«Vollgeldreform oder Systemkrise?

Wie Staatsschulden abgebaut und Finanzkrisen verhindert werden können“
Öffentliche Tagung an der Universität Zürich am 1./2. Juni 2012

Die Banken- und Staatsschuldenkrise will nicht enden, ja sie spitzt sich sogar wieder zu. Die einmaligen Rettungsmaßnahmen sind zu permanenten Auffangmechanismen ausgebaut worden. Gigantische Summen wurden seit 2007 mobilisiert, um Banken und Staaten vor dem finanziellen Kollaps zu bewahren. Doch ein Ende der Krise ist nicht in Sicht, das Schlimmste steht uns wohl noch bevor. Die Mehrheit der Menschen in Europa muss sich auf einen sinkenden Lebensstandard einstellen, weil sie die Kosten der Krise tragen muss: in Form von Arbeitslosigkeit, von Kürzungen bei den Staatsausgaben oder in Form einer höheren Inflation. Einer solchen Abwärtsspirale wird sich langfristig auch die Schweiz nicht entziehen können. Die öffentliche Empörung über die Missstände in der Finanzwelt mag vorübergehend nachgelassen haben, doch erkennen immer mehr Menschen, dass diese Missstände auf Fehler im System zurückzuführen sind und nur durch wahre Strukturreformen behoben werden können.
Vor diesem Hintergrund veranstaltet der Verein Monetäre Modernisierung (MoMo) am 1./2. Juni an der Universität Zürich eine Tagung mit dem Ziel, der öffentlichen Debatte über die Verbesserung des Geld- und Bankensystems neue Impulse zu geben. In einer Reihe von Referaten und Podiumsrunden werden nicht nur die Ursachen von Finanzkrisen aufgedeckt, sondern auch Lösungsansätze diskutiert. Experten aus dem In- und Ausland bringen ein breites Spektrum an Themen zur Sprache: von ethischen Grundfragen über verschiedene Geldsysteme und Finanzinnovationen bis hin zu politischen Gestaltungsmöglichkeiten. Besondere Beachtung erhält dabei die so genannte Vollgeldreform, die wesentlich dazu beitragen könnte, das Finanzsystem stabiler und gerechter zu machen.

Die Finanzwelt steckt in einer Systemkrise

Was sich seit 2007 in der Finanzwelt abspielt, ist eine Systemkrise, die in erster Linie darauf zurückzuführen ist, dass unser Geldsystem falsch konstruiert ist. Das Geldsystem ist nämlich das Herz des Wirtschaftssystems, weil es das für den Wirtschaftskreislauf erforderliche Geld bereitstellt.
Wenn das Geldsystem falsch konstruiert ist, können deshalb auch das Finanzsystem und die gesamte Wirtschaft nicht richtig funktionieren.
Ein zentrales Problem unseres Geldsystems besteht darin, dass Geld ausschließlich in Form von Schuld in Umlauf gelangt. Die Überschuldung von Personen und Staaten ist deshalb im System angelegt. Das für einen funktionsfähigen Wirtschaftskreislauf erforderliche Geld steht nämlich nur dann zur Verfügung, wenn Schulden gemacht werden. Der überwiegende Teil (rund 85 %) des zirkulierenden Geldes ist auf dem Weg der Kreditvergabe durch Geschäftsbanken entstanden. Und auf Kredite müssen bekanntlich Zinsen gezahlt werden. Damit aber genügend Geld für die Rückzahlung auslaufender Kredite und für die Bezahlung der Zinsen vorhanden ist, muss die Kreditvergabe ständig erweitert werden, sonst bricht das System zusammen. Wegen dieses Wachstumszwangs ist unser heutiges Geldsystem nichts anderes als ein Schneeballsystem. Durch den Wachstumszwang wird entweder die Inflation angeheizt oder die Realwirtschaft unter Druck gesetzt, entsprechend der erweiterten Geldmenge auch mehr reale Güter zu produzieren. Die andauernde Steigerung der realen Wirtschaftsleistung stößt jedoch an die Grenzen unseres Ökosystems und bedroht unsere natürliche Lebensgrundlage. Das bestehende Geldsystem verhindert somit ein nachhaltiges Wirtschaften.
Ein weiteres Kernproblem unseres Geldsystems besteht darin, dass Geschäftsbanken neues Geld herstellen dürfen – so genanntes Buchgeld, das nur auf den Konten der Kunden existiert. Sie vergeben Kredite nicht nur aus dem Geld, das Kunden vorher bei ihnen deponiert haben, sondern können fast unbegrenzt Buchgeld kreieren und gegen Zinsen verleihen. So können die Banken große Gewinne erzielen, indem sie selbst Geld in Umlauf bringen. Dieses Privileg der Geldproduktion stellt in Wahrheit eine Subventionierung der Banken dar und hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Finanzsphäre im Verhältnis zur Realwirtschaft übermäßig aufgebläht hat. Das durch die Geschäftsbanken geschaffene Geld dient nämlich immer weniger der Realwirtschaft, sondern wird zunehmend zur Finanzierung spekulativer Anlagen verwendet. Es liegt in der Logik des bestehenden Geldsystems, dass die privaten Banken in ihrem Streben nach Profit zu viel Geld in Umlauf bringen und damit spekulative Blasen produzieren. Platzen diese, kommt es zu Finanzkrisen, die enorme gesellschaftliche Schäden verursachen. Geschäftsbanken müssen dann mit öffentlichen Geldern gerettet und mit billigem Zentralbankengeld zusätzlich subventioniert werden. Wie die gegenwärtige Kreditklemme zeigt, erfüllen sie ihre Aufgabe, die Realwirtschaft zu finanzieren, trotzdem nicht. So kommen die Vorteile des heutigen Geldsystems vor allem privaten Banken zugute, während die Risiken und Lasten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.

