gebräunter wirken. Wenn sie weiblich sind, kombinieren sie dazu Süsswasserperlen; wenn sie männlich sind, neigen sie zur Brustbehaarung. Der «ewige Urlauber» ist der sprichwörtliche Schneeball in der Hölle, weiss bleibt nun einmal nicht weiss. Die Farbe verrät mehr über ihre Träger, als man wissen will: Wo sie gesessen und was sie gegessen haben.
Den Kontrastfarbenträgern möchte man Mut zu Hundertwassers Lieblingsfarbe wünschen: Dunkelbunt. Am Tag des Jüngsten Gerichts wird nicht nach Farbe sortiert...
        



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15. März 2017
von:

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Martina Pahr

Submitted by admin on So, 02/12/2017 - 12:56
martinapahr

Martina Pahr ist Magister der Literaturwissenschaft, verausgabte Fernsehredakteurin, ehemalige Reiseleiterin, engagierte PR-lerin und leidenschaftliche Schreiberin. Sie reist gern und oft und würde ohne Internetzugang nicht mehr leben wollen. Im Sommer ist sie gern im Schottland, im Winter in Asien. Zwischendrin meistens in München. Egal wo sie ist, schreibt sie regelmässig mit spitzig-kritischer und humorvoll-bissiger Feder für den Zeitpunkt.

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