Die Vollgeldreform als zentraler Teil der Lösung 
Mit einer Vollgeldreform könnten die beschriebenen fundamentalen Fehlfunktionen des Geldsystems korrigiert werden. Sie würde die wichtigste Ursache des übertriebenen Geldwachstums und der dadurch entstehenden Spekulationsblasen eliminieren: die Geldschöpfung der Geschäftsbanken. Die Reform überträgt nämlich die alleinige Kompetenz zur Geldschöpfung einer von der Tagespolitik unabhängigen, gestärkten Nationalbank (Monetative), die nur dem Gesamtinteresse des Landes sowie dem Gesetz verpflichtet ist.
Als Folge dieser Modernisierung wäre das Buchgeld der Bankkunden nicht länger mit dem Risiko verbunden, dass es im Falle eines Bankrotts der Bank verloren geht. Auch müsste der Staat keine besondere Garantie für Bankeinlagen übernehmen, denn das Geld der Bankkunden wäre automatisch sicher. Im neuen Geldsystem muss das Geld auf den Bankkonten immer vollständig vorhanden sein und darf nicht ohne ausdrückliches Einverständnis der Bankkunden für andere Zwecke verwendet werden. So würden auch die spekulativen Finanzgeschäfte der Banken eingeschränkt, gleichzeitig würde aber die Kreditversorgung der Realwirtschaft verbessert.
Eine weitere Folge der vorgeschlagenen monetären Modernisierung wäre, dass dem Bund beträchtliche Einnahmen aus der Geldschöpfung zufallen würden, die den Bürgern zugute kämen. Denn die Umstellung auf das neue Geldsystem schafft Raum für Steuersenkungen und bietet die einmalige Gelegenheit, um Staatsschulden abzubauen. Darüber hinaus würde die Geldversorgung der Wirtschaft stabilisiert und konjunkturelle Schwankungen geglättet. Schließlich könnte die Inflation auf ein Minimum reduziert werden, weil die Monetative die volle Kontrolle über die Geldmenge hätte.
Die Vollgeldreform sieht eine erneuerte Verankerung des staatlichen Monopols der Geldschöpfung in der Bundesverfassung vor. Das illegitime Privileg der Geschäftsbanken, Geld zu kreieren, rührt nämlich von einer schwerwiegenden Gesetzeslücke her: Artikel 99 der Bundesverfassung weist dem Bund nur in Bezug auf Münzen und Banknoten das alleinige Recht der Geldschöpfung zu. Diese Regulierung ist durch die Entwicklung des Bankenwesens jedoch längst überholt. Denn ca. 85 % des Geldes wird heute von Geschäftsbanken als Buchgeld kreiert, nur die restlichen ca. 15 % sind in Form von staatlich geschöpftem Bargeld vorhanden. Auf Verfassungsebene soll deshalb das Geldmonopol des Bundes auch auf das Buchgeld ausgedehnt werden. Eine entsprechende Verfassungsreform würde das bestehende Geldsystem viel stabiler und gerechter machen – deshalb findet sie in der Bevölkerung und Politik sowie in der Wirtschaft und Wissenschaft einen immer größeren Anklang.

Verein Monetäre Modernisierung (MoMo), 5430 Wettingen | 079 773 34 50, www.vollgeld.ch
25. Mai 2012
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